Wie Essensreste zu Energiequellen werden

Foto: Plan International

In den Slums von Ugandas Hauptstadt Kampala ist Abfall ein wachsendes Problem. Dagegen gehen Jugendgruppen vor und retten nebenbei sogar noch die Umwelt.

In voller Montur – mit Blaumann, Mundschutz und Handschuhen – steht Fatuma vor einem großen, grünen Metallgerät. Sie ist gerade dabei, eine grau-schwarze Masse in einer dafür vorgesehenen Aussparung zu verteilen. Dann schnappt sie sich den Griff und drückt den Metalldeckel nach unten. Das stolze Lächeln ist trotz Mundschutz deutlich in ihrem Gesicht zu erkennen.

Das Gerät, an dem die 20-Jährige steht, ist eine manuelle Brikettpresse. Zusammen mit ihrer Jugendgruppe setzt sie sich in einem Vorort in Kampala, der Hauptstadt von Uganda, gegen den Klimawandel ein. Mit ihrem Einfallsreichtum helfen sie mit, den Abfall in dem dicht besiedelten Stadtviertel zu entsorgen und tun dabei gleichzeitig der Umwelt etwas Gutes.

Frau in Blaumann und mit Mundschutz drückt mit Handschuhen schwarze Masse in eine Presse
Fatuma bereitet den zerkleinerten Müll für die Brikettpresse vor Plan International
Frau in Arbeitsmontur drückt per Hand eine Pressplatte nach unten
Fatuma an der Brikettpresse Plan International

Der Herstellungsprozess der Öko-Briketts

„Wir sortieren und recyceln Abfälle wie alte Bananenblätter und Essensreste, die in unserer Gemeinde anfallen, und verarbeiten sie dann zu Briketts“, erklärt Fatuma. „Die sind umweltfreundlich und bieten uns eine alternative Energiequelle. Das macht unsere Gemeinde weniger abhängig von Holzkohle und wirkt damit der Abholzung der Wälder entgegen.“

So funktioniert die Herstellung: Zunächst sammeln die Jugendlichen den Müll auf den Straßen und sortieren ihn. Danach wird er in einem Häcksler oder Mixer zerkleinert und getrocknet. Anschließend kommt die Presse zum Einsatz und formt die Masse zu kleinen Briketts. Diese werden dann gründlich an der Sonne getrocknet, bis sie ausgehärtet sind. Fertig ist die nachhaltige Energiequelle. „Pro Woche stellen wir etwa 1.200 Öko-Briketts her und verkaufen sie an die Menschen in unserer Gemeinde“, berichtet Fatuma begeistert.

Über 50 Prozent der Bevölkerung in Kampala lebt in schlecht versorgten Slums.

Frau mit Mundschutz reiht Briketts aus Abfall zum Trocknen auf
Fatuma trocknet die Briketts in der Sonne Plan International

In Uganda beziehen laut Zahlen der GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) 90 Prozent der Haushalte ihre Energie aus Biomasse. Das dezimiert jedoch die Waldbestände des ostafrikanischen Binnenstaates dramatisch und verschärft sowohl den Klimawandel als auch die Luftverschmutzung.

Soziale Spaltung, Überbevölkerung und schlecht versorgte Slums

Die Hauptstadt Kampala hat zusätzlich mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen. Gegensätze prägen das Stadtbild. Die tropische Metropole ist auf Hügeln errichtet, durch deren sumpfige Täler langsame Flüsse fließen. Die geografische Zweiteilung ist gleichzeitig Sinnbild der sozialen Spaltung: Die Luxusimmobilien der reichen Oberschicht stehen erhöht, während die Slums der ärmeren Bevölkerung die Täler füllen. Dort staut sich zur Regenzeit regelmäßig das Wasser, wodurch die Moskitos – und mit ihnen die Malaria – leichtes Spiel haben.

Kampala ist zugleich die am schnellsten wachsende Stadt Afrikas. Ursprünglich geplant wurde sie für 50.000 Menschen – inzwischen leben dort über 1,7 Millionen. Die meisten von ihnen kommen in der Hoffnung auf bessere Verdienstmöglichkeiten aus ländlichen Gebieten oder sind Geflüchtete aus Nachbarländern wie der Demokratischen Republik Kongo und Südsudan und suchen Zuflucht vor Verfolgung und bewaffneten Konflikten.

Der Großteil dieser Menschen – insgesamt über 50 Prozent der Stadtbevölkerung – lebt in Slums mit unzureichender Infrastruktur, schlechter Wasserversorgung und mangelhaften sanitären Einrichtungen. Ihre Häuser sind meist aus improvisierten und günstigen Materialien gebaut, etwa aus unverbrannten Lehmziegeln (die allerdings bei starkem Regen instabil werden), Wellblechplatten oder Holzresten.

Strukturelle Benachteiligung in den Slums

Der Abfall ist hier ein ernstes und wachsendes Problem, das vor allem auf begrenzte Ressourcen und systematische Vernachlässigung zurückzuführen ist. In den Slums fällt eine Menge Müll an, aber es gibt kein richtiges Entsorgungssystem. In den meisten Gebieten fährt keine geregelte Müllabfuhr, da die städtischen Dienste diese Siedlungen nur selten erreichen.

Doch die Müllentsorgung ist nicht das einzige strukturelle Problem der Slums von Kampala. Die Weltbank warnt, dass die Metropole ohne gezielte Investitionen und Planung in den nächsten zehn Jahren zu einem Mega-Slum werden könnte. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht listet die Makerere-Universität die drängendsten Herausforderungen für die Stadtentwicklung auf. Unter anderem genannt sind die schlechte Versorgungslage der Slums, die überfüllten Wohnverhältnisse, die wirtschaftliche Not sowie die wachsende Perspektivlosigkeit der Jugendlichen. Letztere machen 46 Prozent der Bevölkerung Kampalas aus. Sie leiden vor allem unter hohen Raten von Teenager-Schwangerschaften und Drogenmissbrauch – was den Kreislauf der Armut weiter fortsetzt.

Angesichts dieser Probleme prägt eine Mischung aus Widerstandskraft, Kampfgeist und Gemeinschaftsgefühl das Leben in den Slums. Die Menschen, die hier leben, sind eng miteinander verbunden. Man stützt sich, teilt Ressourcen und findet Wege, um zurechtzukommen. Musik, Kunst und lokale Initiativen entstehen – wie zum Beispiel Fatumas Jugendgruppe.

Zwei junge Frauen in Blaumännern stehen Rücken an Rücken
Fatuma und ihre Mitstreiterinnen haben viel Spaß bei der Herstellung der Öko-Briketts Plan International

„Viele Menschen aus meinem Umfeld waren der Meinung, dass Müllsammeln und Brikettieren nur etwas für Männer sei.“

Fatuma (20), engagierte Umweltschützerin
Eine Gruppe junger Menschen in Blaumännern präsentieren Briketts aus Abfall
Fatuma und ihre Mitstreiter:innen präsentieren stolz ihre Briketts Plan International

Inspiration durch ein Plan-Projekt

„Obwohl meine Arbeit der Gemeinschaft zugutekommt, wurde ich anfangs diskriminiert“, sagt die 20-Jährige. „Meine Familie und meine Freundinnen und Freunde waren der Meinung, dass Müllsammeln und Brikettieren nur etwas für Männer sei.“ Aber Fatuma hat sich durchgesetzt und weitergemacht. Ihre Entschlossenheit hat sogar andere Mädchen inspiriert, sich ebenfalls der Umwelt-Gruppe anzuschließen. „Die Mädchen schämen sich nicht mehr, Briketts zu machen. Wir haben Spaß an dem, was wir tun“, zeigt sich die junge Frau selbstbewusst.

Für ihr Engagement inspiriert hat Fatuma ein Projekt von Plan International. Die Kinderrechtsorganisation führt mit Unterstützung der Dänischen Agentur für Internationale Entwicklung (DANIDA) ein zweijähriges Jugend-Projekt durch, das die Klimaanfälligkeit in Ugandas Slums bekämpfen will, indem Jugendorganisationen aktiv an nachhaltigen Initiativen beteiligt werden. Der Hauptansatz: Die Jugendorganisationen mit Zuschüssen und Workshops unterstützen und damit ihre Umwelt-Aktivitäten fördern. Fatuma und ihre Altersgenossen haben durch das Projekt beispielsweise effektive Mülltrennung und Recycling gelernt.

Briketts gegen Perspektivlosigkeit

Projektkoordinator Abert Nagaba erklärt: „Wir haben bereits 16 von Jugendlichen geführte Organisationen in den Slums von Nakawa, Kawempe und Kampala Central mit Booster Grants unterstützt, um ihre Klimaschutzinitiativen zu beschleunigen. Unter anderem ging es dabei um Abfallmanagement und städtische Landwirtschaft.“ Aber die Umwelt ist nicht die einzige Profiteurin des Projekts. Auch die Jugendlichen selbst haben etwas davon.

Fatuma und ihre Jugendgruppe können mit der Herstellung von Briketts auch ihren Lebensunterhalt verdienen. Jedes Mitglied verdient monatlich 160.000 Schilling aus dem Verkauf, umgerechnet sind das knapp 40 Euro. Mit diesem Einkommen kann Fatuma, die derzeit an einer der öffentlichen Universitäten studiert, ihre Studiengebühren bezahlen und einen Teil ihrer Lebenshaltungskosten decken. Auch ihre Familie unterstützt sie mit dem Geld.

„Durch die Herstellung der Briketts können wir selbständig werden“, freut sich die 20-Jährige. „Die Nachfrage aus der Gemeinde ist groß. Inzwischen haben wir auch weitere Abnehmer gefunden, zum Beispiel Restaurants und Schulen.“ Die Arbeit und das Engagement hilft den Jugendlichen aus den Slums, den Kreislauf der Armut zu durchbrechen und gibt ihnen wieder eine Perspektive.

 

Die Geschichte von Fatuma und ihrer Jugendgruppe ist mit Material aus dem ugandischen Plan-Büro entstanden. 

Frau im Blaumann verkauft einer anderen Frau Briketts
Fatuma verkauft stolz ihre selbstgemachten Briketts Plan International

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Plan International arbeitet seit 1992 in Uganda, insbesondere für und mit Mädchen und jungen Frauen. Der Fokus unserer Arbeit liegt darauf, den Zugang zu inklusiver, hochwertiger und kindzentrierter Bildung in sicheren Lernumgebungen zu verbessern. Auch die berufliche Bildung bauen wir aus, um nachhaltige Wege aus finanzieller Unsicherheit zu ebnen. Wir schützen und stärken Jugendliche, indem wir Tabus aufbrechen und in unseren Partnergemeinden über sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte, Menstruationshygiene und Geschlechtergerechtigkeit sprechen.

Mit einer Patenschaft für ein Kind in Uganda helfen Sie uns dabei, unsere Arbeit langfristig fortzuführen und echte Fortschritte zu erzielen.

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