Das Eingangstor ist Tag und Nacht bewacht und die dahinter liegenden Räume sind durch Mauern und Stacheldraht gesichert. Wer das Bürogebäude von Plan International in der südsudanesischen Hauptstadt Juba besucht, erlebt ein engmaschiges Sicherheitssystem zur Gefahrenabwehr. Es wirkt wie das Spiegelbild der aktuellen Situation in Südsudan und einem Alltag, der seit 1972 von bewaffneten Konflikten, sozioökonomischen Krisen, krimineller Bandengewalt sowie interkommunalen Disputen geprägt ist.
Die Mehrheit der Bevölkerung hatte sich 2011 in einem Referendum für die Unabhängigkeit von Sudan entschieden, und am 9. Juli 2011 wurde die Republik Südsudan als jüngster Staat der Welt gegründet. Der letzte Bürgerkrieg endete dort jedoch erst 2018 und eine Folge der langjährigen Konflikte ist die angespannte Versorgungslage und Nahrungsmittelkrise. In dem Land, das mit seinen fruchtbaren Böden einst als Kornkammer Ostafrikas bekannt war, liegen Felder brach, weil Landwirtschaft nicht immer und überall sicher betrieben werden kann. Hinzu kommen Munitionsreste und Minen, die vielerorts zurückgelassen worden sind.
Alltägliche Konflikte, Gewalt und Dispute
Während in den Plan-Projektgebieten Juba Lainya, Pibor und Rumbek langfristige Vorhaben etwa für Ernährungssicherung, Wasserversorgung und Hygiene, Gleichberechtigung, Bildung sowie den Schutz vor Frühverheiratung durchgeführt werden, geht es im nördlichen Upper Nile State um humanitäre Hilfe für Menschen, die vor dem Bürgerkrieg aus dem benachbarten Sudan geflüchtet sind.
Umgesetzt werden die diesbezüglichen Programme von dem rund 200 Personen umfassenden Team von Plan International Südsudan. Es muss täglich unter extremen Bedingungen agieren, auch in der Hauptstadt, für die eine Ausgangssperre gilt: Ab 20 Uhr sollten keine Fahrten mehr in und um Juba unternommen werden.
Die Liste der Herausforderungen ist lang
Die Liste der Herausforderungen, unter denen die Projekte in Südsudan organisiert werden, verlängert sich weiter – etwa durch eine schlechte Infrastruktur und die Gefahren von Krankheiten wie Gelbfieber, Dengue oder Cholera. Orientierung bietet den Mitarbeitenden der sogenannte „Standard Operation Plan“ (SOP), der Risiken und Verantwortlichkeiten abbildet und bei der Durchführung von Projekten auch unter herausfordernden Umständen unterstützt.
Auf alle Eventualitäten blicken die Fachleute von Plan International mit erstaunlicher Gelassenheit. Im Koordinierungsbüro in der Hauptstadt Juba ist mit ihnen die Expertise für Kinderrechte und -schutz, Gender- und Gleichberechtigung, Ernährungssicherheit, Bildung, Familienplanung, Katstrophenschutz sowie Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung versammelt. Die Teammitglieder gehen mit der Verkettung gesellschaftlicher Verwerfungen, Konflikten und Naturkatastrophen, die das Land durchlebt, routiniert und professionell um.
Die Arbeitszeiten im südsudanesischen Plan-Büro orientieren sich an gesetzlichen Vorgaben, etwa den Zeiten für Ausgangssperren. Letztere seien eine nützliche Notwendigkeit, um Kriminellen und bewaffneten Banden Grenzen zu setzen und die Gefahr eines Überfalls oder gar einer Entführung für die Zivilbevölkerung zu minimieren. Eine Ausgangssperre diene vor allem dem Schutz der Zivilbevölkerung, sind sich die Fachleute bei Plan International einig. Innerhalb gesetzter Zeiten könnten sie mühelos mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Motorradtaxis ihren Arbeitsplatz erreichen, und um ihre Sicherheit zu gewährleisten, wird der Verbleib aller Angestellten regelmäßig telefonisch nachverfolgt. Das gilt auch und gerade bei Überlandfahrten in einen anderen Bundesstaat, um ein bestimmtes Projektgebiet zu erreichen.
Plans Sicherheitssystem minimiert die Gefahren von Überfällen oder Entführungen
Zudem verfolgt ein Experte für Sicherheitsfragen alle relevanten Nachrichten in Südsudan. So entsteht ein detailliertes Lagebild über Risiken und besondere Gefahrengebiete im Land. Gab es beispielsweise irgendwo einen neuen bewaffneten Konflikt oder hat ein Unwetter Fernstraßen unpassierbar gemacht, werden diese Informationen umgehend beim allmorgendlichen Teammeeting geteilt und im Sicherheitsbulletin verschriftlicht.
Die Teammitglieder informieren sich zudem gegenseitig über Entwicklungen, die Fahrten zu den Partnergemeinden erschweren könnten. Wer die Dynamik von schwelenden Konflikten und Frontlinien kenne, könne geeignete Maßnahmen zum Schutz von Personal und Projektbegünstigten ergreifen. Unter Umständen werden zum Beispiel anstehende Besuche verschoben, um die Sicherheit der Angestellten zu gewährleisten.
Bei der Vergabe von Arbeitsverträgen im humanitären Bereich zählen insbesondere die dafür relevanten Qualifikationen. In den oft ländlichen Partnergemeinden stammen etwa 80 Prozent der für Plan International tätigen Fachleute zudem selbst aus der Region, in der ein Projekt umgesetzt wird. Dabei sind stets sämtliche Volksgruppen sowie Frauen und Männer gleichberechtigt vertreten, sodass die Interessen aller Beteiligter schon bei der Projektplanung berücksichtigt sind.
Plan International gehe es zudem darum, einen Beitrag für die friedliche Koexistenz zwischen den verschiedenen Volksgruppen in Südsudan zu leisten, betonen die Fachleute im Plan-Büro in Juba. Das unterstütze die Entwicklung des Landes und verhindere, dass neue Konflikte entstünden. Überdies kenne Personal, das vor Ort ansässig ist, die örtlichen Verhältnisse sowie lokale Sprachen in der Regel genau. Dadurch können die laufenden Projektaktivitäten leichter mit den zuständigen Behörden sowie dem Plan-Büro in der Hauptstadt abgestimmt und durchgeführt werden.
Die erforderlichen Genehmigungen einschließlich notwendiger Reisen durch Südsudan werden dahin gehend koordiniert, dass nur qualifizierte und für das jeweilige Einsatzgebiet geeignete Personen entsandt werden, um niemanden zu gefährden.
Das engmaschige Sicherheitskonzept macht mehrtägige Einsätze von Plan-Teams auch außerhalb der Hauptstadt Juba möglich. Wenn Expertise bei der Umsetzung einer bestimmten Projektmaßnahme vor Ort erforderlich ist, steigen die Fachleute je nach Zielort in Geländewagen, Schnellboote oder einen der von den Vereinten Nationen (UN) betriebenen Helikoptern.
Bei notwendigen Reisen außerhalb größerer Siedlungen bewegen sich die Teams bei Bedarf in Konvois sowie in Begleitung von ortsansässigen UN-Fahrzeugen und/oder der örtlichen Sicherheitskräfte. Solche bewachten Überlandfahren bieten nicht nur Schutz vor bewaffneten Überfällen, wie sie in Südsudan immer wieder vorkommen, im Falle einer Fahrzeugpanne kann dadurch auch fernab größerer Siedlungen schneller Hilfe organisiert werden – eine von vielen wichtigen Sicherheitsvorkehrungen in dem dünn besiedelten Land.
„Wir dienen den Menschen und sind hier, um ihr Überleben auch in abgelegenen Gebieten zu sichern“
Einmal in der Projektregion angekommen, koordinieren und integrieren die Fachleute Maßnahmen – etwa für Kinderschutz, sexuelle und reproduktive Rechte, Hygiene, Ernährungssicherheit, Gleichberechtigung und weitere Arbeitsbereiche. Die Teammitglieder begeben sich erst nach sorgfältiger Prüfung der Sicherheitslage und Freigabe durch die beteiligten Stellen in ihre Einsatzgebiete.
Auf staatlicher, regionaler und lokaler Ebene bestens vernetzt, führt das Team von Plan International Südsudan selbst unter oftmals herausfordernden Bedingungen die Programme nachhaltig durch. „Wir dienen den Menschen und sind hier, um ihr Überleben auch in abgelegenen Gebieten zu sichern und ihren Alltag zu verbessern“, sind sich die Fachleute im Plan-Büro von Juba einig.
Marc Tornow, Pressereferent und Chefredakteur im Hamburger Plan-Büro, hat die Plan-Projekte in Südsudan besucht und diese Geschichte für die Plan Post aufgeschrieben.