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Nach der verheerenden Explosion in Beirut sind viele Menschen auf Nothilfe angewiesen. ©Plan International
Nach der verheerenden Explosion in Beirut sind viele Menschen auf Nothilfe angewiesen. ©Plan International
04.08.2021 - von Claudia Ulferts

Ein Jahr nach Explosion in Beirut: Wirtschaftskrise im Libanon verschärft Periodenarmut

Vor einem Jahr richtete eine verheerende Explosion im Beiruter Hafen massive Zerstörungen in der libanesischen Hauptstadt an. 200 Menschen starben, 6.500 wurden verletzt, 120 Schulen wurden zerstört. Das Unglück verschärfte die Lage in dem ohnehin schon unter einer schweren Wirtschaftskrise leidenden Land. Die Preise unter anderem für Nahrungsmittel und Waren des täglichen Lebens sind seitdem rasant gestiegen. So sind etwa Periodenprodukte heute fünf Mal so teuer wie im vergangenen Jahr. Drei Viertel der im Libanon lebenden Frauen und Mädchen haben laut einer aktuellen Befragung Schwierigkeiten, an Menstruationsprodukte zu gelangen oder sie bezahlen zu können.


Lama Naja, Programmmanagerin für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte bei Plan International Libanon: „Die sich verschlechternde Situation im Libanon und ihre starken Auswirkungen auf heranwachsende Mädchen und Frauen bereiten Plan International große Sorgen. Immer mehr Frauen und Mädchen müssen unsichere Alternativen zu Periodenprodukten verwenden oder diese länger als empfohlen verwenden, um die Kosten für die Menstruation zu senken.“
Zusammen mit der libanesischen NGO Fe-Male hat Plan Libanon rund 1.800 Mädchen und Frauen zum Thema Periodenarmut befragt. Auch Frauen und Mädchen aus palästinensischen und syrischen Gruppen nahmen daran teil. 42 Prozent der Frauen und Mädchen im Land gab an, die Anzahl der Monatsbinden reduzieren oder eine Binde deutlich länger als üblich verwenden zu müssen, um die Gesamtkosten für ihre Periode zu senken. Dieses Verhalten ist eine Folge der Hyperinflation im Land, mit erheblichen Folgen für die Gesundheit der Betroffenen. 36 Prozent der Frauen und Mädchen im Libanon berichteten von gesundheitlichen Problemen. Zum Beispiel bekamen sie Infektionen, weil sie ihre Binden entweder nicht häufig genug wechselten oder Lumpen und andere Stoffe verwendeten.
Die Periodenarmut hat auch Auswirkungen auf Bildungsmöglichkeiten. Eine befragte Schülerin sagte: „Ich verpasse jeden Monat mehrere Schultage, weil ich keine Binden habe. Meine Familie kann sie sich nicht leisten, also hat mir meine Mutter beigebracht, wie man sie durch ein Stück Stoff ersetzt.
Oft genug müssen Betroffene entscheiden, ob sie das wenige Geld, das ihnen zur Verfügung steht, für Menstruationsprodukte oder für Nahrungsmittel verwenden. Eine junge Mutter sagte: „Ich kaufe lieber Essen für mein Baby, deshalb lege ich immer ein Stück Stoff in meine Unterwäsche, anstatt Binden zu benutzen".

Wir von Plan verteilen Hygienekits. ©Plan International
Wir von Plan verteilen Hygienekits. ©Plan International

Plan International Libanon und Fe-Male haben eine Kampagne mit dem Titel #Nashftolna dammna" (übersetzt in etwa: „Ihr habt uns unser Blut abgezapft“) ins Leben gerufen, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie weit verbreitet Periodenarmut im Libanon ist und welche negativen Auswirkungen sie auf Frauen und Mädchen hat. Die Kampagne soll verdeutlichen, wie wichtig es ist, langfristige Lösungen zu finden, um sicherzustellen, dass Frauen und Mädchen sich die benötigten Hygieneprodukte leisten können und überhaupt Zugang dazu haben.
Alia Awada, Co-Direktorin von Fe-Male: „Allzu oft sind die Bedürfnisse und Rechte von Frauen und Mädchen in Krisenzeiten zweitrangig. Während der Libanon immer tiefer in eine wirtschaftliche und politische Krise gerät, werden die Grundbedürfnisse der Frauen ignoriert und ihre psychische und physische Gesundheit wird übersehen. Die libanesische Regierung und die wichtigsten Interessengruppen müssen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass jede Frau und jedes Mädchen im Libanon Zugang zu Periodenprodukten hat.“
Periodenarmut stelle eine echte Bedrohung für die sexuellen und reproduktiven Rechte und die Gesundheit von heranwachsenden Mädchen und Frauen dar, so Alia Awada weiter. Die Menstruation sei keine Option, sondern eine biologische Realität. Der Zugang zu den Produkten des Menstruationszyklus sei ein Menschenrecht.
Plan International hat im vergangenen Jahr mehr als 7.000 Kinder und ihre Familien im Libanon unterstützt. Sie bekamen Nahrungsmittel, Hygiene-Sets, Haushaltsgegenstände, Schulmaterialien und auch Cash-Gutscheine. Zudem erhielten Betroffene der Explosion psychosoziale Unterstützung.
Nach Angaben der Weltbank leben derzeit 1,7 Millionen Menschen im Libanon unter der Armutsgrenze. 40 Prozent sind arbeitslos und rund 845.000 Menschen erleben Lebensmittelknappheit.

Mehr dazu: Girls in Crisis Report