El Niño „das Christuskind“ - Auswirkungen in Timor Leste
Im April reiste ich von London nach Dili, der Haupstadt von Timor Leste. Ich bin in Großbritannien Leiterin der Abteilung Kommunikation für das Kinderhilfswerk Plan International. Zwar kannte ich die Programmarbeit in den Ländern von meinem Schreibtisch in London aus, aber ich wollte einen Sprung wagen - ich traf eine Entscheidung. Für drei Monate wollte ich freiwillig das Kommunikationsteam in Timor-Leste verstärken und einen genaueren Einblick in die Arbeit vor Ort erhalten. Zusammen mit meinem Partner Tom, der sich auch freiwillig meldete, packten wir also unsere Sachen und stiegen ins Flugzeug.
Angekommen im heißen und staubigen Dili wurden wir gleich über die Auswirkungen des Wetterphänomens „El Niño“ informiert. Wir erfuhren, dass Papua-Neuguinea und Westtimor Gelder erhalten hatten, um mit der Dürre umgehen zu können. Der kleine Inselstaat Timor-Leste, der geographisch zwischen beiden liegt, wurde jedoch vergessen. Es schien, als ob Großbritannien als Geber, ihn einfach nicht bedacht hatte.
Wir wollten eine schnelle Lösung für diese Situation finden und nahmen an dem HPA-Treffen (Humanitäres Partnerschaftsabkommen) teil. Dieses besteht aus einer Gruppe von Nichtregierungsorganisationen, einschließlich Plan, die zusammenkommen, um die Auswirkungen von „El Niño“ auf der Insel zu bewerten und einen Handlungsbedarf zu ermitteln.
Am nächsten Tag schlossen wir uns einem Plan-Team an, das nach Lautém reiste, um die Lage dort einzuschätzen. Lautém ist eine der fünf am stärksten von der Dürre betroffenen Bereiche im Land. Wir wollten uns dort selbst einen Eindruck von der Situation verschaffen. Unser Vorhaben: Geschichten sammeln und einheimische Familien und Kinder filmen. Wir wollten herausfinden, wie sie mit der Dürre zurechtkommen und zugleich sicherstellen, dass ihre Situation nicht ignoriert wird.
Lautém ist vier bis sechs Stunden von der Hauptstadt entfernt (je nach Fahrer und Anzahl der getrunkenen Kaffees). Die Landschaft war beeindruckend und bot atemberaubende Blicke: Von Bergen und üppig bewachsenem Flachland, hin zum sonderbaren Charme von Baucau und schließlich weiter zum Bezirk Lautém, in dem sich die Landschaft wieder änderte. Es ist eine erstaunliche Kombination irgendwo zwischen der afrikanischen Savanne, den schottischen Highlands und dem Wilden Westen.
Mit weiterer Fahrt nach Lautém, sahen wir riesige Palmenreihen - vertrocknet und mit Staub bedeckt. Dies war das erste Anzeichen dafür, was uns die Gegend zu erzählen hatte.
Eine Suche oder eine Prüfung war nicht nötig. Sobald die Menschen wussten, was wir fragten, trafen ihre beunruhigenden Antworten auf unsere Fragen. Sie erzählten uns von langen Wegtrecken, um Wasser zu holen, nicht vorhandenen Mahlzeiten, Missernten und von Zukunftsängsten. Da Frauen und Mädchen in Timor Leste oft die Hauptverantwortung für den Haushalt auferlegt wird, war es klar, dass sie die Hauptlast der Dürre trugen.
Dillyana, Mutter von neun Kindern, zeigte uns ihr Feld. Wir konnten sehen, wo sie versucht hatte, Bohnen, Mais und Kürbis zu pflanzen. Ihr Boden war ausgetrocknet. Nichts, außer den paar Trieben aus Kürbissen, wuchs dort. Doch auch die würden vertrocknen, wenn es hier keinen Regen mehr gäbe, sagte sie uns.
Nach Angaben der HPA-Einschätzung müssen in den am schlimmsten betroffenen Gebieten von Timor-Leste, 26 Prozent der 254 befragten Haushalte aufgrund der Dürre zu alternativen Wasserquellen reisen. Mehr als ein Viertel der Menschen, die dies tun, sagten, dass die Quelle schmutzig und ihr Wasser nicht trinkbar gewesen sei.
Auf dem Weg nach Lospalos trafen wir Angelina, eine Frau mit einer 12-köpfigen Familie. Sie zog eine Karre mit 75 Litern* Wasser bergauf zu ihrem Haus. Eine Reise, die sie seit letztem Dezember, als der Wasserhahn vor ihrem Haus kein Wasser mehr gab, nun jeden Tag auf sich nehmen muss.
Man kann man sich leicht vorstellen, wie schwer es für Frauen wie Angelina sein muss, den täglichen Wasserbedarf ihrer Familie abzudecken. Sie müssen das Wasser für Monate sammeln und rationieren.
Stell Dir vor, du müsstest entscheiden, ob du Kleidung wäschst oder nicht, ob du eins deiner Kinder badest, beziehungsweise welches davon und du dir Sorgen machen müsstest, ob das Wasser, welches du deinem Kind in einer Tasse gereicht hast, auch gefahrlos zu trinken ist.
Dreißig Minuten Fahrt entfernt, trafen wir eine Gruppe von Mädchen. Sie wollten Wasser holen und es nach Hause tragen. Sie erzählten uns, dass sie es gewohnt sind, ihr Wasser aus einem Steigrohr in ihrem Dorf zu bekommen. Nun müssen sie es aber zu Fuß - entlang eines steilen Pfades - von einer Wasserquelle holen.
Sie tragen zwei oder drei Kanister hin und her, drei Mal täglich, bis zu sechs Stunden insgesamt. Trotz des Lächelns und ihrer bedachten Haltung, als wir nachfragten, erzählten sie uns, dass ihre Körper schmerzten und dass sie nur noch wenig Zeit für andere Dinge haben. Die Mädchen, die nach wie vor die in der Schule gehen, seien oft zu müde zum Lernen.
Mit der anhaltenden Dürre leidet auch das Vieh. Ramaido da Costa, Gemeindechef, den wir in der Mädchen-Gemeinde trafen, sagte uns, dass bereits 180 Ziegen und 260 Büffel in seiner Gemeinde gestorben sind. „Es gibt keinen Regen, also kein Futter für die Tiere."
Unten an der Küste hörten wir auch Berichte darüber, dass durstige Rinder sterben, weil sie Meerwasser trinken.
Die Timoresen sind hart im Nehmen, sie haben Jahrzehnte lang Elends- und Hungerzeiten überlebt. Aber von 70 Prozent der Bevölkerung, die ihm Rahmen ihrer Landwirtschaft auf Regen angewiesen sind, leben mehr als ein Drittel von weniger als $ 0,55 pro Tag. Es gibt bereits eine hohe Rate von Unterentwicklung und Unterernährung bei Kindern. Die gegenwärtige Lage ist alarmierend.
Es ist klar, dass diese Dürre die Ressourcen der ländlichen Gemeinden bis an die Grenzen treibt. Sie benötigen dringend unsere Unterstützung, um sie durch die Dürre zu bringen. Es liegt an uns, sicherzustellen, dass das Volk von Timor-Leste in dieser schwierigen Zeit nicht vergessen wird.
*Im Vergleich: Die in Melbourne ansässige Wasserfirma „Riverina Wasser“ schätzt den durchschnittlichen australischen Gebrauch (einer Person) auf 340 Liter Wasser an einem Tag.