„Ich war noch nicht lange in der Pubertät, als meine Eltern mich zur Heirat zwangen. Mein Mann war 17 Jahre alt und ein Bauer, der seine Schulbildung nicht abgeschlossen hatte. Ich hingegen war eine exzellente Schülerin in der fünften Klasse“, erzählt Poonam.
In der nepalesischen Gemeinschaft der Madhesi, der Poonam angehört, werden Ehen in zwei Phasen geschlossen: Zuerst findet eine Hochzeitszeremonie statt, und einige Zeit später folgt eine zweite Zeremonie namens Gauna, die den Moment markiert, in dem die Braut zu ihrem Ehemann und ihren Schwiegereltern zieht. Dies ist in Gemeinschaften üblich, in denen Kinder vor der Pubertät verheiratet werden. Die Gauna findet dann statt, sobald das Mädchen die Pubertät erreicht.
„Ich hatte Angst vor meinem Vater und konnte ihn nicht davon überzeugen, mich nicht zu verheiraten.“
Dabei kann man die erste Zeremonie nicht mit einer Verlobung vergleichen: Es handelt sich um eine richtige Hochzeit und ist genauso schwer aufzulösen wie jede andere Ehe. Kinder in dieser Situation berichten oft, dass ihre gesamte Kindheit überschattet wird von dem Wissen, dass sie bereits verheiratet sind.
„Ich wurde mit 13 Jahren ohne mein Einverständnis verheiratet, mit dem Versprechen, dass die Gauna nach fünf bis sechs Jahren stattfinden würde. Ich hatte Angst vor meinem Vater und konnte ihn nicht davon überzeugen, mich nicht zu verheiraten“, erklärt Poonam.
„Nachdem ich verheiratet wurde, blieb ich zuhause und ging weiter zur Schule. Als verheiratete Tochter muss ich mein Haar zurückbinden und mit einem Tuch bedecken. Das habe ich noch nie gemocht. Wann immer ich zu gesellschaftlichen Anlässen ging, starrten mich die Leute an und tratschten über mich, weil meine Gauna noch nicht stattgefunden hatte.“
Poonam war eine ausgezeichnete Schülerin, die gute Noten bekam und regelmäßig an Veranstaltungen außerhalb des Lehrplans teilnahm. Doch als sie in der achten Klasse war, wurde die Familie ihres Mannes ungeduldig und verlangte, dass die Gauna stattfinden sollte.
„Ich wurde sehr nervös und meine Noten verschlechterten sich. Ich erntete viel Spott von meinen Nachbarn dafür, dass ich in die Schule ging, anstatt zu meinen Schwiegereltern zu ziehen. Schließlich fand die Gauna statt, als ich mich für meine Abschlussprüfung der Mittelschule vorbereitete. Obwohl niemand auf meiner Seite war, habe ich nicht aufgegeben und meine Prüfungen abgeschlossen.“
„Ich wollte nicht zu meinen Schwiegereltern gehen, aber sie kamen, um mich zu holen. Meine Mutter versprach, dass sie mir Bescheid geben würde, sobald meine Prüfungsergebnissefeststehen. Ich blieb einen Monat lang im Haus meines Mannes und kehrte dann in meine Heimat zurück, um die Oberstufe zu besuchen.“
Kurz darauf wurde Poonam eingeladen, einem Jugendclub beizutreten, der von Plan International in Zusammenarbeit mit einer lokalen NGO betrieben wird. Die Gruppe vermittelt Kindern und Jugendlichen Kompetenzen, um in ihren Gemeinden positive Veränderungen voranzutreiben.
„Inzwischen bin ich Vorsitzende des Clubs, und mein Leben hat sich komplett verändert. Ich setze mich nun aktiv gegen Kinderheirat ein. Ich bin jetzt mutiger und habe ein stärkeres Selbstbewusstsein. Durch den Club hatte ich die Möglichkeit, an Schulungen und Workshops teilzunehmen und auch in andere Bezirke zu reisen und dort unseren Club zu vertreten. Es ist uns gelungen, vier Kinderehen in unserer Gemeinde zu verhindern. Ich bin sehr stolz auf mich, dass ich so viel bewirken konnte“, sagt Poonam.
Leider musste Poonam immer wieder Kritik aus ihrer Gemeinde einstecken. Die meisten Leute konnten ihre Entscheidung, ihre Schulbildung fortzusetzen, anstatt sich mit ihrem Ehemann niederzulassen, nicht verstehen.
„Die Heirat hat meine Jugend ruiniert, aber ich lasse mich nicht unterkriegen!“
„Einige Nachbarn haben meinen Eltern erzählt, dass ich mit einem anderen Mann durchbrennen würde. Ich versuche, diesen Gerüchten keine Beachtung zu schenken, denn ich bin fest entschlossen, meinen Traum zu verwirklichen und Lehrerin zu werden. Mein Wunsch ist es, Kindern von klein auf beizubringen, was Kinderheirat für ein Verbrechen ist, und dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun müssen, solche Anträge abzulehnen.“
Obwohl Poonam nach wie vor verheiratet ist und ihre Schwiegereltern mehrmals versucht haben, sie zu sich zu holen, kehrte sie jedes Mal schnell wieder nach Hause zurück. „Mein Mann will, dass ich die Schule abbreche, weil er und seine Familie sich das nicht leisten können. Zum Glück hat mein Vater die Gebühren für die zwölfte Klasse bezahlt. Seitdem gehe ich nur noch selten zu meinen Schwiegereltern. Sie interessieren sich überhaupt nicht für mich und meine Fortschritte.
„Seit meiner Heirat sind acht Jahre vergangen, aber ich habe nur etwa drei Monate bei meinem Mann zuhause verbracht. Ich hoffe, dass ich nie wieder dorthin gehen muss. Ich möchte frei sein. Die Heirat hat meine Jugend ruiniert, aber ich lasse mich nicht unterkriegen!“