Auf Augenhöhe über Menstruation sprechen

Foto: Plan International Cambodia/Linda Kong

Es gehöre sich für ein Mädchen nicht, über Sex und die Menstruation zu sprechen. Doch Sreyneth überwindet dieses Tabu und wagt einen neuen Weg.

Die Periode geht oft mit Angst, Schüchternheit oder Unwohlsein einher. Die Angst, ausgelacht zu werden oder auszulaufen, ist vor allem in den ersten Jahren der Menstruation präsent. Aber selbst über die Monatsblutung zu sprechen, zu verstehen, was mit dem eigenen Körper passiert, kann zu Unsicherheit führen. Die Vorstellung, die Periode sei etwas Unreines, etwas, weswegen sich Menstruierende verstecken und schämen müssen, halten sich noch immer in vielen Gesellschaften hartnäckig. So ist auch in Kambodscha die Periode kein leichtes Thema.

Alte Traditionen halten sich wacker

Das weiß auch Sreyneth. Die 14-Jährige lebt in Kambodscha, genauer: in Ta Veng in der nordöstlichen Provinz Ratanakiri, unweit der Grenze zu Vietnam. Diese Provinz beherbergt den größten Teil der indigenen Bevölkerung des Landes. Sreyneths Familie selbst gehört der ethnischen Minderheit Prov an, die neben der Amtssprache Khmer auch ihre eigene Sprache sprechen. Als zweite Tochter einer Landwirtsfamilie hilft sie regelmäßig auf dem Hof ihrer Eltern, wenn sie nicht in der Schule ist. 

Sreyneth erzählt, dass viele junge Menschen in ihrer Gemeinde aus finanziellen Gründen die Schule abbrechen und manche mit 14 oder 15 Jahren heiraten, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Generell sei das Bewusstsein für Themen rund um Frühverheiratung, Menstruation und sexuelle Gesundheit nicht weit verbreitet in dieser entlegenen Region – vor allem bei ethnischen Minderheiten wie ihrer eigenen, so Sreyneth. Alte Traditionen und über Generationen überlieferte Praktiken prägten hier lange auch den Umgang mit der Menstruation.

Schülerinnen in weißen Hemden sitzen im Klassenraum und schreiben in ihre Hefte, ein Mädchen ist im Fokus
Sreyneth weiß heute, wie wichtig es ist, sich mit der Menstruation auseinander zu setzen Plan International Cambodia/Linda Kong

Laut alten Traditionen bringen Frauen Unglück, wenn sie während ihrer Periode rausgehen.

„Früher sind wir, wenn wir unsere Periode hatten, immer zu Hause geblieben und nicht rausgegangen, weil die Tradition besagt, dass wir Unglück bringen würden, wenn wir in ein anderes Haus gingen“, erklärt die 14-jährige Kambodschanerin, die auch ein Patenkind ist. „Außerdem sind wir nicht in die Schule gegangen, weil wir uns vor unseren männlichen Mitschülern schämten und Schwierigkeiten hatten, unsere Binden zu wechseln.“

Aufklärung durch Gleichaltrige

Sreyneth ist Teil des Wandels, eine Vorreiterin sogar. An ihrer Schule ist sie Peer Educator für sexuelle und reproduktive Gesundheit (SRHR). Das bedeutet, sie bringt ihren gleichaltrigen Mitschüler:innen diese Themen näher und spricht mit ihnen vor allem über die Menstruation – sowohl mit den Mädchen als auch mit den Jungen. 

Zu ihrer Rolle als „Aufklärerin auf Augenhöhe“ kam Sreyneth dank des dreijährigen Plan-Projekts „Time to Act“, dessen Ziel es ist, Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratungen sowie Teenagerschwangerschaften in benachteiligten und abgelegenen Gebieten im Nordosten Kambodschas zu reduzieren. Dafür werden Schüler:innen der Sekundarstufe I für das Thema sexuelle und reproduktive Gesundheit durch „Peer Educators“ sensibilisiert – eine von ihnen ist Sreyneth.

Eine Jugendliche deutet auf eine bunte Grafik
Auf Augenhöhe lernt es sich besser: Sreyneth spricht mit ihren Klassenkamerad:innen offen über Themen, die lange als Tabu galten Plan International Cambodia/Linda Kong

„Ich wurde für die Peer-to-Peer-Aufklärung ausgewählt, weil ich sowohl Khmer als auch Prov [die Sprache der ethnischen Minderheit] sprechen kann“, erinnert sie sich. „Am Anfang hatte ich gemischte Gefühle – ich habe mich gefreut aber war gleichzeitig nervös. Ich sagte den Mitarbeiter:innen, dass ich es gerne machen würde, aber nicht wüsste, wie. Sie haben mich beruhigt und mir versichert, dass ich geschult werde.“ Unterrichtet und betreut von Lehrkräften ihrer Schule und Projektmitarbeiter:innen kennt sich Sreyneth nun in Fragen der sexuellen Aufklärung aus. Dieses Wissen will sie dann in den Unterrichtspausen an ihre Klassenkamerad:innen weitergeben. 

Doch anfangs ist Sreyneth enttäuscht: Niemand scheint sich für diese Themen zu interessieren, ihre Mitschüler:innen kommen nicht zu ihren Sitzungen. 

„Aber ich wollte nicht aufgeben, weil ich wollte, dass sie über sexuelle und reproduktive Gesundheit Bescheid wissen.“ Nur wie bringt man Menschen dazu, sich für ein Thema zu interessieren? „Eine weitere Herausforderung war, dass ich ein schüchternes Mädchen war und mich nicht traute, über Sex und Fortpflanzung zu sprechen, weil mir beigebracht wurde, dass es sich für ein Mädchen nicht gehört, darüber zu reden“, fährt Sreyneth fort. 

Sreyneth war als Kind beigebracht worden, dass es sich für ein Mädchen nicht gehört, über Sex und Fortpflanzung zu reden.

Mehr Wissen, mehr Offenheit, mehr Gleichberechtigung

Aber sie ist nicht allein. Ihre Eltern und Lehrer:innen unterstützen sie und geben ihr Ratschläge. „Sie haben mich ermutigt und motiviert, indem sie mir immer wieder gesagt haben, dass ich es schaffen kann. Das hat mir Selbstvertrauen gegeben, sodass ich mich jetzt traue, mit meinen Mitschüler:innen über diese Themen zu sprechen.“ 

Im vergangenen Schuljahr hat Sreyneth fünf Unterrichtseinheiten über Menstruationshygiene, die Veränderungen des jugendlichen Körpers und die Folgen von Frühverheiratung gehalten. Infolgedessen bleiben die meisten Schülerinnen während ihrer Periode nicht mehr zuhause, sondern besuchen weiter den Unterricht, und die männlichen Klassenkameraden hänseln die Mitschülerinnen nicht mehr wegen ihrer Menstruation.

Zwei Mädchen sitzen sich gegenüber, eine hat eine Menstruationsbinde in der Hand
Aufklärung geht über Tampons und Binden hinaus: Sreyneth thematisiert auch körperliche Veränderungen und die Folgen von Frühverheiratung Plan International Cambodia/Linda Kong

„Ich bin jetzt glücklich, weil ich meinen Freundinnen helfen kann, weiter zur Schule zu gehen“, sagt Sreyneth mit einem Lächeln. „Ich möchte auch mein Wissen und meine Fähigkeiten verbessern, damit ich meine Arbeit besser machen kann und die Kinder an meiner Schule ihre Gesundheit und ihre Rechte leichter verstehen.“

Damit trägt Sreyneth entscheidend dazu bei, veraltete Vorstellungen und Traditionen zu überwinden, die Mädchen oftmals einschränken. Je mehr über Menstruation gelehrt wird, je mehr sich Gleichaltrige über ihre Erfahrungen mit der Periode austauschen, desto weniger wird diese mit Scham und Stigma belastet. Vor allem auch das Einbeziehen der Jungen in den Peer-Educator-Sitzungen führt dazu, dass der Weg für mehr Gleichberechtigung und Selbstbestimmung geebnet wird. Damit Ausgrenzung von menstruierenden Menschen aufhört, müssen alle sensibilisiert werden und am gleichen Strang ziehen.

 

Der Artikel wurde mithilfe von Material aus dem Plan-Büro in Kambodscha erstellt.

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