Zwangsheirat jetzt stoppen
Nach Angaben von UNICEF wurden 650 Millionen der heute lebenden Frauen weltweit vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Ein Drittel von ihnen waren bereits mit 15 Jahren verheiratet. Kinder-, Früh- und Zwangsheirat ist auf allen Kontinenten verbreitet, besonders aber in Afrika südlich der Sahara und in Südasien. Rund ein Drittel aller Frauen und Mädchen, die als Kind verheiratet wurden, leben in Indien.
Was bedeutet Zwangsheirat?
Mit Einschränkungen definiert die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 ein Kind als einen Menschen unter 18 Jahren. Diese Definition wird inzwischen für viele internationale Abkommen genutzt und auch von Plan International vertreten.
Unter „Kinderheirat“ wird eine Ehe verstanden, in der mindestens eine:r der Eheleute noch keine 18 Jahre alt ist. In einigen Ländern tritt die Volljährigkeit formal vor dem vollendeten 18. Lebensjahr ein. Deswegen wird der Begriff „frühe Heirat“ verwendet.
Unter Zwangsheirat verstehen wir eine Ehe, zu der eine:r oder beide Eheleute, unabhängig vom Alter, keine volle und freie Zustimmung geben.
In vielen Ländern sind Mädchen von Zwangsehe betroffen, sobald sich ihr Körper entwickelt und sie ihre Menstruation bekommen. Zu diesem Zeitpunkt gelten sie als heiratsfähige Frauen.
Nicht nur Mädchen, auch Jungen werden früh verheiratet. Allerdings ist der Anteil der Mädchen erheblich höher. UNICEF geht davon aus, dass 115 Millionen Jungen und Männer vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet waren.
Die Vereinten Nationen bezeichnen die Zwangsheirat als eine "moderne Form der Sklaverei". Durch sie verlieren die Betroffenen vor der Volljährigkeit ihre Kindheit. So stellt die Zwangsheirat eine gravierende Kinderrechtsverletzung dar. Die betroffenen Mädchen sind gezwungen, die Schule vorzeitig zu verlassen und in ein Leben mit wenigen beruflichen oder persönlichen Perspektiven zu starten. Gleichzeitig steigt das Risiko für sie, in einer Zwangsehe Opfer von Gewalt oder Missbrauch zu werden.
Wo gibt es Kinderheirat?
Überall auf der Welt werden Minderjährige Opfer von Zwangsverheiratung. Das passiert besonders häufig in Ländern, in denen Kinder in Bezug auf Bildung und Wahrnehmung ihrer Rechte benachteiligt sind.
Den höchsten Anteil an Frauen, die vor ihrem 18. Geburtstag in einer Ehe leben, gibt es in Südasien. Dort sind es 44 Prozent, die früh verheiratet werden. Auch in Afrika gibt es viele Kinder, die von Zwangsheirat betroffen sind. Der Anteil variiert je nach Region. In der Region Subsahara Afrika werden 18 Prozent der Frauen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet, im mittleren Osten und Nordafrika sind es 5 Prozent.
Innerhalb der Länder, in denen frühe Heirat praktiziert wird, gibt es teilweise erhebliche Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Gebieten: So werden in Äthiopien beispielsweise in der nördlichen Provinz Amhara 56 Prozent der Mädchen früh verheiratet, während es in der Hauptstadt Addis Abeba 12 Prozent sind.
Des Weiteren gibt es einen großen Unterschied zwischen den ärmsten und reichsten Familien eines Landes. So waren in Indien viermal mehr 20- bis 24- jährige Frauen aus den ärmsten Haushalten bereits mit 18 verheiratet als bei den Frauen aus den reichsten Haushalten.
Warum werden Kinder zwangsverheiratet?
Gründe für Zwangsehen sind häufig innerhalb der Gesellschaft zu finden. Tradition und gesellschaftliche Zwänge, frühe Schwangerschaft und Armut sind die häufigsten Gründe, um eine arrangierte Heirat von Minderjährigen zu begründen.
Rolle der Gesellschaft
Generell sind Kinder-, Früh-, und Zwangsehen ein Zeichen von Geschlechterdiskriminierung und dem Festhalten an traditionellen Rollenbildern. Mädchen wird weniger Wert als Jungen zugesprochen und ein Hauptgrund für die Frühverheiratung ist der Gedanke, dass ein Mädchen keine „Schande“ über die Familie bringen soll.
Eine Studie von Plan International in Westafrika ergab, dass Mädchen verheiratet werden, wenn sie nicht mehr in die Schule gehen. Wenn das Mädchen dann bereits pubertiert, wird sie als erwachsen angesehen und die Familie sieht die „Gefahr“, dass sie sexuelle Kontakte hat. Dies würde in patriarchalisch geprägten Gesellschaften jedoch außerhalb der Ehe eine Schande für die Familie bedeuten, erst recht, wenn das Mädchen schwanger wird. Um die Familie davor zu „schützen“, wird sie verheiratet.
„Wenn ein Mädchen seine Periode bekommt und ihr Körper entwickelt ist, ist sie erwachsen und bereit zu heiraten. Ein Junge muss ein paar Jahre warten, weil er die Reife langsamer erreicht als ein Mädchen.“ Village Chief, Mali
Mädchen werden zudem erst von der Gemeinschaft als erwachsene Frauen anerkannt, wenn sie verheiratet sind und Kinder haben. Dieser gesellschaftliche Druck wird auch durch bereits verheiratete Gleichaltrige erzeugt. Eine große Rolle spielen dabei auch traditionelle Rollenbilder, die die in Westafrika sehr populären Filme aus Nigeria transportieren.
Auch in Lateinamerika versuchen die Mädchen häufig durch Ehe und Mutterschaft die Anerkennung als Erwachsene zu erreichen. Es kann aber auch sein, dass sie aufgrund gesellschaftlicher Zwänge wegen einer Schwangerschaft heiraten müssen.
Die Ehe versetzt eine junge Frau in einen anderen gesellschaftlichen Status. Insbesondere wenn sie schwanger ist und/oder Kinder hat, bekommt sie zudem mehr gesellschaftliche Anerkennung als vorher. In Indien sowie vielerorts in Südostasien erwarten viele Familien von ihren Töchtern, dass sie die traditionelle Rolle der Ehefrau und Mutter übernehmen. Ihre Aufgaben beschränken sich auf den Haushalt und die Erziehung der Kinder. Daher wird eine Grundbildung für die Töchter als ausreichend angesehen und erwartet, dass die Mädchen die Schule nach sechs bis acht Jahren verlassen.
Was sind die Folgen einer Zwangsehe?
Ja, ich möchte Kindern helfen!
Was macht Plan International?
Wir unterstützen Jugendliche und ihre Organisationen bei ihrer Arbeit zur Abschaffung von früher Heirat und zur Geschlechtergleichstellung. Dabei bringen wir sie mit Entscheidungsträger:innen zusammen, um politische und gesellschaftliche Änderungen zu bewirken. Auf diese Weise konnten wir schon in einigen Ländern dazu beitragen, Kinderheirat per Gesetz zu verbieten.
Wir tragen dazu bei, dass Schulen für Kinder und Jugendliche erreichbar sind und ihnen die hochwertige Bildung und Förderung bieten, die sie brauchen. Eltern versetzen wir in die Lage, auf die Mitarbeit ihrer Kinder weitestgehend verzichten zu können, so dass die Kinder Zeit haben zu lernen. Um die Schulwege für Mädchen so sicher wie möglich zu machen, werden weiter entfernt liegende Schulen mit sicheren Schlafsälen für Mädchen ausgestattet. So sorgen wir für besseren Schutz.
Wir arbeiten mit Jungen und Mädchen zum Thema Gleichberechtigung und ihrem Rollenverständnis. Geschlechterrollen werden hinterfragt und geschlechtsspezifische Gewalt abgebaut. Zusätzlich gibt es Programme, die speziell die Gewalt an Schulen – sowohl zwischen den Schüler:innen als auch zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen – reduzieren sollen.
In unseren Nothilfeprojekten arbeiten wir zusammen mit Gemeinden an der Prävention von Kinderhandel, Zwangsverheiratung und geschlechtsbasierter Gewalt. Dabei haben wir spezielle Angebote für Überlebende sexueller Gewalt. In Konfliktgebieten sowie nach Katastrophen, ermöglichen wir Mädchen in unseren Projekten, ihre Schulbildung fortzusetzen. Außerdem können sie Dienste für sexuelle Gesundheit in Anspruch nehmen. Mädchen und jungen Frauen bieten wir Schutz und sorgen für eine bessere Ernährung
Wir nutzen Medien wie Radio, Fernsehen, Internet und soziale Medien, um mit Programmen und Spots auf die Themen Zwangsheirat und Kinderrechte aufzuklären und ein gesellschaftliches Umdenken in Gang zu setzen.
Jugendlichen ermöglichen wir eine Berufsausbildung. Hier arbeiten wir teilweise eng mit der lokalen Wirtschaft zusammen. Insbesondere für Mädchen ist es wichtig, positive Vorbilder zu haben. So muss der Anteil der Lehrerinnen erhöht werden, aber auch der Anteil der Mitarbeiterinnen von Plan und unserer lokalen Partnerorganisationen, die beispielsweise mit dem Motorrad entlegende Gemeinden besuchen.
Für bereits verheiratete Mädchen bieten wir Möglichkeiten, weiter eine Schule zu besuchen, eine Ausbildung zu machen oder an Einkommen schaffenden Maßnahmen teilzunehmen. Wir leisten Aufklärungsarbeit bei den betroffenen Frauen, in den Familien und Gemeinden und zeigen auf, wie sehr der Wohlstand und die Gesundheit der Familien vom Bildungsstand der Mütter abhängt.