Wenn man durch das Zentrum von Mykolaiv fährt, sieht man noch deutlich die Spuren der Angriffe. Die Stadt liegt im Süden der Ukraine, war bei der Eskalation des Krieges ein stark umkämpftes Gebiet und ist auch weiterhin noch Ziel von Raketen. Aus Sicherheitsgründen bleiben die Schulen geschlossen. Junge Leute suchen nach anderen Möglichkeiten, ihre Zeit zu verdienen, viele versuchen, zu arbeiten.
„Wir Jugendlichen fühlen uns viel älter als wir sind. Aber manchmal brauchen wir Unterstützung, weil wir uns Herausforderungen und Verantwortungen stellen müssen.“
Junge Menschen erleben psychische Belastung im Kriegsgebiet
Der 17-jährigen Maria fällt es nach wie vor schwer, sich an diese Ausnahmesituation zu gewöhnen. „Wir Jugendlichen fühlen uns viel älter als wir sind, eigentlich fühlen wir uns erwachsen. Aber manchmal brauchen wir auch Unterstützung, weil wir uns ungekannten Herausforderungen und Verantwortungen stellen müssen“, erzählt sie. Diese Unterstützung findet Maria bei Treffen und Aktivitäten, die in Mykolaiv von Plan Internationals Partner SaveEd durchgeführt werden. Es handelt sich dabei um Angebote, die Bildung und Austausch unter Jugendlichen fördern und ihnen die Gelegenheit geben, mehr von Angesicht zu Angesicht zu sprechen, zu lernen und zu spielen.
Sie wünscht sich mehr Verständnis für die Lage von jungen Menschen im Krieg: „Wir müssen uns daran erinnern, dass wir uns zwar an Explosionen, Sirenen und alles andere gewöhnt haben, aber für Kinder und Jugendliche ist das eine große Belastung. Wir brauchen mehr kostenlose Räume, auch online, in denen die Jugendlichen frei über ihre Probleme sprechen und ihre Gefühle ausdrücken können. Manchmal geht es einfach nur darum, dass du dich mitteilen kannst, gehört wirst und dir jemand sagt, du machst das gut, so wie du dich jeden Tag deinen Herausforderungen stellst.“
Die Auswirkungen des Krieges auf die psychische Gesundheit werden noch viele Jahre lang zu spüren sein. Im Rahmen der Ukraine-Hilfe, die Plan in der Ukraine selbst und den Nachbarländern Polen, Rumänien und Moldawien durchführt, hat psychosoziale Unterstützung für Kinder und Jugendliche höchste Priorität. Dabei werden auch vom Krieg betroffene Jugendliche aktiv involviert, um ihnen durch sinnstiftende Tätigkeiten neue Perspektiven aufzuzeigen.
In der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw arbeitet beispielsweise die 17-jährige Veronica als Freiwillige in einem kinderfreundlichen Zentrum, der von der lokalen Organisation Istok mit Unterstützung von Plan International betrieben wird. Dieses Zentrum ist ein Rettungsanker für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern. Es bietet individuell abgestimmte psychosoziale Unterstützung für Kinder und ihre Eltern, sowie Lernangebote und soziale Aktivitäten für junge Menschen an.
„Die Zeit zu Beginn des Krieges war sehr schwer für mich.“
„Die Zeit zu Beginn des Krieges war sehr schwer für mich. Aber jetzt habe ich hier im Zentrum coole Leute kennengelernt, mit denen ich meine Zeit verbringen kann. Das Zentrum hat mir auch sehr geholfen, weil es hier Berater:innen gibt, mit denen wir über unsere Sorgen sprechen können.“ Veronica erzählt, dass die Beratung sehr wichtig war, um ihr zu helfen, sich von dem Trauma der Vertreibung aus ihrer Heimat und der Angst vor den Bomben zu erholen. „Wir können unsere Gefühle ausdrücken und gleichzeitig an unseren Problemen arbeiten und uns weiterentwickeln, Schritt für Schritt.“
Olena ist eine von mehr als sechs Millionen Menschen, die vor dem Krieg ins Ausland geflohen sind. Heute wohnt die 21-Jährige in Rumänien. Anfangs fiel es ihr sehr schwer, sich an ihr neues Leben in einem neuen Land zu gewöhnen. „Ich hatte das Glück, mit meiner Familie hier zu sein“, reflektiert sie. „Ich weiß nicht, wie diejenigen, die hier ohne jemanden leben, damit zurechtkommen.“
Olena erzählt, dass sie die Eskalation des Konflikts vor zwei Jahren nur schwer verkraften konnte: „Ich bin immer noch in allen möglichen Chatgruppen aus meiner Heimatstadt. Ich verfolge alle Nachrichten und Ereignisse von dort. Ich bleibe in Kontakt mit Freunden, die noch dort sind. Ich mache mir große Sorgen um sie und fühle mich schuldig, weil ich hier und in Sicherheit bin, während sie es nicht sind.“
Im Netz erfuhr Olenas Mutter von einem Jugendzentrum und ermutigte ihre Tochter, dort hinzugehen. Anfangs hatte die junge Frau Angst, wusste nicht, wie sie Anschluss finden sollte, weil sie sich nicht in der besten psychischen Verfassung befand. Aber über Theater-, Musik- und Computerkurse konnte sie in einem geschützten Rahmen neue Kontakte knüpfen, und nahm auch das Angebot von kostenloser psychischer Betreuung an. Das Zentrum wird von der National Youth Foundation geleitet, einer Partnerorganisation von Plan International in Rumänien.
„Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich mit dieser psychischen Anspannung umgehen würde, wenn ich nicht diese Unterstützung hätte,“ berichtet Olena. „Besonders in meinem ersten Jahr hier war es sehr schwer für mich, da ich keine Freunde hatte. Im Zentrum können wir uns mit anderen Menschen treffen, hören uns die Probleme der anderen an und helfen uns gegenseitig.“ Trotz der Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert war, hat sie nun ihr Studium online abgeschlossen und auch eine Arbeit in einem Café gefunden.
„Ich habe hier meine Freunde, und wir wachsen alle zusammen in dieser schwierigen Situation, indem wir uns gegenseitig helfen, unseren Weg im Leben zu finden.“
Die Geschichte von Maria, Veronica und Alena wurde mit Material aus dem ukrainischen Plan Büro erstellt.