Nepal-Patenreise Oktober 2015
Reisen zum Patenkind in der Gruppe
Einige Paten nehmen weite und abenteuerliche Wege auf sich, um ihr Patenkind in den Projektländern zu besuchen. Nepal ist ein beliebtes Ziel, besonders bei den Paten, die dies mit einer Trekkingtour in der Himalaya Region verbinden möchten.
Im Plan-Büro in Hamburg sind wir ein sechsköpfiges Team, das solche Patenbesuche betreut. Wir arbeiten aufgeteilt nach Kontinenten: zwei für Lateinamerika, zwei für Afrika und zwei für Asien. Besuche müssen rechtzeitig angemeldet werden, am besten sechs Wochen vorher.
Vor einem Jahr begann Plan, Besuche beim Patenkind auch als Gruppenreisen anzubieten. Das erste Ziel war 2014 Vietnam, im Herbst 2015 folgten Nepal und Thailand.
Der Veranstalter GEBECO, der zur erfahrenen TUI-Gruppe gehört, organisiert die jeweils zwei-wöchigen Rundreisen; wir Plan-Mitarbeiter kümmern uns um den darin eingebetteten Teil von drei Tagen, in denen Projekte angeschaut und die Patenkinder besucht werden.
Dieses Jahr stehen Ecuador im September und Äthiopien im November auf dem Programm.
Ankommen
Ankommen
Erste Eindrücke
Meine Kollegin Jette und ich reisten Ende Oktober nach Nepal, um der Gruppe von 15 Paten während der Projektbesuche und dem Treffen mit den Patenkindern für alle Fragen zur Verfügung zu stehen. Ich freute mich sehr darauf, die Plan-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter in Nepal kennenzulernen, die mir durch unsere langjährige Zusammenarbeit und E-Mail-Korrespondenz vertraut waren. Das schwere Erdbeben lag erst ein halbes Jahr zurück und wir machten uns Gedanken, was wir wohl vorfinden würden.
Verhalten bei Erdbeben
Der Sicherheitsmanager von Plan besucht uns sofort, nachdem wir im Hotel angekommen sind, um uns wichtige Hinweise zu geben. Er erklärt uns, wie wir uns verhalten sollen, wenn wir von einem Erdbeben überrascht werden: Weg von den Fenstern! Das Haus verlassen, aber dabei niemals rennen! Zur Not unter einen Türrahmen stellen, weil dieser mehr Stabilität bietet.
Die Dunkelheit bricht pünktlich um 18 Uhr herein. Wir bemühen uns, rechtzeitig ins Hotel zurückzukehren. Dieses erste Wochenende haben wir Gelegenheit, die Königsstädte Bhaktapur, Katmandu und Lalithpur anzuschauen und einen Eindruck von der Atmosphäre des Landes zu gewinnen.
Die Nepalesen
Die Liebenswürdigkeit der nepalesischen Bevölkerung beeindruckt uns. Die Religionen –Hinduismus und Buddhismus – durchweben völlig unaufdringlich den Alltag. Tempel- und Stupa-Anlagen bezaubern uns mit ihrer friedlichen Ausstrahlung, die sich auch auf die Souvenir-Händlerinnen zu übertragen scheint. Jedes hartnäckige Nein weichen sie nach kurzer Zeit mit ihrem geduldigen Lächeln auf.
Treffen mit den Paten
Wir treffen unsere Paten in Hetauda, einer Kleinstadt im Projektgebiet Makwanpur. Diese liegt vier Autostunden von Katmandu entfernt, aber was für Autostunden! Doch der Geländewagen von Plan trägt uns sicher über schwindelerregende Serpentinenstraßen.
Unsere Patengruppe ist schon eine Woche in Nepal unterwegs. Ich spüre, dass sich die fünfzehn Menschen gut verstehen und es keine Spannungen in der Gruppe gibt. Hoch interessiert, motiviert, informiert und mit einem guten Sinn für Humor integriert die Gruppe uns sofort und hat viele Fragen. Neeta und Anil vom Team Plan-Nepal unterstützen uns tatkräftig. Wir übersetzen vom Englischen ins Deutsche und wieder zurück. Der Reiseleiter der Gruppe namens Om übersetzt oft gleich von Nepali ins Deutsche und ist in seiner unaufdringlichen, freundlichen Art bei allen beliebt.
Projektbesuche
Der erste gemeinsame Ausflug gilt verschiedenen Projekten. Wir teilen uns auf vier Geländewagen auf und los geht es in die Berge bis zu einer Höhe von 2500 Metern. Für mich als Hamburgerin aus der norddeutschen Tiefebene ist das gewaltig - himalayaerfahrene Menschen meinen, sich in einem Mittelgebirge zu befinden.
Wasserprojekt
Zuerst besichtigen wir ein Wasserprojekt. Im Dorf wurden Wasserhähne installiert, ebenso die dazugehörigen Leitungen und eine Pumpstation. Dies erspart es den Mädchen und Frauen, stundenlang zu anderen Wasserquellen zu laufen und kilometerweit schwere Wassercontainer zu schleppen.
Gesundheitsstation
Zu Fuß geht es weiter zur Gesundheitsstation mit integriertem Geburtszimmer. Die Frauen aus der Gegend können sich hier bei einer erfahrenen Hebamme – sie hat bereits 271 Geburten begleitet – Rat holen, Vorsorgeuntersuchungen durchführen lassen und hier auch das Kind zur Welt bringen. Schätzt die Hebamme eine Schwangerschaft als Risiko ein, wird die Frau an ein Krankenhaus überwiesen. Inzwischen hat es sich bei den Frauen herumgesprochen, dass eine Geburt auf der Gesundheitsstation sicherer und oft auch einfacher ist als zuhause. Immer mehr Schwangere nehmen den Dienst in Anspruch. An den Wänden hängen Schautafeln zu den Vorsorgeuntersuchungen und zu Risiken. Die Bilder werden auch von Frauen verstanden, die nicht lesen und schreiben können.
Wir überreichen einen Wasserfilter als Gastgeschenk. Am Abend zuvor haben wir dafür Geld zusammengelegt und die Plan-Kolleginnen haben den Filter besorgt. Die Freude ist groß und wir werden mit Blumenketten geehrt. Jeder erhält ein rotes Tikka auf der Stirn, zusammengemischt aus Quark und Farbe. Wenn der Quark trocknet, fällt er einem meist in einem unpassenden Moment wieder von der Stirn.
Frauen-Spargruppe
Der nachfolgende Besuch bei einer Frauen-Spargruppe beeindruckt mich am meisten. Sparen war den Frauen völlig unbekannt. Sie mussten sich meistens von ihren Männern Geld erbetteln. Finanzielle Abhängigkeit war normal. Das Sparen änderte dies nach und nach drastisch. Die Frauen sind von den Geldern ihrer Männer unabhängig, treffen ihre eigenen Entscheidung und haben die Gruppe als stärkende Kraft hinter sich. Stolz und sehr selbstbewusst berichten sie uns im Gruppenhaus, dass sie für 9000 Euro gebaut haben, wie die Spargruppe ihr Leben verändert hat: Die Gruppe ist von anfänglich vier Personen, die wenige Rupien auf die Seite legten, auf über 10.000 Mitglieder gewachsen und verfügt nun über mehrere Millionen. Mittlerweilen vergeben sie Mikrokredite und überprüfen jedes Gesuch auf Herz und Nieren, damit der Kredit später auch bedient werden kann. Dank der Spargruppe können Frauen nun kleine Geschäfte eröffnen und damit selbständige Unternehmerinnen werden. Junge Männer holen sich hier oft das Geld, um in die Emirate zu fliegen und dort Arbeit zu finden. Eine herzerwärmende Erfolgsgeschichte, ermöglicht durch die Beratung und Zusammenarbeit mit Plan, die die junge Spargruppe mit Rat und Tat unterstützt.
Child-Friendly-Spaces
Einige Menschen haben beim Erdbeben ihre Häuser verloren und können nicht in die Region zurück. Der Staat hat neue Häuser versprochen, aber dieses Versprechen noch nicht eingelöst. Die politischen Querelen um die neue Verfassung sind den Politiker anscheinend wichtiger. So leben einige Menschen mit ihren Kindern in Zeltlagern.
Plan organisiert ein großes Zelt für die Kinder – einen sogenannten „Child-Friendly-Space“: Hierher dürfen Kinder und Jugendliche zum Lernen und Spielen kommen. Sie erhalten psychologische Betreuung, um die schlimmen Erlebnisse zu verarbeiten. Der „Space“ ist eine Kombination aus Kindergarten, Schule und Jungendzentrum. Die Mädchen haben ihre schönsten Gewänder angezogen und tanzen für uns. Die Jungs sitzen daneben und umarmen sich, die Großen kümmern sich liebevoll um die Kleinen. Selten habe ich so viel körperliche Innigkeit und Nähe erlebt! Dies scheint unter den Kindern völlig normal zu sein. Unser Besuch ist eine willkommene Abwechslung, die Spiele und Süßigkeiten verspricht, und selbst die Luftballons werden zu begehrten Objekten.
Ich bin bewegt wie immer, wenn ich sehe, wie glücklich Menschen sein können, auch wenn sie nicht viel haben. Mir scheint, in Deutschland haben viele im Vergleich sehr viel, aber trotzdem das Lachen verlernt.
Wir fahren zu einem kleinen Bergressort mit wunderbarem Ausblick, um uns dort mit einem Mittagessen für den Nachmittag zu stärken. Wir sind die einzigen Gäste. Nepal leidet sehr unter dem Mangel an Touristen, die nach dem Erdbeben nicht mehr kommen.
Weite Wege, grüne Terrassenfelder
Wieder geht es über steile Serpentinenstraßen durch die Bergregion. Auf der Landkarte in Hamburg sah das alles viel einfacher und kürzer aus. Nun verstehe ich, warum für manche Besuche beim Patenkind zwei oder sogar drei Tage eingeplant werden müssen, warum eine Anfrage einige Wochen dauern kann. Die Landschaft ist bezaubernd. Von oben sehen die Terrassenfelder aus wie Patchwork-Teppiche in allen Grünschattierungen und sogar Gelb. Was wir erst als Raps zu identifizieren glauben, stellt sich bei Nachfrage als Senfsaat heraus. Blumenkohl ist gerade der Renner auf den kleinen Gemüsemärkten.
Ich sitze im Auto mit Uli, Ute und Peter. Uli gelingt es, sein Handy über Blue Tooth mit dem Soundsystem des Geländewagens zu verbinden. Wir sind alle in einem ähnlichen Alter. Nun hören wir Rockmusik aus den 70ern. Was für eine skurrile Situation! Unser Fahrer lächelt, selbst die Songs der „Grateful Dead“ können ihn nicht aus der Fassung bringen.
Aufregung vor dem Treffen mit den Patenkindern
Auf dem Heimweg besuchen wir ein weiteres Dorf, höher in den Bergen gelegen und etwas kleiner. Hier tanzen nicht nur die Mädchen, nun wagen sich auch unsere Paten vor. Alle sind tief berührt, wenn auch müde von dem steilen Auf- und Abstieg.
Abends führen wir lebhafte Diskussionen im Restaurant. Wie sollen wir den nächsten Tag gestalten? Wir wissen, dass wir die Patenkinder in einer Schule treffen werden. Nach der persönlichen Begegnung soll es einen kulturellen Nachmittag geben. Was können wir aufführen, ohne uns zu blamieren? Boris war Schulleiter, seine Frau Gesine Grundschullehrerin – das hilft. Einige haben Chorerfahrung. Wir gründen einen Patenchor und studieren „Bruder Jakob“ und „Der Hahn ist tot“ ein. Boris ist erfahrener Chorleiter. Wir amüsieren uns köstlich, zum Schluss hört sich der Kanon sogar richtig gut an.
Lest in Teil 2 alles über das Treffen mit den Patenkindern!