Jeden Tag werden laut UN im Schnitt mehr als zwei Kinder in der Ukraine getötet und mehr als vier verletzt, überwiegend durch den Einsatz von Explosivwaffen in Wohngebieten. Innerhalb des Landes sind rund drei Millionen Mädchen und Jungen auf der Flucht, mehr als 2,2 Millionen sind mit ihren Familien in die Nachbarstaaten geflohen. Sie wurden aus dem alltäglichen Leben gerissen, viele mussten ihre Väter zurücklassen, weil Männer das Land nicht verlassen dürfen. Die meisten Kinder haben in den letzten Wochen und Monaten Traumatisches erlebt und gesehen, haben die Angst ihrer Eltern gespürt. Kinder, die vor Gewalt fliehen, sind zudem einem hohen Risiko von Missbrauch, sexueller Ausbeutung und Menschenhandel ausgesetzt.
Die Kinderschutzkrise in diesem Krieg verschärft sich zudem dadurch, dass viele geflüchtete Familien ihre Lebensgrundlage verloren haben. Sie mussten Hab und Gut zurücklassen, sind arbeitslos geworden und können oftmals die Grundbedürfnisse ihrer Kinder nicht mehr erfüllen. In Moldawiens Hauptstadt Chisinau leben derzeit viele Geflüchtete, die aus der nur 157 Kilometer entfernten Region Odessa kommen und der ukrainischen Roma-Gemeinschaft angehören. Violeta verließ ihre Heimat mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern nur zwei Wochen bevor ihre Stadt angegriffen wurde. Die Sorgen ihrer Mutter nimmt die Zehnjährige auch hier weiter wahr. Diese habe Angst zurückzukehren, erzählt Violeta, da ihre Tante, die in der Ukraine geblieben ist, berichte, dass es keinen Strom und keine Wasserversorgung mehr gäbe.
Ablenkung vom sorgenvollen Alltag im fremden Land und den Zukunftsängsten bietet Violeta und den anderen Kindern das Projektteam von „Moldova4Ukraine“. Das von der gemeinnützigen Organisation „The Moldova Project“ und Plan International umgesetzte Projekt zielt darauf ab, Bildungsaktivitäten sowie Spiel- und Kunsttherapie für geflüchtete Mädchen und Jungen sowie psychosoziale Unterstützung für Erwachsene und Kinder anzubieten. Auch Bildungsaktivitäten für Eltern sowie Rechts- und weitere Beratungsdienste für Familien stehen durch das Projekt zur Verfügung. Bis zu sechsmal die Woche besuchen die Freiwilligen Aufnahmezentren in sechs moldawischen Bezirken.
Mit den jüngeren Kindern führt das Team, das unter anderem aus Psycholog:innen, Lehrer:innen und Jurist:innen besteht, kunsttherapeutische Aktivitäten durch. Diese hilft den Kindern, Ängste zu bewältigen, Stress abzubauen und die traumatischen Erlebnisse des Krieges zu überwinden. Insbesondere für Kinder, die Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle, Erfahrungen und Ängste in Worte zu fassen, ist das therapeutische Malen und Basteln hilfreich beim Verarbeiten der Geschehnisse.
„Mich macht das Malen und Basteln glücklich“, sagt Violeta. „Ich warte immer schon darauf, dass die Freiwilligen wiederkommen.“ Auch die siebenjährige Samira findet Gefallen an den abwechslungsreichen Aktivitäten: „Ich mag vor allem die Bastel- und Puzzlespiele“, sagt sie. Ihre Mutter fügt hinzu, dass Samira dieses Jahr eingeschult werden sollte – ob das noch möglich sein wird, weiß sie nicht.
Madonna (11) hälft einen Fisch hoch, den sie aus buntem Papier gebastelt hat. Sie lächelt. „Ich zeichen gerne“, sagt sie. „Viele meiner Zeichnungen habe ich zu Hause gelassen, als ich vor fast einem Monat die Ukraine verlassen habe. Ich weiß nicht, ob ich dorthin zurückkehre und wann ich meinen Vater wiedersehen werde.“
Aus der anderen Ecke des Raumes schallt ein helles Kinderlachen. Es ist Sabina (4), die gerade einem der Teammitglieder bei einem Spiel mit Luftballons zu sieht. Ihre Mutter Tamara sagt, dass Sabina nicht mehr so fröhlich ist, wie sie es früher war, bevor sie Odessa verlassen haben. „Sie schläft auch nicht gut. Deshalb bringe ich sie zu diesen Aktivitäten, denn hier sieht sie wieder ein bisschen mehr wie sie selbst aus.“
Das Projekt „Moldova4Ukraine“ startete am 1. April 2022 und hat bisher 549 Kinder und 119 Erwachsene erreicht. Wir von Plan International sind im Rahmen unserer Ukraine-Nothilfe in den Grenzgebieten von Moldau sowie Polen und Rumänien aktiv. Der Schutz und die Sicherheit von Kindern haben oberste Priorität. Wir arbeiten daran, ein sicheres und kinderfreundliches Umfeld zu schaffen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Hilfe bei der Rückkehr in die Schule, so wurden etwa Rucksäcke mit Lernmaterialen an geflüchtete ukrainische Kinder verteilt, sowie Lernräume mit digitalen Geräten in den Aufnahmezentren eingerichtet.