Es wurde ihr als medizinischer Eingriff beschrieben, den alle Mädchen vornehmen lassen müssen. „Als meine Mutter das erste Mal von Beschneidung sprach, hatte ich keine Ahnung was das ist“, erzählt die 17-jährige Marwa. Sie lebt in einem Vorort von Kairo, der Hauptstadt Ägyptens – eines von vielen Ländern, in denen die Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation/Cutting, FMG/C) eine Jahrtausende alte Tradition hat und noch immer üblich ist. 92 Prozent der Frauen und Mädchen im Alter von 15 bis 49 Jahren sind dort beschnitten.
Mädchen und Frauen, die nicht beschnitten sind, werden in vielen Gesellschaften, die auf patriarchalischen Strukturen beruhen, als unrein angesehen. „Man sollte es aber nicht als ‚medizinischen Eingriff‘ bezeichnen“, kritisiert Marwa. „Es hat nichts mit Medizin zu tun. Es handelt sich um eine Verstümmelung der Genitalien.“ Die 17-Jährige hat an einer Aufklärungsveranstaltung von Plan International im Gemeindezentrum ihrer Stadt teilgenommen und dort erfahren, was FGM/C tatsächlich bedeutet – und welche Risiken und Folgen der Eingriff mit sich bringen kann: Weibliche Genitalbeschneidung kann zu gesundheitlichen Problemen wie (schweren) Blutungen führen, zu Infektionen, Beschwerden bei der Menstruation, einem erhöhten Risiko für den Tod von Neugeborenen oder gar zum Tod der Betroffenen. Viele leiden zudem oft ein Leben lang an den psychischen Folgen der Praktik.
„Das hat nichts mit Medizin zu tun.“
Marwa erzählte all das, was sie bei der Aufklärungsveranstaltung gelernt hatte, ihrer Mutter. Sie bat sie, nicht beschnitten werden zu müssen – und ihre Mutter stimmte zu. „Ich habe sogar mit meinen Freundinnen über die Schäden gesprochen, die der Eingriff nach sich ziehen kann“, sagt die 17-Jährige. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie ihn nicht durchführen lassen sollten.“ Die Jugendliche nutzt zudem jede Gelegenheit, das Team von Plan International zu weiteren Themen rund um die sexuelle Gesundheit und ihre sexuellen Rechte zu befragen. Sie fühlt sich durch das Wissen, das ihr durch das „Champions of Change“-Programm von Plan International vermittelt wurde, bestärkt: „Ich war früher eher still und schüchtern, aber jetzt habe ich das Selbstvertrauen, um meine Meinung frei zu äußern“, so die 17-Jährige.
Sie ist fest entschlossen, weiter die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung in ihrer Gesellschaft zu bekämpfen. „Ich gebe Schulungen für Kinder“, sagt sie. „Ich ermutige auch meine Nachbarn, darunter eine Freundin von mir, an den Schulungen teilzunehmen. Das haben sie getan und viel dabei gelernt. Meine Mutter unterstützt mich und behandelt mich und meinen jüngeren Bruder gleichberechtigt.“
Das Projekt spricht unter anderem gezielt religiöse Führer:innen an und schult diese ebenfalls zu Themen der reproduktiven Gesundheit – einschließlich FGM/C und den negativen Folgen für das Leben der betroffenen Mädchen. Als einflussreiche Gruppe innerhalb der Gemeinde können sie dann das Bewusstsein in den Familien schärfen. Tatsächlich scheint die Zahl der Familien, die sich für die Beschneidung ihrer Töchter entscheiden, in der Region Ägyptens, in der auch Marwa lebt, zu sinken. Zwar gibt es keine genauen Statistiken, da FGM/C im Verborgenen stattfindet, doch die Mitarbeiter:innen des Plan-Projekts vor Ort schätzen, dass die Zahl der beschnittenen Mädchen um etwa 20 Prozent zurückgegangen ist.
Marwas Geschichte wurde mit Material aus dem ägyptischen Plan-Büro erstellt.