Rahimat stammt aus einer abgelegenen Gemeinde im westlichen Teil von Nepal, in der Mädchen normalerweise nicht ermutigt werden, ihre Ausbildung fortzusetzen, sondern stattdessen auf eine frühe Ehe vorbereitet werden. Die 18-Jährige hatte das Glück, dass ihre Eltern sie unterstützen und der Bildung ihrer Tochter Priorität einräumen.
Frustriert über die Situation von Mädchen in ihrer Gemeinde, will sich Rahimat für ihre Rechte einsetzen und gegen die ihnen auferlegten Beschränkungen kämpfen. „Wenn ich ein Problem sehe, kann ich nicht schweigen, ich muss handeln! Das ist meine Natur“, sagt die 18-Jährige.
Sie selbst weiß, dass sie durch ihre Ausbildung bessere Optionen und mehr Freiheiten in ihrem Leben hat, und genau das möchte sie auch anderen ermöglichen. „Die Mädchen hier sind nicht frei, von ihrer eigenen Zukunft zu träumen“, erklärt sie.
„Die Mädchen hier sind nicht frei, von ihrer eigenen Zukunft zu träumen.“
Seit einem Jahr ist Rahimat Vizepräsidentin des nationalen Mädchennetzwerks, das von einem lokalen Partner von Plan International, dem Child Workers in Nepal Concerned Centre, geleitet wird. Das Netzwerk bietet einigen Mädchen und jungen Frauen die Möglichkeit, als Vertreterinnen ihrer Region mit Aktivistinnen aus anderen Distrikten zusammenzukommen und in einem sicheren Raum über Themen zu diskutieren, die sie beschäftigen.
Die Mädchen erhalten ein umfassendes Verständnis für ihre Rechte und erfahren, wie sie mit den lokalen Behörden zusammenarbeiten und sich in politische Prozesse einbringen können – zum Beispiel, indem sie Kampagnen planen. Die Vertreterinnen nehmen das Gelernte dann mit zurück in ihren Distrikt und geben es an ihre Netzwerke weiter, um mehr Mädchen in ländlichen Gemeinden zu erreichen.
Das Netzwerk ist ein wirksames Instrument für Mädchen und Kinder, die ihre Provinzen nicht verlassen können. „Ich bin sehr stolz auf mich und mein Netzwerk. Dort werde ich unterstützt und mit allen Informationen versorgt, die ich für mein Engagement benötige“, erzählt Rahimat.
Die zwei Themen, die Rahimat besonders am Herzen liegen, sind Kinderheirat und Menschenhandel – beides ernste Probleme in ihrem abgelegenen Dorf. Es liegt an der Grenze zu Indien und es kommt nicht selten vor, dass Mädchen und Frauen Jobs und Heiratsangebote jenseits der Grenze versprochen werden, die es gar nicht gibt. In Wirklichkeit werden sie oft in die Zwangsarbeit oder Prostitution verkauft (lesen Sie hierzu auch die Geschichte von Kabita).
Kinder und junge Mädchen werden über das Internet angesprochen, und da sie diese gefährlichen Maschen nicht kennen, können Menschenhändler:innen ihr Unwissen ausnutzen. Ein großer Teil der Kampagnenarbeit von Rahimat besteht deshalb darin, die digitale Kompetenz ihrer Mitbürger:innen zu verbessern und sie aufzuklären, damit sie Warnsignale erkennen und sich besser schützen können.
Dafür arbeitet Rahimat als Jugendbotschafterin von Plan International mit dem Projekt „ProTEcT“ zusammen, um Wege zu finden, über Menschenhandel aufzuklären. Die Gruppe hat einen ChatBot namens Maya entwickelt, der im Facebook Messenger vor Online-Risiken warnt und Kindern und ihren Familien beibringt, wie sie das Internet sicher nutzen können.
Neben dieser digitalen Lösung nutzt Rahimat auch eine sehr klassische Methode der Kampagnenarbeit: Sie geht von Tür zu Tür, um die Familien in ihrer Gemeinde anzusprechen und sie für die Rechte von Mädchen zu sensibilisieren. Da es nicht typisch für Mädchen ist, sich öffentlich zu äußern, stieß sie auf einigen Widerstand. „In meiner Gemeinde verlassen Mädchen nur selten allein das Haus. Aber ich schrecke nicht davor zurück, meine Meinung zu sagen“, erzählt sie entschlossen.
Auch Rahimats Eltern hatten Vorbehalte, da sie um ihre Sicherheit besorgt waren. Aber Rahimat konnte sie von der Notwendigkeit ihres Aktivismus‘ überzeugen. Um sich besser zu schützen, arbeitet Rahimat in einer Gruppe.
„Ich schrecke nicht davor zurück, meine Meinung zu sagen.“
Anhand von Daten und Fakten hilft Rahimat den Menschen in ihrer Gemeinde zu verstehen, wie wichtig es ist, dass Mädchen Zugang zu Bildung haben, und klärt sie über die sozialen und wirtschaftlichen Vorteile für die gesamte Gemeinde auf. Das ist nicht immer einfach, sagt sie: „Es ist schwer, etwas zu verändern, und es kann Jahre dauern. Wenn es um diese sozialen Themen geht, kann es mühsam sein und ich werde frustriert, aber ich kann mich immer an das Netzwerk wenden für Unterstützung und Motivation.“
Die Gruppe setzte sich auch mit den hoch angesehenen religiösen Führern ihrer Region zusammen, und sobald diese auf ihrer Seite waren und die Sache unterstützten, hatte dies große Auswirkungen. Daraufhin konnte Rahimat ihre Botschaft durch Broschüren, Radio- und Fernsehinterviews an ein breiteres Publikum verbreiten und sich sogar landesweit für Mädchen einsetzen.
Inzwischen bereitet sich Rahimat auf ihre Aufnahmeprüfungen für das Medizinstudium vor. Sie hofft, ihr Studium in Kathmandu abzuschließen und dann ihre Kampagnenarbeit fortzusetzen. „Ich möchte ein Vorbild sein. Sobald ich meinen Abschluss habe, möchte ich in meine Gemeinde zurückkehren, um andere Mädchen und sogar ihre Eltern in meinem Bezirk und darüber hinaus zu inspirieren“, sagt sie abschließend.
Rahimats Geschichte wurde mit Material aus dem nepalesischen Plan-Büro aufgeschrieben.