Ein neuer Blick auf Vaterschaft

Foto: Plan International

Wie können hartnäckige Geschlechterrollen aufgebrochen werden? Und was bedeutet es, ein guter Vater zu sein? Pen aus Kambodscha geht diesen Fragen nach.

Mutter sitzt und hält ihren 4-jährigen Sohn
Verpflichtung: Traditionellerweise lastet die Kinderbetreuung und alle Haushaltsaufgaben auf den Schultern der Frauen Plan International

Wie leicht es ist, in traditionelle Geschlechterrollen zu verfallen, weiß Pen gut. Der 23-Jährige arbeitet als Bauer auf Maniokfeldern im Nordosten Kambodschas. Hier teilt er sich die Arbeit mit seiner Frau – die zusätzliche Hausarbeit und Kinderbetreuung blieb anfangs allerdings ihr überlassen. Ungewöhnlich ist das nicht, denn diese Rollen- und Aufgabenverteilung ist in vielen Teilen der Welt gesellschaftlich verankert – so auch in Kambodscha. Hier schreiben es tatsächlich die beiden geschlechterspezifische Verhaltenskodexe Chbab Srey und Chbab Proh vor: Zwar werden sie in der Schule nicht mehr gelehrt, dennoch prägen sie bis heute die Vorstellungen davon, wie eine Frau und wie ein Mann im südostasiatischen Land zu sein habe. 

Die Frau soll klassischerweise friedlich sein, leise gehen und ihrem Mann gehorchen. Haushalt und Kinder seien außerdem ihr Aufgabengebiet. Der Mann hingegen sei als Familienoberhaupt dafür verantwortlich, das Brot zu verdienen und Entscheidungen zu fällen. Seit vielen Generationen in der Gesellschaft verankert sind diese Ansichten häufig der Grund für Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern – so auch in Pens Dorf.

Wie neues Wissen den Alltag verändert

Hier in der Provinz Ratanakiri an der Grenze zu Vietnam und Laos lebt er mit seiner Frau und seinem vierjährigen Sohn. Bisher ging er nach der Arbeit auf dem Feld entweder mit Freunden etwas trinken oder entspannte sich, während seine Frau von der Feldarbeit zur unbezahlten Arbeit im Haushalt überging. „Meine Frau war immer müde, weil sie den ganzen Haushalt machte und sich um unseren Sohn kümmerte“, erinnert sich Pen. Dieses Ungleichgewicht belastet seine Frau und schließlich auch ihre Beziehung.  

„Manchmal hatten wir keine Zeit zum Reden.“

Pen (23), Projektteilnehmer in Kambodscha über seine Ehe

2020 wendet sich dann das Blatt: Über das Healthy-Start-Programm von Plan International kann Pen Schulungen besuchen, in denen er seine Rolle als Vater und Ehemann neu entdeckt und definiert. Zusammen mit anderen Männern und Vätern beschäftigt er sich mit den unterschiedlichen Phasen der Kindesentwicklung und des Gehirnwachstums und lernt, wie wichtig gute Ernährung und Hygiene für die Gesundheit von Kindern sind. „Ich lernte auch etwas über die Rolle des Mannes im Haushalt, wie man Kinder betreut und erzieht“, erklärt Pen.

Junger Mann hockt vor einem Spülbecken und wäscht ab
Verantwortung: Mittlerweile schwingt Pen auch den Spülschwamm und Kochlöffel Plan International

Dank des neugewonnenen Wissens beschließt er, sein Leben zu Hause zu ändern. Von da an übernimmt Pen Verantwortung und Aufgaben im Haushalt. Früh morgens beginnt er mit dem Putzen und der Wäsche und bereitet dann das Frühstück vor. Auch den Abend widmet Pen nun lieber seiner Familie. „Meine Frau, mein Sohn und ich singen zusammen, zeichnen, rechnen und lernen unsere beiden Sprachen“, sagt Pen. Denn seine Familie gehört zu den Kachak, einer der acht indigenen Gruppen in der Provinz. Zusammen mit seiner Frau bringt er seinem Sohn die Sprache der Kachak und die offizielle Landessprache Khmer bei.  

„Ich bin ihm jetzt näher und unsere Bindung ist stärker geworden.“

Pen (23), Projektteilnehmer aus Kambodscha über die Beziehung zu seinem Sohn

Zwischen Ablehnung und Selbstbewusstsein

Die Zeit zu dritt und das gemeinsame Lernen und Spielen wirkt sich positiv auf seinen Sohn aus, erkennt Pen. „Mein Sohn ist selbstbewusster geworden, er kann selbständig essen und Fragen beantworten. Außerdem wird er viel seltener krank als früher.“ Auch die Vater-Sohn-Beziehung hat sich verändert. Wenn Pen ihm abends Geschichten vorliest, merkt er, wie gern sein Sohn ihm zuhört.
 

Junger Vater liest mit seinem Sohn auf der Treppe
Vertrauen: Gemeinsame Zeit bringt Vater und Sohn einander und der indigenen Kultur näher Plan International

Aber nicht alle sehen die positiven Seiten dieser sorgenden Vaterrolle. Viele Männer in seinem Dorf sehen Pens Veränderung nicht nur kritisch, sondern sind klar dagegen. „Sie sagen, dass die Hausarbeit und die Betreuung der Kinder die Aufgaben der Frauen sind, während die Männer in der Landwirtschaft arbeiten und ein Einkommen erzielen müssen“, erklärt Pen. Seine Versuche, sie umzustimmen, schlagen fehl. Trotz des Gegenwinds ermutigt ihn seine Frau, sich davon nicht verunsichern zu lassen.

Und tatsächlich lässt er sich nicht von der Kritik aus dem Dorf beirren und übernimmt 2021 die Rolle als Leiter der Vätergruppe. Er organisiert die monatlichen Treffen der 18 Mitglieder, die er in Sachen Kinderbetreuung und Hausarbeit von da an unterrichtet. Er, der als Kind selbst Lehrer werden wollte, kann nun sein Wissen aus dem Plan-Projekt weitergeben. „Ich bin sehr zufrieden, auch wenn ich kein Geld für diese Arbeit erhalte, ich helfe ich meiner Gemeinschaft“, sagt Pen. „Im Gegenzug zeigen mir die Gruppenmitglieder ihre Wertschätzung, indem sie mir sagen, dass ich einen guten Sohn erziehe, und mich zu Rate ziehen, wenn sie Fragen oder Probleme haben.“  
 

„Sie zeigen mir ihre Wertschätzung, indem sie mir sagen, dass ich einen guten Sohn erziehe.“

Pen (23), Projektteilnehmer aus Kambodscha über sein Ehrenamt
Mutter, Vater und Sohn sitzen zusammen und schauen in die Kamera
Verlässlichkeit: Die Aufgaben auf dem Feld und im Haushalt schafft das Ehepaar nun besser gemeinsam als Team Plan International

Ein optimistischer Blick in die Zukunft 

Neben diesen Vätergruppen unterstützt das Projekt von Plan International Eltern und insbesondere junge Mütter mit Schulungen zu frühkindlicher und geschlechtergerechter Betreuung. Auch die Sanitär- und Trinkwasserversorgung ist ein wichtiger Punkt, dem sich die Kinderrechtsorganisation in der Ratanakiri-Provinz widmet, denn viele ländliche Gebiete haben nur erschwerten Zugang zu Trinkwasser und sauberen Toiletten. 

Bei Pen zuhause herrscht nun mehr Ausgeglichenheit. Die Arbeitsteilung zwischen ihm und seiner Frau findet nicht nur auf den Maniokfeldern, sondern auch im Haushalt statt. Wenn er in die Zukunft sieht, wünscht Pen sich das gleiche für sein Kind: „Ich möchte, dass mein Sohn in meine Fußstapfen tritt und Frauen und Kinder unterstützt.“

Der Artikel wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Kambodscha erstellt. 

Übernehmen Sie eine Patenschaft für ein Kind

In Kambodscha setzen wir von Plan International uns vor allem für die Bedürfnisse von benachteiligten Kindern sowie Mädchen und ethnischen Minderheiten ein. Wir unterstützen unter anderem die frühkindliche Förderung und bessere Bildung sowie gute Ernährung und den Ausbau des Gesundheitswesens. Helfen Sie mit Ihrer Patenschaft, das Leben in Kambodscha nachhaltig zu verbessern.

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