Der Schauplatz und Ausgangspunkt dieser historischen Zeitreise ist Lindsell, ein Dorf im ländlich Essex, rund 70 Kilometer nordöstlich von London gelegen. Als einer der Einwohner dort den Behörden einen Satz alter Schwarz-Weiß-Fotos schenkte, übergab er damit der Öffentlichkeit einen faszinierenden Einblick in die Anfänge der Arbeit von Plan International – einer Organisation, die seit ihrer Gründung 1937 Kinder unterstützte, die von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs betroffen waren.
Die Fotos dokumentieren eine „Teeparty“, die für Mädchen und Jungen während des Osterfestes in der Gemeindehalle von Lindsell organisiert worden war. Mitglieder der US-amerikanischen Luftwaffe, die auf dem nahegelegenen Stützpunkt Wethersfield stationiert waren, hatte die Gesellschaft ausgerichtet. Somit wurden im April 1944 Waisen- und Flüchtlingskinder aus dem Kinderheim „New Barn“ bewirtet. Letzteres war eines von mehreren vergleichbaren Heimen gewesen, welche Anna Freud im Rahmen des „Foster Parents' Plan for War Children“ (Plan) 1941 gegründet hatte. Aus dieser Organisation sollte später Plan International hervorgehen.
Anna Freud gründete 1941 mit Unterstützung des „Foster Parents' Plan for War Children“ (Plan) Heime für Waisen- und Flüchtlingskinder.
Nach dem Tod ihres Vaters Sigmund Freud und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939 hatte sich Anna Freud der humanitären Arbeit verschrieben. Sie hatte die Notwendigkeit erkannt, Kinder und ihre Familien, die durch den Krieg zur Flucht gezwungen oder obdachlos geworden waren, aufzunehmen. Ein erstes Heim hatte sie mit finanzieller Unterstützung von Plan im Januar 1941 in London eröffnet.
Im Sommer 1941 wurden zwei weitere Gebäude eingerichtet: Eine Kinderkrippe in Hampstead für bis zu 50 Säuglinge und Kleinkinder sowie ein Landhaus in Essex, genannt „New Barn“, das als Evakuierungswohnheim für 30 ältere Kinder diente. Die drei Häuser wurden von Plan als „Hampstead War Nurseries“ finanziell unterstützt.
Drei Schutzhäuser wurden von Plan als „Hampstead War Nurseries“ finanziell unterstützt.
„New Barn“ bot geflüchteten Kindern aus ganz Europa Unterkunft, psychosoziale Betreuung, Nahrung und Bildung. Die ländliche Umgebung bot die Grundlage für eigene Lernerfahrungen. Die Mädchen und Jungen wurden ermutigt, Gemüsebeete anzulegen und zu pflegen. Örtliche Sehenswürdigkeiten wurden beim Geschichts- und Erdkundeunterricht eingebunden, während die Naturwissenschaften durch praktische Feldarbeit begleitet wurden.
Die Ankunft einer großen Zahl US-amerikanischer Soldaten und Flieger im Jahr 1942 war eine aufregende Entwicklung und brachte den Kindern erstmals die amerikanische Kultur nahe. Die Soldaten von der anderen Seite des Atlantiks zeigten sich großzügig bei der Vergabe von Schokolade und Kaugummis, und sie organisierten Kinderfeste sowie Tanzveranstaltungen.
Die Königliche Luftwaffenbasis Wethersfield, die sieben Meilen von „New Barn“ entfernt gelegen war, wurde ab Dezember 1943 von den Amerikanern genutzt. Mehr als 2.000 US-Soldaten waren dort stationiert, um sich auf die D-Day-Invasion in Frankreich im folgenden Jahr vorzubereiten.
Am Osterwochenende 1944 veranstalteten die US-Flieger eine „Teeparty“ für die Mädchen und Jungen aus „New Barn“. Es gab Leckereien wie Obstkonserven und Kuchen, die in den Kriegsjahren eine Seltenheit gewesen waren, und die aufgeregten Kinder wurden zu kleinen Rundfahrten in einem der großen Armeelastwagen eingeladen.
Inmitten der Kriegswirren jener Tage teilten die Soldaten ihre Verpflegung und Zeit mit den Mädchen und Jungen aus „New Barn“. Sie schenkten ihnen einen Tag der Unbeschwertheit. Nur wenige Wochen später, am 6. Juni 1944, spielten diese Flieger eine Schlüsselrolle bei der D-Day-Invasion und der Landung alliierter Verbände an den Stränden der Normandie.
Die abgebildeten Fotos wurden dem „Essex Record Office“ von einem Einwohner von Lindsell gespendet, der zu Ostern 1944 in dem Ort gelebt hatte.