Maike Röttger, Vorsitzende der Geschäftsführung von Plan International Deutschland, hat Anfang September ein Flüchtlingslager in Äthiopien besucht. Ein Artikel über diese Reise erschien am <link http: www.abendblatt.de politik article205638621 eine-vergessene-region-der-erde.html external-link-new-window>05.09.2015 im Hamburger Abendblatt:
Weltweit sind rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht – so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Vor allem Kriege und extreme Gewalt führen dazu, dass Menschen ihre Heimat verlassen.
Die Organisation ist ein internationales Kinderhilfswerk und in 51 Ländern aktiv. Die Deutschland-Zentrale befindet sich in Hamburg. "Das Leben in den Aufnahmelagern hat meine Vorstellungskraft überschritten", sagt sie.
Äthiopien ist inzwischen jenes afrikanische Land, das die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Damit hat dieser Staat Kenia als bislang größtes Aufnahmeland für Flüchtlinge abgelöst. Seit Mitte 2014 sind wegen des Bürgerkriegs im Südsudan knapp 1,5 Millionen Südsudanesen in andere Regionen des Landes und in die Nachbarstaaten geflohen.
Die Migranten in Äthiopien kommen zum größten Teil aus dem Südsudan, aber auch aus Somalia und Eritrea. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen wird die Zahl weiter steigen und zum Jahresende bei rund 820.000 liegen. Die deutsche Bundesregierung sieht sich verpflichtet, den südsudanesischen Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen in den Nachbarländern Kenia, Uganda und Äthiopien rasch und wirksam zu helfen, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Auch Hilfsorganisationen wie Plan International sind vor Ort engagiert.
Im äthiopischen Gambella hat Maike Röttger in dieser Woche Flüchtlingslager besucht. "Im Südwesten des Landes leben inzwischen genauso viele Flüchtlinge wie Einheimische", sagt sie. Rund 290.000 Flüchtlinge leben in Lagern, werden aber auch von der einheimischen Bevölkerung aufgenommen.
Was die Hamburgerin Maike Röttger in den Aufnahmelagern erlebte, hat sie stark bewegt. "Es ist eine vergessene Region dieser Erde, in der Menschen auf dem Boden schlafen unter notdürftig aufgestellten Zelten." Es gebe keinerlei ärztliche Versorgung oder gar ausreichendes Essen.
Offenbar ändert sich das in den Unterbringungscamps. Maike Röttger: "In Zusammenarbeit mit der Regierung und unter dem Dach der Uno gelingt es den Hilfsorganisationen, den Menschen wieder Hoffnung zu geben." Betroffen sind vor allem Frauen und Kinder, die 90 Prozent der Flüchtlinge umfassen. Wie die deutsche Geschäftsführerin des Kinderhilfswerks Plan sagte, sind allein in der äthiopischen Region Gambella 19.000 Kinder ohne Begleitung ihrer Eltern angekommen. "Sie sind schwer vom Krieg traumatisiert. Sie sind um ihr Leben gerannt, haben Menschen sterben sehen und ihre Familie verloren. Oft waren sie wochenlang zu Fuß und ohne Essen unterwegs."
Kriege, Gewalt und bittere Armut treiben Menschen in die Flucht. An dieser Stelle, sagen Experten, muss Entwicklungsarbeit einsetzen. Das reicht von der Grundversorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln bis zur Einrichtung von Kinderschutzzonen. "Für Mädchen", sagt Maike Röttger, "besteht zum Beispiel die Gefahr, dass sie verschleppt und missbraucht werden." Oft würden sie schon im Alter von zwölf oder 13 Jahren verheiratet. "Und die Jungen müssen davor geschützt sein, als Kindersoldaten missbraucht zu werden."
Dass diese Menschen nun nach Europa fliehen, hält Maike Röttger allerdings für wenig wahrscheinlich. "Denn eine Infrastruktur existiert fast nicht." Die Europäische Union aber müsse aus der Flüchtlingskrise lernen, sich auf die europäischen Werte zu besinnen. "Solidarität und Verantwortung dürfen keine Sache von einzelnen Ländern sein."
So dramatische Eindrücke Maike Röttger in Afrika sammelte, es gab dank der internationalen Hilfe auch viel Mutmachendes: "Das Lachen und Tanzen der Kinder ist der beste Lohn für unsere Arbeit", sagt die Chefin von Plan International.