Seit fast fünf Jahren ist Keo leidenschaftlich Grundschullehrerin. In ihren Anfangsjahren hat sie den Unterricht immer strikt nach dem Lehrplan gestaltet, sich ausschließlich auf Lehrbücher verlassen und Frontalunterricht im Klassenzimmer abgehalten. „Ich habe nicht viele Unterrichtsmaterialien verwendet und meine Schülerinnen und Schüler auch nicht aktiv in die Schulstunden einbezogen“, erinnert sich die Kambodschanerin.
Allerdings führte diese starre Art des Unterrichts dazu, dass Schüler:innen vermehrt Schwierigkeiten beim Lernen hatten, dem Stoff nicht gut folgen konnten und wenig Vertrauen in ihre Fähigkeiten entwickelten. „Obwohl ich mein Bestes gab, verstanden viele Kinder meine Erklärungen nicht. Am Ende des Schuljahres brachen einige von ihnen den Unterricht ab, andere mussten die Klasse wiederholen“, sagt Keo mit einem Anflug von Traurigkeit. „Ich war unglücklich, weil ich das Gefühl hatte, als Lehrerin versagt zu haben.“
Also setzte sich Keo zum Ziel, die Jungen und Mädchen wieder zum Lernen zu animieren und für den Unterricht zu begeistern. Auch, um ihnen später bessere Chancen im Leben zu ermöglichen. Nur wusste sie nicht, wie. Der Schulgarten, den Plan International mit Mitteln des australischen Entwicklungsprogramms ANCP eingerichtet hat, hat der passionierten Lehrerin neue Unterrichtsmöglichkeiten eröffnet. Nun hat sie den Raum, um einen praxisnahen Unterricht abzuhalten.
Den Klassen vier, fünf und sechs bringt sie dort mit praktischen Aktivitäten bei, wie man mathematische Probleme löst. Dass die Pflanzbeete an ihrer Grundschule in geometrischen Formen wie Dreiecken oder Kreisen angelegt sind, macht ihr das Erklären leichter und schafft einen klaren Bezug der abstrakten Rechenaufgaben zur Realität. „Jetzt kann ich meinen Unterricht anschaulich gestalten“, erklärt Keo mit einem Lächeln. „Das hilft mir auch, einen besseren Kontakt zu den Kindern herzustellen.“
Im Schulgarten wird den Mädchen und Jungen nicht nur gezeigt, wie man Obst und Gemüse anbaut, erntet und zubereitet, sondern er dient auch als Klassenzimmer im Freien, das ihnen eine interaktive und spannende Lernerfahrung bietet. Zudem hat Plan International im Rahmen des Schulgarten-Projekts auch die Lehrkräfte in neuen Lehrmethoden geschult. So können sie die Anlage für verschiedene Fächer wie Naturwissenschaften, Mathematik, Sozialkunde und die Landessprache Khmer nutzen.
Keos Grundschule liegt im Nordwesten Kambodschas, in der Provinz Siem Reap. Die ist vor allem wegen der Tempelruinen von Angkor weltberühmt, von denen Angkor Wat die größte und bekannteste ist. Neben dem Tourismus gehören die Textilindustrie und die Landwirtschaft zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen des Landes. Doch obwohl Kambodscha zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Asiens zählt, ist es eines der ärmsten Länder dieses Kontinents.
Der Grund dafür liegt in der jüngsten Geschichte des südostasiatischen Landes. Die Folgen des Bürgerkriegs, der Schreckensherrschaft der Roten Khmer und der vietnamesischen Besatzung spüren die Kambodschaner:innen noch heute. Unter anderem ermordeten die Roten Khmer 90 Prozent aller Lehrkräfte des Landes und zerstörten zahlreiche Bildungseinrichtungen. Mangel an Lehrpersonal, Vorschulen und hochwertigen Lernmaterialien ist deshalb noch immer ein Problem in Kambodscha. Zudem haben viele Kinder aufgrund von Armut nur geringe Bildungschancen, fehlen regelmäßig im Unterricht oder brechen die Schule ab.
Umso wichtiger ist es, die Mädchen und Jungen schon so früh wie möglich auf ihrem Bildungsweg zu unterstützen. Der Schulgarten ist eine Möglichkeit, genau das zu tun. Dort verbessern Keos Schüler:innen ihr Wissen sowie ihre Einstellung zu gesunder Ernährung und können nützliche Fähigkeiten in der Gartenarbeit sammeln. Das Lernen im Freien hat außerdem ihre Freude an der Schule sichtlich gesteigert, was sich wiederum positiv auf die Anwesenheiten und die schulischen Leistungen auswirkt.
„Dank des Gartens zeigen die Kinder eine bemerkenswerte Begeisterung für den Unterricht“, stellt Keo zufrieden fest. „Sie kommen jetzt auch an Wochenenden und in den Ferien gerne her, um sich um die Pflanzen zu kümmern und sich über ihre Hausaufgaben auszutauschen.“ Die Lehrerin berichtet stolz, dass die Abbrecherquote an ihrer Schule deutlich gesunken sei und die Kinder mehr Interesse am Lernstoff zeigen. Als sie mit einem Winkelmesser die Winkel der Hochbeete misst, hören die Kinder ihr aufmerksam zu und stellen viele Fragen.
„Dank des Schulgartens arbeiten die Mädchen und Jungen enger und gleichberechtigter zusammen.“
Aber auch für die Lehrkräfte bringen die Gärten Vorteile. Denn sie bekommen zunehmend Unterstützung durch die örtliche Gemeinschaft und die Eltern, die sich proaktiv für die Verbesserung des Lernumfelds an der Grundschule einsetzen. Außerdem erhalten die Kinder zu Hause mehr Unterstützung, sodass sie auch außerhalb des Klassenzimmers lernen und Gelerntes anwenden können.
Keo ist sich bewusst, welche wichtige Rolle ihr über das reine Vermitteln von Wissen hinaus zukommt. Sie betont, dass es auch in ihrer Verantwortung liege, eine gleichberechtigte Teilnahme am Unterricht zu fördern und für ihre Schüler:innen ein sicheres, integratives Lernumfeld zu schaffen. „Die Kinder haben durch die neuen Unterrichtsmethoden gelernt, besser in Gruppen zu arbeiten und scheren sich auch weniger um Unterschiede zwischen den Geschlechtern.“ Auch in Zukunft möchte Keo ihr pädagogisches Wissen weiter ausbauen, damit sie den kambodschanischen Jungen und Mädchen noch mehr helfen und zum Aufbau eines fundierten Bildungssystems beitragen kann.
Die Geschichte von Keo und dem Schulgarten in Kambodscha wurde mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro erstellt.