Unzeitgemäß: Unbezahlte Care-Arbeit benachteiligt Mädchen

Foto: Plan International / Izla Bethdavid

Kochen, sauber machen, auf kleine Geschwister aufpassen: Weltweit leisten Mädchen überdurchschnittlich viel Care-Arbeit. Das hat mit Gendernormen zu tun. Ein neuer Bericht von Plan zeigt, welche Folgen sich daraus für die Entwicklung von Mädchen und junge Frauen ergeben.

Seit 2007 führt Plan International die Gruppenstudie „Real Choices, Real Lives“ mit Mädchen aus weltweit neun Ländern durch. Im diesjährigen Bericht „Unzeitgemäß: Die Auswirkungen von Care-Arbeit auf Mädchen“ wurden 92 Mädchen aus Benin, Togo, Uganda, Kambodscha, den Philippinen, Vietnam, Brasilien, der Dominikanischen Republik und El Salvador zum Thema unbezahlte Care-Arbeit befragt. Die mehrheitlich 17- bis 18-Jährigen müssen täglich viele Stunden arbeiten und dadurch Abstriche bei Schule und persönlichen Wünschen machen.

„Mein Bruder muss nichts tun, weil wir so viele Mädchen zuhause sind.“

Alice (17), befragtes Mädchen aus Benin

Mehr als fünf Stunden Hausarbeit jeden Tag

87 der insgesamt 92 befragten Mädchen (94 Prozent) gaben an, jeden Tag Care-Arbeit zu leisten. Der durchschnittliche Zeitaufwand dafür lag bei den Studienteilnehmerinnen bei fünf Stunden und 15 Minuten pro Tag. Viele Mädchen fühlten sich damit überfordert und hatten Mühe, Hausarbeit und Schule zu vereinen. 

Weltweit leisten 14-jährige Mädchen laut UNICEF etwa neun Stunden Care-Arbeit pro Woche. Im Alter von 19 Jahren sind es dann bereits zwischen drei und vier Stunden pro Tag. Die von Plan befragten jungen Frauen arbeiten mehr als der weltweite Durchschnitt, da sie aus Ländern mit einem niedrigen Human Development Index stammen.

Hausarbeit als Bestandteil vom Mädchensein

Geschlechtsspezifische Rollen werden Kindern von früh an im Elternhaus vermittelt: So wird Mädchen beigebracht, dass Hausarbeit unvermeidlich zu ihrem Dasein dazugehört. Während sie aufwachsen, bekommen sie einen größeren Anteil an Hausarbeit zugewiesen als ihre Brüder. Wenn sich diese Muster früh etablieren und als „natürlich“ angesehen werden, wird es schwierig, sie in einem späteren Alter zu hinterfragen und etwas anderes darin zu sehen als eine selbstverständliche „Hilfe“ für die Mutter oder die Familie.

Ein junges Mädchen hängt Wäsche auf
Für die 13-jährige Kieu ist es Alltag, die Wäsche zu waschen Plan International / Ngoc RnP

„Wir Frauen müssen die Hausarbeit machen und die Männer verdienen das Geld, so ist das nun mal.“

Mutter von Sheila, Studienteilnehmerin aus Uganda

Den Eltern wiederum ist es wichtig, dass ihre Töchter Haushalts- und Betreuungsaufgaben übernehmen, weil sie so zu vermeintlich respektablen jungen Frauen heranwachsen. Während Jungen mit zunehmendem Alter – und insbesondere, wenn sie einer bezahlten Arbeit nachgehen – tendenziell von der Hausarbeit entlastet werden, steigt bei Mädchen mit zunehmendem Alter ihr Anteil an der Verantwortung für die Heimarbeit, unabhängig davon, ob sie zur Schule gehen oder noch einer Tätigkeit außerhalb des Hauses nachgehen.

Zu viel Care-Arbeit führt zum Schulabbruch

Das hat Auswirkungen auf die Bildungschancen von Mädchen. Je mehr Care-Arbeit sie leisten, desto weniger Zeit bleibt für Schule und Weiterbildung. Die Konsequenz: Sie schneiden oftmals schlechter in den Prüfungen ab oder brechen die Schule ganz ab. Von den 92 befragten Studienteilnehmerinnen hatten 20 die Schule verlassen und keine der Abbrecherinnen ging einer alternativen Ausbildung nach.

Ein junges Mädchen bepflanzt einen Garten
In Brasilien erfordert der Klimawandel Umstellungen in der Landwirtschaft. Die 14-jährige Isabele bepflanzt einen Garten Plan International / Rafael Gardini
Zwei Mädchen holen Trinkwasser
Mädchen in Kambodscha sind häufig dafür zuständig, Trinkwasser zu holen, eine mühsame und zeitaufwendige Arbeit Plan International

„Ich wünschte, ich hätte Zeit, um mich zu erholen und nicht nur zu stressen. (…) Wenn ich von der Schule komme, kann ich mich wegen der Hausarbeit nicht konzentrieren.“

Darna (18), Studienteilnehmerin von den Philippinen

„Es ist nicht leicht, eine (gute) Schülerin zu sein und zuhause viel arbeiten zu müssen.“

Reyna (17), befragtes Mädchen von den Philippinen

Frühverheiratete leisten noch mehr Care-Arbeit

Auch Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratungen haben einen großen Einfluss auf die unbezahlte Care-Arbeit von jungen Frauen. Mädchen, die verheiratet sind, verbringen oft noch mehr Zeit mit unbezahlter Betreuungsarbeit als ihre unverheirateten Altersgenossinnen. Das liegt auch daran, dass die Schule als „Schutzraum“ entfällt und viele Frühverheiratete vorzeitig Kinder bekommen. Weltweit wird eines von fünf Mädchen vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet, wobei die Raten in West- und Zentralafrika mit 39 Prozent am höchsten sind.

Die Folgen des Klimawandels haben ebenfalls Auswirkungen darauf, wer in der Familie die Verantwortung für die Care-Arbeit übernimmt. Sind Ernten, Vieh oder andere Lebensgrundlagen durch Klimaextreme zerstört, müssen Mädchen oft die Rolle ihrer Mütter im Haushalt ersetzen, weil diese sich zum Beispiel eine bezahlte Arbeit außerhalb des Hauses suchen müssen.

Ein Mädchen trägt ihr kleines Geschwisterchen auf dem Rücken
Mädchen haben von früh auf die Rolle, auf ihre kleinen Geschwister aufzupassen – zu Lasten ihrer eigenen Bildung Plan International
Eine junge Mutter hält ihr Baby im Arm
Frühverheirate Mädchen bekommen häufig auch vorzeitig Kinder und haben kaum noch Chancen auf Schulbildung Plan International

„Meine Klassenlehrerin hat mich rausgeworfen, weil ich einfach nicht mithalten konnte.“

Eleanor (17), Studienteilnehmerin aus Benin

Care-Arbeit muss neu verteilt werden

„Bildung ist der Schlüssel, um den Kreislauf von Armut und geschlechtsspezifischen Ungleichheiten zu durchbrechen. Doch unbezahlte Care-Arbeit hindert viele Mädchen daran, die Schule zu besuchen und erfolgreich zu sein“, sagt Dr. Kit Catterson, Leiterin des „Real Choices, Real Lives“-Berichtes von Plan International. „Es ist wichtig, die Beteiligung von Männern und Jungen zu fördern und die Care-Arbeit neu zu verteilen, um eine bessere Zukunft für Mädchen zu gewährleisten und eine gesündere Familiendynamik zu fördern, in der die Rollen und Verantwortlichkeiten gleichmäßiger verteilt sind.“

Seit 2007 führt Plan International eine Gruppenstudie mit 142 Mädchen aus neun Ländern auf drei Kontinenten durch. Ziel der „Real Choices, Real Lives“-Berichte ist es, die Studienteilnehmerinnen bis zu ihrer Volljährigkeit zu begleiten und über die Langzeituntersuchung den Einfluss von Geschlechternormen auf Entwicklungschancen zu dokumentieren.

 

Den ausführlichen Bericht in Englischer Sprache finden Sie hier.

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