Issa* fährt sich über ihr Gesicht. Dann legt sie die Hände wieder in ihren Schoß. Während sie spricht, knetet sie die Knöchel ihrer Finger. Die 35-Jährige erzählt ihre Geschichte – die Geschichte von einem Leben mit immer wiederkehrenden Schmerzen. Als junges Mädchen wurde sie beschnitten, wie aktuell mehr als 200 Millionen Mädchen und Frauen weltweit. Somalia, Issas Heimatland, hat eine der höchsten Raten von weiblicher Genitalverstümmelung. Aber auch in vielen weiteren Ländern, insbesondere in Afrika, Asien und im Nahen Osten, ist FGM noch weit verbreitet.
„Als ich jünger war, hatte ich schmerzhafte Phasen“, erinnert sie sich. „Ich habe Tabletten genommen, um mir etwas Linderung zu verschaffen. Doch die Schmerzen gingen weiter.“ Mädchen und Frauen, die von FGM/C betroffen sind, leiden oft unter langfristigen gesundheitlichen Folgen: Narben, Zysten, Abszesse und andere Gewebeschäden, erhöhte Anfälligkeit für Infektionen oder Unfruchtbarkeit. Sie können Schwierigkeiten und Schmerzen bei der Menstruation haben, beim Urinieren und beim Geschlechtsverkehr. Bei der Geburt kann FGM/C zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen, da sich das Narbengewebe nicht ausreichend dehnen kann, um Platz für das Neugeborene zu schaffen. Die Geburt wird so nicht nur noch schmerzhafter als ohnehin schon, die Komplikationen können für Mutter und Kind lebensbedrohlich werden. Issa erinnert sich: „Bei der Entbindung meines ersten Kindes war mein Zustand kritisch. Die Hebamme musste mich mehrmals mit einer unsauberen Klinge aufschneiden und später wieder zunähen.“
Die traumatischen Erfahrungen, die Issa aufgrund ihrer Beschneidung erlebte, machte sie lange Zeit allein mit sich selbst aus. Bei einem Workshop, den Plan International gemeinsam mit dem Netzwerk gegen Genitalbeschneidung in Somaliland (NAFIS) in Somalia umsetzt, konnte sie sich öffnen und anfangen, zu verarbeiten. Sie sagt: „Alle Mädchen und Frauen, die beschnitten werden, durchlaufen den gleichen Kreislauf. Die Klinge verfolgt uns ein Leben lang. Erst Beschneidung, im Laufe des Lebens Wiederöffnen – der häufige Gebrauch des Messers führt zu Zysten und Infektionen, manche Frauen bekommen ihre Periode nicht mehr oder leiden unter ständigen Unterleibsschmerzen.“
Im Rahmen der Projektaktivitäten erhalten betroffene Frauen die notwendigen Behandlungen, um die gesundheitlichen Komplikationen ihrer Beschneidung zu lindern – so auch Issa. „Ich litt oft an Zysten in meiner Gebärmutter. Die Mitarbeitenden brachten mich zum Arzt, der mich operierte und alle Zysten entfernte“, berichtet Issa. Ziel der Workshops ist es unter anderem, das Verständnis der Gemeinden für die schädlichen Folgen von FGM/C zu schärfen. „Es herrscht Unwissenheit darüber, was schädlich und was gut ist“, sagt Issa. „Früher dachten die Menschen, dass unbeschnittene Mädchen nicht heiraten und deshalb untreu werden und uneheliche Kinder bekommen.“
Die 35-jährige Mutter wünscht sich, dass FGM/C in ihrer Gemeinde bald der Vergangenheit angehört. Ihre eigenen Kinder sollen niemals beschnitten werden, sagt sie. „Ich werde das meinen Kindern nicht antun und ich ermutige niemanden dazu, dies zu tun“, sagt sie deutlich. „Ich rate meinen Schwestern auf der ganzen Welt, diese Praxis zu beenden. Sie verursacht ernsthafte Probleme, vor allem, wenn Mädchen erwachsen und Mütter werden. Wir sind die Generation, die das erlebt hat – und wir sollten davor warnen, unseren Töchtern dasselbe anzutun.“
Issas Geschichte wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Somalia erstellt.
*Ihr Name wurde zum Schutz ihrer Identität geändert.