Das rollende Eisgeschäft
Bei den Kämpfen zwischen staatlichen Sicherheitskräften, linksgerichteten Rebellen und rechten Paramilitärs kamen seit Mitte der 1960er Jahre mehr als 260.000 Menschen ums Leben, Millionen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Marta war eine davon. Zusammen mit ihrer Tochter und ihrem neuen Ehemann lebt sie heute außerhalb von Puerto Tejada. Ihr Geld verdient sie mit einem Fahrrad-Eiswagen, von dem aus sie „Crushed Ice“ mit buntem Sirup verkauft.
Um sich selbstständig zu machen, hat Marta einen Unternehmerkurs von Plan International besucht. Das Projekt hilft jungen Menschen wie ihr, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Drei Monate lang besuchten Marta und 34 andere Teilnehmer viermal pro Woche Kurse zu verschiedenen Themen wie Buchhaltung, Preiskalkulation oder Marketing. „So lernen sie wie sie ein erfolgreiches Geschäft aufbauen und damit ihren Lebensunterhalt verdienen können“, sagt Alexander Caicedo, der das Projekt in Puerto Tejada leitet.
Bisher haben bereits über 2000 Jugendliche zwischen 18 und 30 Jahren an dem Projekt im Gebiet Valle de Cauca westlich von Bogotá teilgenommen. Zu den insgesamt 60 Stunden, die jeder Kurs umfasst, gehören 40 Stunden Berufstraining und 20 Stunden Unterricht in sogenannten Life Skills. Diese Schlüsselqualifikationen sollen unter anderem das Selbstbewusstsein stärken oder den jungen Menschen Wege aufzeigen, gewaltfrei mit Konflikten umzugehen.
Mit einem Startkapital können die Jungunternehmer außerdem erste größere Anschaffungen für den Betrieb finanzieren. Marta hat von dem Geld ihren Eiswagen bezahlt. Damit ist sie mobil und kann an verschiedenen Standorten verkaufen. Das Geschäft läuft gut. 1.000 Kolumbianische Pesos kostet ein Eis an ihrem Stand, umgerechnet 30 Cent. Im Monat verdient sie etwa 230 Euro. Der Mindestlohn in Kolumbien beträgt 290 Euro monatlich. Die kleine Familie kann von ihrem Einkommen leben – auch, weil ihr Mann noch ein Pferd besitzt, das er an andere Arbeiter vermietet. Gerade erst haben sie sich ein kleines Haus gekauft. Es läuft gut. Trotzdem hat sie oft Angst, dass der Krieg zurückkommt.
So wie ihr geht es vielen Kolumbianern. Die erste Version des Friedensvertrags wurde im Oktober 2016 von der Bevölkerung in einem Referendum abgelehnt. Die Nachricht schockierte damals die Welt. Ein Land, das seit Jahren im Krieg ausblutet und keinen Frieden will? Dafür hatte niemand Verständnis. Auch Marta stimmte damals gegen das Abkommen. Heute denkt sie anders. „Ich würde dieses Mal für ‚Ja‘ stimmen. Ich bin einfach müde vom Krieg.“