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Mädchen und Frauen müssen frei leben, frei sprechen und frei über ihr Leben entscheiden können, ohne durch Gewalt oder deren Androhung zum Schweigen gebracht, ausgebremst oder diskriminiert zu werden. Das fordert Plan International mit #GirlsGetEqual. © Plan International / Patrick Kaplin
Mädchen und Frauen müssen frei leben, frei sprechen und frei über ihr Leben entscheiden können, ohne durch Gewalt oder deren Androhung zum Schweigen gebracht, ausgebremst oder diskriminiert zu werden. Das fordert Plan International mit #GirlsGetEqual. © Plan International / Patrick Kaplin
25.11.2020 - von Anne Rütten

Gewalt an Mädchen und Frauen beenden

Durch die Corona-Krise kam es zu einem enormen Anstieg an Gewalt gegen Frauen. Das steht im Fokus der 16 Aktionstage zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, die heute starten. Plan International unterstützt die Aktion mit der globalen Kampagne für Gleichberechtigung.

Ob Zuhause, auf der Straße, in Krisengebieten oder im Internet - Gewalt an Mädchen und Frauen ist alltäglich, unabhängig von Alter, sozialem Status, Bildung oder Nationalität und jedes Mal eine Verletzung von Menschenrechten. Das weltweite Ausmaß ist beachtlich: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits jede dritte Frau in ihrem Leben physische oder sexuelle Gewalt erfahren.

Um Gewalt gegen Frauen zu beenden, ruft das Center for Women’s Leadership seit 1991 jährlich zwischen dem internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen am 25. November und dem Tag der Menschenrechte am 10. Dezember zu 16 Protesttagen auf. Dieses Jahr tragen die 16 Days of Activism mit dem Motto "Fund, Respond, Prevent, Collect!" (dt: "Finanziert, Reagiert, Verhindert, Sammelt") dem weltweit gestiegenen Risiko von Gewalt durch die Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von Covid-19 Rechnung.


Zunahme von Gewalt an Mädchen und Frauen durch Covid-19

In Krisenzeiten nehmen alle Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt zu, dazu gehört in der Corona-Krise insbesondere die häusliche Gewalt. Denn die gebotenen Schutzmaßnahmen, um die weitere Ausbreitung von Covid-19 zu bremsen – insbesondere das „zu Hause bleiben“ und das Vermeiden sozialer Kontakte außerhalb der eigenen Familie beziehungsweise Wohngemeinschaft – isolieren Betroffene zusätzlich und bedeuten verheerende Folgen: Zu Hause können sie sich (und andere) zwar effektiv vor einer Ansteckung schützen, nicht aber vor gewalttägigen Übergriffen innerhalb der Familie. Das gilt auch für Mädchen und Frauen, die solche Erfahrungen bislang nicht machen mussten, denn Ausgangssperren verschärfen nicht nur die Häufigkeit von häuslicher Gewalt, sondern erhöhen auch das Risiko, ein solches Gewaltpotential erst hervorzubringen.

Hinzu kommt, dass die Isolation den Ausstieg aus solchen gewalttätigen Zuständen erschwert, wenn nicht gar verhindert. Der ist in der Regel nur möglich, wenn die Betroffenen Außenstehende auf ihre Situation aufmerksam machen können – zum Beispiel in der Schule, bei Hausbesuchen ausgebildeter Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter oder während organisierter Freizeitaktivitäten. Diese Chancen haben sich aber aufgrund der Kontaktbeschränkungen extrem reduziert. Das hat zu einer alarmierenden Zunahme der vielfältigen Formen von Gewalt an Mädchen und Frauen geführt - sowohl Zuhause und auf der Straße, aber auch online, im Internet und insbesondere in den sozialen Medien.

Corona-Krise verstärkt Online-Nutzung - und digitale Gewalt

Mit dem nach wie vor bestehenden Aufgruf zum "Social Distancing" und weltweit bestehenden Ausgangssperren, hat sich ein Großteil des gesellschaftlichen Lebens in den Online-Bereich verlagert - insbesondere junge Menschen verbringen mehr Zeit in sozialen Netzwerken denn je. Doch die sind oft für Mädchen und junge Frauen nicht sicher, wie der diesjährige Welt-Mädchenbericht "Free to be online - Erfahrungen von Mädchen und jungen Frauen mit digitaler Gewalt“ von Plan International gezeigt hat. 

14.000 Mädchen und junge Frauen in 22 Ländern der Welt wurden dafür zu ihren Erfahrungen in den sozialen Medien befragt. 58 Prozent der Befragten haben an, im Netz schon bedroht, beleidigt und diskriminiert worden zu sein. In Deutschland sind es sogar 70 Prozent. Der Alltag von Mädchen und Frauen in den sozialen Netzwerken ist geprägt von solchen Vorfällen und häufig auch von Strategien, um sie zu vermeiden.

Digitale Gewalt hat - so wie alle anderen Formen von Gewalt auch - weitreichende Folgen: Der Umfrage entsprechend leiden 42 Prozent der Betroffenen unter psychischen Folgen, 24 Prozent fühlen sich auch physisch unsicher und 38 Prozent änderten aufgrund von Online-Belästigungen ihr Verhalten auf Social Media: Sie nutzen die Plattformen seltener, sagen weniger ihre Meinung oder verließen das jeweilige Netzwerk ganz.

Die Corona-Krise macht es wichtiger denn je, dass Mädchen vollen und gleichberechtigten Zugang zu den Möglichkeiten haben, die die sozialen Medien und das Internet zu bieten haben. Die Ergebnisse der Plan-.Befragung zeigen aber, dass das noch nicht der Fall ist. Daher fordert Plan International mit der #FreeToBeOnline-Kampagne unter dem Dach von "Girls Get Equal" unter anderem Social Media-Unternehmen auf, wirksame und leicht zugängliche Meldemechanismen speziell für geschlechtsspezifische digitale Gewalt zu schaffen, durch die Täter:innen zur Rechenschaft gezogen werden können.

Plan International Deutschland ruft alle Nutzer:innen von sozialen Medien dazu auf, den offenen Brief mit Forderungen nach wirksamen Maßnahmen an die Betreiber der Digital-Plattformen zu unterschreiben.

Schädliche Rollenbilder als Ursache für Gewalt gegen Frauen

Unabhängig davon, ob geschlechtsspezifische Gewalt digital, auf der Straße oder Zuhause stattfindet: Sie ist ein gesellschaftliches Phänomen, das häufig Folge der veralteten Vorstellung ist, Mädchen und Frauen seien weniger wert und das „schwache Geschlecht“.

Zusätzlich zu wirksameren Meldemechanismen, mehr Unterstützungsangeboten und neuen Gesetzen, die die Strafverfolgung verbessern, müssen also auch schädliche Stereotype verändert werden. Denn diese suggerieren Jungen und Männern in unserer Gesellschaft häufig, dass sie das Recht hätten, Mädchen und Frauen zu beleidigen, aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Meinungen zu demütigen, ihnen Gewalt anzudrohen oder sie zu bedrängen.

Das hat nicht nur Auswirkungen auf ihr persönliches Leben und schränkt sie in ihrer Freiheit ein, es ist auch ein Ausdruck für fehlende Gleichberechtigung. Um das zu ändern, damit jedes Mädchen selbst über ihr Leben bestimmen und die Welt um sich herum mitgestalten kann, fordert Plan International mit der globalen Kampagne „Girls Get Equal“ echte Gleichberechtigung für Frauen und Männer. Grundvoraussetzung dafür ist, Geschlechterstereotype aufzubrechen und alle Menschen als gleich anzusehen – unabhängig von ihrem Alter, Geschlecht, ihrer Hautfarbe, Herkunft oder sexueller Orientierung.

16 Aktionstage gegen Gewalt an Frauen: Finanziert, Verhindert, Reagiert, Sammelt!

Die 16 Aktionstage zur Beendigung von Gewalt an Mädchen und Frauen sollen in diesem Jahr speziell dazu genutzt werden, auf die ansteigende Gewalt im Krisenkontext aufmerksam zu machen und in den Griff zu bekommen. UN Women hat dazu Forderungen aufgestellt, die in vielfältigen Aktionen rund um den Globus zwischen dem 25. November und 10. Dezember unterstützt werden:

Finanziert!

  • Priorisierung der Finanzierung eines Mindestpakets grundlegender Dienstleistungen in Covid-19  Konjunkturpaketen, die den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt einschließen
  • flexible finanzielle Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Frauenrechtsorganisationen, die an der Schnittstelle von Corona-Nothilfe und geschlechtsspezifischer Gewalt arbeiten 
  • Priorisierung der Finanzierung von Prävention und Hilfe von geschlechtsspezifischer Gewalt im Rahmen des Corona-Nothilfe-Plans der Vereinten Nationen und des Rahmenplans für sozio-ökonomische Auswirkungen der Krise

Verhindert!

  • Erklärung einer nationalen Null-Toleranz-Politik gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt mit einem konkreten Aktionsplan. 
  • Starten einer Kampagne zur Mobilisierung der Menschen für Verhaltensänderungen im Rahmen von Covid-19 (Aufmerksamkeit auf systematische und soziale Normverschiebungen, positive Männlichkeit und Gewalt gegen Frauen mit Beachtung von Intersektionalität. 

Reagiert!

  • Ergreifung von expliziten Maßnahmen, damit Opfer und Überlebende von geschlechtsspezifischer Gewalt auch während Corona-bedingter Lockdowns weiterhin psychische, emotionale und rechtliche Beratung und Unterstützung erhalten.
  • Sicherstellung der Erreichbarkeit essentieller Dienstleistungen und Beratungsangeboten und dem Aufbau solcher, wo sie noch nicht existieren

Sammelt!

  • Sammlung von Daten zur Verbesserung der Dienstleistungen und Programmen gegen geschlechtsspezifischer Gewalt - immer unter Beachtung und Gewährleistung ethischer Sicherheitsstandards.