Volldampf für die Wissenschaft: Schulen in Nepal auf Zukunftskurs

Foto: Nischal Shrestha

Schlechte technische Ausstattung und oberflächlicher Frontalunterricht stellen viele Schüler:innen in Nepal vor Lernschwierigkeiten. Praxisorientierte Lernmethoden und ein Fokus auf Wissenschaft sollen neue Motivation bringen.

„Wir hatten nur Bücher und Hefte, was den Unterricht sehr langweilig machte. Gerne hätten wir praktische Übungen und Versuche gemacht, aber die nötigen Mittel waren nicht da“, erzählt Anish. Er besucht die neunte Klasse einer Gemeinschaftsschule im Distrikt Sindhuli im östlichen Nepal. Der technikbegeisterte Junge ging immer gerne zur Schule, aber das Bildungssystem des südasiatischen Landes konnte ihn und seine Mitschüler:innen lange Zeit nicht angemessen fördern.

Einer grünen Flüssigkeit in einem Messbecher werden einige Tropfen rote Flüssigkeit aus einer Plastikflasche hinzugegeben
Die meisten öffentlichen Schulen in Nepal haben nicht die nötige Ausstattung für praxisnahen Unterricht Nischal Shrestha
Eine Gruppe nepalesischer Schüler:innen in blauen Schuluniformen steht um einen Tisch und bereitet mit unterschiedlichen Werkzeugen ein Experiment vor
Lange Zeit hatten Anish und seine Mitschüler:innen keine Möglichkeit, um in der Schule Versuche durchzuführen Nischal Shrestha

Nepals ungleiches Bildungssystem

Das Schulsystem in Nepal ist in öffentliche und private Schulen unterteilt. Deren Qualität unterscheidet sich massiv und treibt die Schere zwischen Stadt- und Landbevölkerung auseinander. Private Schulen sind eher in den Städten vertreten und gewährleisten eine hochwertige Bildung mit gut ausgebildeten Lehrkräften. Der fortschrittliche Lehrplan geht mit Fächern wie Tanz, Musik und Informatik über die Standardfächer hinaus, die alle – außer das Fach Nepali (die Landessprache) – auf Englisch unterrichtet werden. Allerdings sind diese Privatschulen oft sehr teuer und verlangen den meisten Eltern einen Großteil ihres Einkommens ab.

An den kostenlosen öffentlichen Schulen, die eher in den ländlichen Regionen vertreten sind, mangelt es hingegen an allem: Die Lehrer:innen sind oft schlecht ausgebildet, die Ausstattung ist unzureichend und es gibt wenig bis gar keine Unterrichtsmaterialien wie Schulbücher oder Tafeln, was das Ausbildungsniveau erheblich senkt. Außerdem ist der Lehrplan meist veraltet, wodurch der ärmere Teil der Bevölkerung, der keine Alternative zu dieser Schulart hat, schon früh im Bildungssystem ins Hintertreffen gerät.

Zahlen der Nationalen Prüfungsbehörde zufolge scheiterten im Jahr 2024 über die Hälfte, 52 Prozent, der nepalesischen Schüler:innen an den Abschlussprüfungen in der zehnten Klasse. Laut lokalen Medienberichten liege dies vor allem an Schlüsselbereichen wie Mathematik, Englisch und Naturwissenschaften, für die es zu wenig qualifiziertes Lehrpersonal gebe.

„Im Labor lernen wir eine Menge nützlicher Dinge. Endlich habe ich das Gefühl, dass ich eine gute Ausbildung erhalte.“

Anish, Schüler und Teilnehmer der neu eingerichteten Laborkurse
Ein nepalesischer Junge in blauer Schuluniform beugt sich über ein Mikroskop und blickt hindurch
Mit Mikroskopen lässt sich der Unterricht viel spannender gestalten Nischal Shrestha

Ein Labor für lebendigeren Unterricht

Die Verhältnisse an Anishs Schule waren repräsentativ für eben dieses Missverhältnis zwischen den Schulformen. Sein Mathematiklehrer Nabal Kishor Mahato bestätigt die Herausforderungen, mit denen viele Gemeinschaftsschulen im ländlichen Nepal konfrontiert sind: begrenzte finanzielle Mittel, eine sich verschlechternde Ausstattung und Schüler:innen, die sich beim Lernen ausschließlich auf Schulbücher verlassen.

Noch vor einigen Jahren hätte er nie gedacht, dass er seiner Klasse einmal beibringen würde, wie man ferngesteuerte Autos baut. Doch mit der Unterstützung von Plan International und seiner Partnerorganisation HANDS Nepal erhielt Mahatos Schule vor Kurzem Hilfe bei der Einrichtung eines Labors. Der voll ausgestattete Forschungsraum bietet den Mädchen und Jungen die Möglichkeit, praxisnahen Unterricht zu bekommen und selbst Experimente durchzuführen. Das stärkt vor allem die Bereiche Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik.

„STEAM-Ahead“ für bessere Bildung

Das Labor hat Plan International im Rahmen des von der Europäischen Union finanzierten „STEAM Ahead“-Projekts eingerichtet, mit dem die Kinderrechtsorganisation Schulen in Nepal auf verschiedene Weise bei der Umsetzung von wissenschaftlicher und technischer Bildung unterstützt.

An der Gemeinschaftsschule in Sindhuli forschen die Schüler:innen und Lehrer:innen nun gemeinsam mit Werkzeugen und Methoden, die früher unerreichbar waren. „Nachdem das Labor eingerichtet war, haben wir die wissenschaftlichen Unterrichtsmethoden begeistert in unseren Lehrplan integriert. Dadurch entwickeln die Mädchen und Jungen wertvolle technische und praktische Fähigkeiten“, sagt Mathematiklehrer Mahato.

Anish fügt hinzu: „Im Labor lernen wir eine Menge nützlicher Dinge. Endlich habe ich das Gefühl, dass ich eine gute Ausbildung erhalte.“ Vor Kurzem haben seine Mitschüler:innen und er ein Projekt abgeschlossen, bei dem sie lernten, Seife von Hand herzustellen. Jetzt geht es an den Bau von ferngesteuerten Autos. Mahato ist davon überzeugt, dass die Integration von Wissenschaft, Technik, Ingenieurwesen, Kunst und Mathematik in den Lehrplan äußerst wertvoll ist, um den Kindern praktisches Wissen zu vermitteln.

Über das „STEAM Ahead“-Projekt

STEAM steht für Science (Wissenschaft), Technology (Technologie), Engineering (Maschinenbau), Art (Kunst) und Mathematics (Mathematik). Im Rahmen des von der Europäischen Union finanzierten „STEAM Ahead“-Projekts hat Plan International in den letzten drei Jahren 18 Schulen im nepalesischen Distrikt Sindhuli beim Aufbau von Infrastruktur für die STEAM-Bildung unterstützt, unter anderem durch die Einrichtung von Wissenschafts- und Mathematiklaboren in drei Schulen. Ergänzend dazu wurden 808 Lehrkräfte in STEAM-Bildungsmethoden geschult.

„Wir vergessen vielleicht, was wir gehört haben, aber wir vergessen fast nie, was wir durch unser eigenes Handeln gelernt haben.“

Nabal Kishor Mahato, Mathematiklehrer
Ein Bausatz für ein ferngesteuertes auto mit gelben Rädern aus Plastik an einer Holzplatte, auf die bereits ein Schaltkreis gelötet wurde
Im Labor lernen die Kinder, wie man ferngesteuerte Autos baut Nischal Shrestha
Eine Gruppe nepalesischer Schüler:innen steht um einen Tisch und ist in Zweiergruppen damit beschäftigt, Experimente vorzubereiten
Die Experimente bereiten die Schüler:innen selbst vor - natürlich unter Anleitung Nischal Shrestha

Neues Unterrichtskonzept eröffnet ungeahnte Möglichkeiten

„Wir vergessen vielleicht, was wir gehört haben, aber wir vergessen selten, was wir gesehen haben. Und fast nie vergessen wir, was wir durch Handeln gelernt haben“, ist Mahato überzeugt. Der passionierte Lehrer freut sich sehr, dass die Mädchen und Jungen an seiner Schule nun die einmalige Gelegenheit haben, durch einen praktischen Hands-on Ansatz zu lernen.

Doch nicht nur die Schüler:innen der Gemeinschaftsschule zeigen reges Interesse an dem neu eingerichteten Experimentierraum und beteiligen sich aktiver am Unterricht. Auch für die Lehrer:innen geht das Konzept voll auf, sagt Schulleiter Radhakrishna Upreti: „Für viele unserer Lehrkräfte ist eine so praxisorientierte Unterrichtsform neu. Sie experimentieren gemeinsam mit der Klasse und lernen dadurch selbst viel Neues dazu.“ 

Laut Upreti bietet das Labor den wissbegierigen Kindern einen unkonventionellen Einblick in die vor ihnen liegenden Möglichkeiten und inspiriert sie dazu, sich bisher ungeahnte Ziele für die Zukunft zu setzen. Insgesamt 15 Schüler:innen, darunter Anish und seine Mitschülerin Sonika, haben bereits an den ersten Laborkursen teilgenommen.

Zwei nepalesische Schüler in blauen Schuluniformen basteln an einem Bausatz für ein ferngesteuertes Auto
Anish (links) und sein Mitschüler basteln an einem Bauteil für ihr ferngesteuertes Auto Nischal Shrestha

STEAM-Projekt auch an anderen Schulen geplant

„Ich habe ganz unterschiedliche Technologien kennengelernt. Jetzt weiß ich, wie man mit Bluetooth Autos steuern kann, wie Licht- oder Gassensoren funktionieren und sogar, wie man Seife herstellt“, freut sich Sonika. Stolz gibt sie das Gelernte nun an jüngere Mitschüler:innen an ihrer Schule weiter.

Die Umsetzung des „STEAM Ahead“-Projekts an Anishs und Sonikas Gemeinschaftsschule koordiniert Plan International zusammen mit den örtlichen Bildungsbehörden. Die Stadtverwaltung überwacht die Aktivitäten des Projekts und bewertet sie. Angesichts der positiven Ergebnisse gibt es sogar Pläne, das Konzept auf andere Schulen in der Region auszuweiten.

Balaram Koirala von der Abteilung für Bildung, Jugend und Sport in Sindhuli sagt, dass ein Fokus auf Wissenschaft und Technologie im heutigen digitalen Zeitalter entscheidend sei. „Die Stadtverwaltung wird ein Budget bereitstellen, um auch anderen Schulen die Teilnahme an den forschungsbasierten Bildungsaktivitäten der STEAM-Initiative zu ermöglichen“, kündigt der Verwaltungsbeamte an.

Mit einer Patenschaft helfen

In Nepal engagiert sich Plan International Deutschland besonders für die frühkindliche Entwicklung, den Kinderschutz sowie die sexuellen und reproduktiven Rechte von Mädchen und jungen Frauen. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Kinder Zugang zu altersgerechter Förderung erhalten und sich frei von Gewalt und Diskriminierung entwickeln können. 

Darüber hinaus fördern wir berufliche Ausbildungen und unternehmerische Schulungen für junge Frauen und Männer, um ihnen einen gleichberechtigten Zugang zu menschenwürdiger Arbeit zu ermöglichen. Mit der Übernahme einer Patenschaft helfen Sie bei der erfolgreichen Initiierung unserer Projektarbeit vor Ort – und unterstützen uns so dabei, die Lebensbedingungen für Kinder, Familien und Gemeinden langfristig zu verbessern.

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