In der polnischen Stadt Cholm, nahe der ukrainischen Grenze, arbeitet Monika (40) in der Stadtverwaltung für den Bereich Gesundheit, Menschen und Soziales. Als der bewaffnete Konflikt in der Ukraine eskalierte, kamen Tausende Menschen, die über die Grenze nach Polen flüchteten, nach Cholm. Um ihnen die bestmögliche Unterstützung anzubieten, trat Monika zur Koordinierung der Maßnahmen in Aktion.
Zusammen mit Kolleg:innen aus der nahegelegenen Stadt Lublin richtete sie Stationen ein, um dort die geflüchteten Menschen, die in der Region ankommen, aufzunehmen. Monika ist für zwei Aufnahmestellen zuständig: Eine an der Sporthalle, zu der Menschen, die zu Fuß über die Grenze gekommen sind, mit dem Bus gebracht werden, und eine am Hauptbahnhof für diejenigen, die mit dem Zug ankommen.
„Am Anfang war es sehr unorganisiert und wir hatten nicht genug Leute. Aber jetzt haben wir alle Positionen an den Empfangsstellen besetzt“, erzählt Monica. „Jede Person ist für einen bestimmten Bereich zuständig, sodass die Prozesse jetzt besser laufen. Wir arbeiten in Zweierteams, die für verschiedene Bereiche zuständig sind, zum Beispiel für die Sachspenden, die Logistik, den Transport, medizinische Versorgung, den Kontakt zu ukrainischen Partnerstädten und Konvois mit humanitärer Hilfe für die Ukraine.“
Die Menschen kommen auf drei Arten über die Grenze: mit dem Zug, dem Auto oder zu Fuß. Für Fußgänger:innen gibt es drei Grenzübergänge. Von dort aus werden sie von Helfer:innen in das nächstgelegene Aufnahmezentrum gebracht. Monica und ihre Kolleg:innen koordinieren, wie viele Menschen sie in jedes Zentrum bringen können.
„Die Menschen legen Hunderte von Kilometern zurück und sind tagelang unterwegs, bevor sie zu uns kommen.“
In den Aufnahmezentren werden dann die individuellen Bedürfnisse der Menschen abgefragt, um herauszufinden, wie es für sie weitergeht. Viele Menschen haben bereits Adressen in Polen, die sie ansteuern: Sie haben Hotels gebucht, Wohnungen gemietet oder haben Familie und Freunde im Land. Was sie brauchen, sind die nötigen Verkehrsmittel, um an ihr Ziel zu kommen.
„Unsere Teams fragen die Menschen nach ihrer Situation. Wenn sie bereits einen Ort haben, an den sie gehen können, sorgen wir dafür, dass sie ihn kostenlos erreichen. Wir haben Busse organisiert, die regelmäßig nach Warschau fahren, und von dort aus können sie mit dem Zug umsonst in andere Städte in Polen reisen.“
Es gibt aber auch viele geflüchtete Menschen, die niemanden in Polen kennen. Die nicht wissen, wo sie die nächste Nacht verbringen können. Um für diese Menschen eine Unterkunft zu finden, setzen sich die Koordinator:innen in Cholm mit kleineren Städten in Polen in Verbindung. „Wir bemühen uns dabei auch direkt, die Kinder in Schulen unterzubringen, damit sie hier in Polen so schnell wie möglich ein mehr oder weniger geregeltes Leben beginnen können“, sagt Monika.
Die 40-Jährige erzählt, dass nachts die schlimmste Zeit ist - die meisten Menschen kommen hier zwischen 19 Uhr abends bis 4 Uhr morgens an. „Einige bleiben nur kurz, und warten auf eine Person, die sie abholt. Für sie haben wir einen Ruhebereich eingerichtet, wo es Sandwiches gibt, Waschräume und kostenlose SIM-Karten. Da die Ukraine kein EU-Mitglied ist, ist es für sie teuer, ihre eigenen Telefone zu benutzen. Für die Menschen, die länger bleiben und von weither kommen, gibt es auch Betten zum Schlafen.“
Zurzeit passieren täglich etwa 1.000 Menschen die Sporthalle in Cholm. Dort gibt es allerdings nur Betten für 500 Personen. Im alten Supermarkt in der Nähe werden aktuell jedoch weitere 1.500 bis 2.000 Betten vorbereitet. „Es ist eine große Rotation von Menschen, die kommen und gehen. Es sieht sehr chaotisch aus, aber inzwischen wissen wir alle, was zu tun ist“, berichtet Monika.
Plan International ist in Polen, Rumänien und der Republik Moldau vor Ort, um die lokalen Organisationen bei der Bewältigung der humanitären Krise zu unterstützen. 2,4 Millionen Menschen sind in den vergangen zwei Wochen aus der Ukraine in die Europäische Union geflohen – und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Behörden bemühen sich, Unterkünfte, Schule und Sozialdienste auszubauen, um die Menschen zu betreuen.
Lotte Claessens vom Nothilfeteam von Plan International ist in Polen vor Ort, um einen Überblick über die Bedürfnisse der Menschen zu gewinnen und Partnerorganisationen zu unterstützen. „Die Kinder und ihre Eltern sind extrem verängstigt, sie wissen nicht, was passieren wird – sowohl in ihrem Heimatland, der Ukraine, als auch jetzt in ihrem Ankunftsland“, berichtet sie.
„Für die Kinder ist es äußerst wichtig, dass wir sie durch Aktivitäten unterstützen, die ihnen helfen, sich zu entspannen und sich normal zu fühlen.“
Der Fokus der Arbeit von Plan International liegt auf dem Schutz von Kindern. Sie brauchen sichere Räume und psychosoziale Betreuung, damit sie der Krise entkommen und möglicherweise traumatische Erlebnisse in geschütztem Rahmen verarbeiten können. „Für die Kinder ist es äußerst wichtig, dass wir sie durch Aktivitäten unterstützen, die ihnen helfen, sich zu entspannen und sich normal zu fühlen", erklärt Claessens. „Das sind zum Beispiel Spielaktivitäten, die sie von der momentanen Situation ablenken können. Und für Kinder ist es auch sehr wichtig, dass ihre Eltern unterstützt werden, denn wenn ihre Eltern gestresst sind, spüren das auch die Kinder.“
In Polen entwickelt Plan International darüber hinaus einen Bildungsplan, um sicherzustellen, dass geflüchtete Kinder so schnell wie möglich Zugang zu Bildung – und damit zu einem kleinen Stück Normalität – erhalten: „Die Organisationen bereiten sich jetzt gemeinsam mit den Schulen darauf vor, dass ukrainische Kinder zusammen mit polnischen Kindern in die Schulen gehen können. Wir sehen, dass hier eine Menge Vorbereitungen für eine langfristige Situation getroffen werden, in der möglicherweise Millionen von Ukrainer:innen in Polen aufgenommen werden.“