Fünf Tage Konferenz und trotzdem kaum genug Zeit für alle Themen – das war der Rahmen bei der „Women Deliver Conference 2023“ in Kigali. Ich, Mika aus dem Jugendbeirat von Plan International Deutschland, habe zusammen mit anderen Fachleuten der Kinderrechtsorganisation zwischen dem 16. Und 20. Juli 2023 mit vorbereitenden Events und vielen spannenden Veranstaltungen in Ruanda verbracht.
Das erste Mal fand Women Deliver damit auf dem afrikanischen Kontinent statt – ein wichtiger Schritt in der Geschichte und für den globalen Anspruch der Konferenz. Zum ersten Mal hatten auch in Afrika lebende Menschen einen leichten Zugang zu der Veranstaltung ohne Schwierigkeiten mit dem Visum und ohne lange Anreise.
„Ein wichtiger Schritt in der Geschichte und für den globalen Anspruch der Konferenz.“
Zwei Mal fand die Konferenz sowohl auf dem europäischen als auch dem nordamerikanischen Kontinent statt. Mit der dritten Ausgabe in Malaysia schloss Women Deliver den asiatischen Kontinent ein und berücksichtigte dabei den globalen Süden. Nun ist Women Deliver also erstmals in Afrika und im globalen Süden – ein Fortschritt für die Inklusion aller Menschen. Speziell Ruanda wurde dafür ausgewählt, unter anderem aufgrund des Umgangs mit der Covid-Pandemie und Gesundheitsfragen allgemein. Es besteht zudem eine starke Absichtserklärung, zu Geschlechtergerechtigkeit sowie Gesundheit und Rechten von Mädchen und jungen Frauen beizutragen.
Women Deliver startete als eine Kampagne für die sogenannte „Safe Motherhood“-Initiative, arbeitete anfangs also vor allem zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten (SRGR). Nun sind die Themen umfangreicher geworden: Fokussiert auf Geschlechtergerechtigkeit wird der Zusammenhang mit SRGR, Klimawandel, Rassismus und (Post-)Kolonialismus betrachtet. Außerdem sieht Women Deliver junge Menschen als wichtige Ressource für die weitere Entwicklung der Organisation und setzt sich besonders für die Stimme der Jugend ein.
Auf der Konferenz selbst werden keine Entscheidungen getroffen. Doch durch die Anwesenheit von Entscheidungsträger:innen und Zivilgesellschaft bietet Women Deliver einen Raum für Austausch und Diskussion. Jungen Menschen – und vor allem Mädchen und jungen Frauen – wird die Möglichkeit gegeben, ihre Erfahrungen zu teilen, sich mit anderen zu vernetzen, und auch Entscheidungsträger:innen zu erreichen. Damit werden auf der Konferenz mindestens die Entwicklungen positiv beeinflusst und junge Menschen bei ihrer Arbeit gestärkt.
„Auf der Konferenz werden die Entwicklungen positiv beeinflusst und junge Menschen bei ihrer Arbeit gestärkt.“
Für Plan als internationale Organisation stellt diese Konferenz eine außergewöhnliche Möglichkeit dar, die eigene Delegation sowie Menschen außerhalb der „Plan-Welt“ zu vernetzen. Dadurch kann die internationale Zusammenarbeit verbessert werden, denn hier treffen Plan-Büros aus dem globalen Norden und Süden aufeinander und können sich direkt über die Wirkung von Plans Arbeit austauschen. Außerdem stärkt die Anwesenheit von Plan-Vertreter:innen unsere Präsenz als wichtige internationale Nicht-Regierungsorganisation (INGO). Das erleichtert unter anderem neue Verbindungen zu Partnerorganisationen. Dazu hatte Plan einen Stand bei Women Deliver – strategisch perfekt direkt am Eingang des Veranstaltungsorts positioniert. Praktisch jeder Mensch, der bei Women Deliver 2023 dabei war, ist mindestens einmal am Plan-Stand vorbeigelaufen und hatte leicht die Möglichkeit, das Team und die Projekte kennenzulernen.
Mehr als 6.000 Menschen haben an dieser Konferenz teilgenommen, darunter über 1.200 Jugendliche, davon wiederum 49 Jugendliche sowie etwa 100 Personen von Plan International. Damit war die Kinderrechtsorganisation sehr gut aufgestellt. Und warum erwähnen wir so viel „Jugend“? Nun ja: Die globale Strategie von Plan International ist jugendzentriert. Junge Menschen haben eine andere Perspektive, sie haben spezielle Bedürfnisse sowie besondere Energie und Sichtweisen.
Vor allem aber werden Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, einen großen Einfluss auf ihre Zukunft haben. Wir Jugendlichen sind diejenigen, die damit später leben und umgehen müssen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir mit am Tisch sitzen, Entscheidungsträger:innen unsere Perspektive schildern und Entscheidungen mit beeinflussen können. Dafür ist so ein Event wie Women Deliver eine großartige Chance, genau das zu tun. Das hat auch Plan International gesehen und deshalb die Hälfte der Delegation mit Jugendlichen aus 32 Ländern besetzt!
„Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, haben Einfluss auf die Zukunft junger Menschen. Wir Jugendlichen sind diejenigen, die damit später leben müssen.“
Zum besseren Verständnis darüber, wie Women Deliver aufgebaut war: Der Großteil der Veranstaltungen fand im Kigali Convention Center (KCC) statt. Über mehrere Etagen gibt es dort Räume für eine ganze Anzahl verschiedener Events; die Eingangsbereiche boten Platz für einen Pausenimbiss und auf der KCC Terrace gab es unter anderem eine sogenannte „Youth Zone“ und einen „Wellbeing Space“, also Platz für junge Menschen und das Wohlergehen. Ich persönlich fand diese beiden Bereiche sehr wichtig, um den Menschen den Raum zu geben, zwischendurch „runterzukommen“, und auch einen sicheren Ort speziell für Jugendliche zu schaffen, damit wir Zeit unter uns haben konnten.
„Diese Konferenz hat mir unglaublich viel Energie und Sicherheit gegeben!“
In diesem Rahmen konnte auch ich durchstarten: Von 7 Uhr morgens bis 9 Uhr abends gab es die Möglichkeit, verschiedene Podiumsdiskussionen anzuhören, interaktive Events mitzugestalten oder sich in kreativen Veranstaltungen zu entfalten sowie andere Leute und Ideen besser kennenzulernen.
Los ging es mit einer „Pre-Youth-Conference“, wo wir viele tolle junge aktivistische Sprecher:innen und „Women Deliver Alumni Young Delegates“ gehört haben, also Teilnehmer:innen aus früheren Jahren, die uns 2023 mit ihrer Erfahrung zur Seite standen. Auch die Präsidentin und CEO von Women Deliver, Dr. Maliha Khan, hat dort gesprochen. Außerdem haben wir uns gleich mit Menschen vernetzt. Diese Konferenz hat mir schon unglaublich viel Energie und Sicherheit gegeben!
Danach ging es weiter mit der prominent besetzten Eröffnungszeremonie, und im Anschluss folgte die „Culture Night“ – die Nacht der Kulturen –, um sich ein bisschen auf der Konferenz und im Gastland Ruanda einzufinden.
Dann ging es richtig los – mit dem von Plan International organisierten Event „Creating Space: From Youth to Youth“, welches ich mit vier anderen Jugendlichen führen durfte. Zusammen mit Kadijatu aus Sierra Leone, Rana aus dem Libanon, Signe aus Dänemark sowie virtuell dazugeschaltet Lujain aus Jordanien hatten wir großartige Diskussionen über Themen, die in unseren jeweiligen Herkunftsländern wichtig sind. Ich habe zum Beispiel über Umweltaktivismus in Deutschland gesprochen und von anderen Menschen gehört, wie das in deren Herkunftsländern aussieht. Auch über geschlechterbasierte Gewalt im Libanon, Geschlechtergleichheit in Sierra Leone, digitale Sicherheit in Dänemark sowie den Klimawandel in Jordanien habe ich viel gelernt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit Dr. Fatoumata Haidara, Sahel Director bei Plan International, für ihre ermutigenden Worte danken. Ich bin sehr gestärkt aus diesem Event gegangen.
Auch bei all den anderen Events habe ich noch mehr gelernt – unter anderem, wie weit Geschlechtergerechtigkeit geht und in wie vielen Dimensionen sie stattfindet. Mädchen dürfen vielerorts nicht zur Schule gehen, sie lernen nicht einmal, dass sie eigentlich ein Recht dazu haben und auch nicht, dass sie eigentlich eine Wahl haben und ihr Leben selbst gestalten könnten. Sie werden verheiratet, bekommen viel zu früh Kinder und müssen hart arbeiten.
Auch wenn Mädchen und Frauen Zugang zu Bildung haben und ihr Leben vermeintlich selbst gestalten, gibt es so viele Lebensbereiche, die sie diskriminieren und ausschließen, dass es letztendlich nie für sie möglich ist, ihr Leben wirklich selbst in die Hand zu nehmen. In keinem Land dieser Welt gibt es Geschlechtergerechtigkeit. Das heißt, dahinter steckt ein System, ein patriarchales System und das ist es, was die Weltgemeinschaft im Sinne der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) verändern muss.
„Mädchen dürfen vielerorts nicht zur Schule gehen, sie lernen nicht einmal, dass sie ein Recht dazu haben.“
Außerdem wurde mir einmal mehr die Macht von finanziellen Ressourcen bewusst. Geld bedeutet Macht und birgt Kontrollmöglichkeiten sowie ein großes Risiko für Förder- und Programmländer auch von Plan International. Es ist eine große Herausforderung, von beiden Seiten aus transparent zu arbeiten und die Bedingungen zu erfüllen, die gegenseitig für die nachhaltige Projektarbeit gestellt werden. Es braucht beispielsweise Reports von den Programmländern, dafür bedarf es wiederum der nötigen technischen Mittel. Außerdem müssen Mitarbeiter:innen aus den Programmländern einen finanziellen Rahmen zur Verfügung haben, damit sie ihre Arbeit nachhaltig und zielgerichtet gestalten können.
Women Deliver hat mir und dem Plan-Team die Möglichkeit für Austausch gegeben. Wir haben mit vielen Menschen, vor allem Jugendlichen, sprechen können und dadurch wertvolle Einblicke in andere Perspektiven bekommen. Ich kann damit in den Plan-Jugendbeirat gehen und neue Netzwerke herstellen, sodass wir mit anderen Jugendlichen zusammenarbeiten und voneinander lernen können. Plan International kann ebenfalls diese Perspektiven in seine Arbeit einfließen lassen und hat mit all den neuen Kontakten im viel Potential, die Arbeit nachhaltig und noch zielgerichteter weiterzuführen.