Es ist einer der wichtigsten Momente in Cindys Leben: die Dominikanischen Republik verbietet Kinderheirat. Miterlebt zu haben, wie ein solches Gesetzt endlich durchgesetzt wird, macht sie stolz. „Ich war bei diesem Vorschlag sehr aktiv und konnte mich bis zum Verbot durchsetzen“, erzählt sie. Doch wie kam es dazu?
Der Weltmädchentag von Plan International spielt dabei eine Schlüsselrolle: Jedes Jahr am 11. Oktober würdigt die Kinderrechtsorganisation mit dem Takeover-Programm die Stärke von Mädchen – und fördert und fordert mehr Teilhabe für sie. Mädchen und junge Frauen übernehmen Führungspositionen – in der Wirtschaft, in der Politik oder in den Medien – um sich für die Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen. Eine von ihnen war die heute 18-jährige Cindy.
2019 kommt sie das erste Mal mit Plan International in Kontakt und übernimmt im wahrsten Sinne des Wortes die Führung. „Das Plan-Team suchte an meiner Schule nach einem Mädchen, das einen Tag lang die Leitung des Bildungszentrums Liceo San José übernehmen sollte“, erklärt Cindy. „Ich wurde wegen meines Engagements und meiner positiven Einstellung empfohlen, und so bekam ich die Gelegenheit, diese Rolle zu übernehmen.“ Der Weltmädchentag ist ihr Startschuss, doch mit diesem einen Tag ist es nicht getan. „Nach dieser ersten Erfahrung wurde ich zu Workshops eingeladen, wo ich andere Mädchen kennengelernt habe“, erzählt sie weiter. Ihr Engagement ebbt nicht ab, im Gegenteil. Cindys Wille, sich einzubringen und in die Politik einzusteigen, wächst.
„Jede Errungenschaft von heute fußt auf den kleinen Schritten von gestern.“
Im darauffolgenden Jahr geht Cindy noch weiter und übernimmt das Amt von Alfredo Pacheco, des Präsidenten der dominikanischen Abgeordnetenkammer. Sie nutzt ihre Chance und präsentiert den Abgeordneten ihre Anliegen: Der fehlende Internetzugang für Kinder in abgelegenen Regionen des Landes, wodurch sie schlechtere Bildungschancen haben. Aber auch die Belästigung von Mädchen und jungen Frauen im Internet spricht Cindy an und fordert hierfür mehr Aufmerksamkeit und Handlungen vonseiten der Politiker:innen.
Während ihrer Amtsübernahme unterzeichnet Cindy die Aufnahme eines Gesetzentwurfs in die Tagesordnung. Dieses Gesetz soll Social-Networking-Unternehmen bestrafen, die Online-Belästigung von Mädchen und Jugendlichen zulassen. Ein weiteres Thema liegt Cindy am Herzen: die Abschaffung von Kinderheirat. Auch hierfür setzt sie sich schon während der eintägigen Amtsübernahme bei den Abgeordneten ein. Und ihr Engagement zeigt Früchte.
Für die junge Dominikanerin steht fest: Sie will in die Politik. Als jüngste gewählte Gemeinderätin in Uvilla in der Provinz Bahoruco arbeitet die 18-Jährige mit an Sensibilisierungskampagnen zur Verabschiedung des Gesetzes 1-21. Mit Erfolg: Kinderehen werden in der Dominikanischen Republik abgeschafft.
Cindy widmet sich in ihrem politischen Handeln den großen Themen wie Kinderehen oder Online-Belästigung aber auch den Dingen, die zunächst gar nicht so wichtig aussehen. So zum Beispiel die Farbe der Schuluniform. Das war ein weiterer wichtiger Moment in Cindys Engagement: „Ich konnte die Farbe der Schuluniform ändern, um den Mädchen den Zugang zu Bildung zu erleichtern. Die Änderung der Farbe der Schulhosen und -röcke in dunkelblau hilft, Flecken zu verbergen, die während der Periode der Mädchen entstehen.“
Die Menstruation spielt eine zentrale Rolle, wenn es um Bildungschancen geht, das weiß auch Cindy. „In vielen Fällen entscheiden sich heranwachsende Mädchen dazu, nicht zur Schule zu gehen, weil sie keinen Zugang zu Menstruations- und Hygieneartikeln haben. Die damit verbundenen Tabus machen aus dem natürlichen Vorgang der Menstruation etwas Schambehaftetes für sie. Das ist besonders problematisch, da die derzeitigen Uniformen khaki- oder beigefarben sind, was es den Mädchen schwer macht, sich wohlzufühlen, sich zu konzentrieren, zu lernen und Spaß an der Schule zu haben“, erklärt Cindy.
Tabus machen aus dem natürlichen Vorgang der Menstruation etwas Schambehaftetes.
Das größte Problem für dominikanische Mädchen ist in den Augen von Cindy allerdings ein anderes: der Machismo – und die mangelnde Bereitschaft der Gesellschaft, sich damit auseinanderzusetzen. „Manchmal führen Fehlinformationen, unser Glaube und unsere alltäglichen Verhaltensweisen dazu, dass die Gesellschaft Mädchen ausschließt oder ihnen nicht gerecht wird“, sagt sie.
Cindy will, dass sich Mädchen an Entscheidungen beteiligen dürfen, die ihr Leben betreffen. „Zum Beispiel wenn öffentliche Räume wie Parks geschaffen werden, sollten sie dazu befragt werden, wie die Parks sicherer gemacht werden können“, empfiehlt die 18-Jährige.
„Wir können nur dann eine Realität für alle erreichen, wenn auch alle mit einbezogen werden.“
Warum es wichtig ist, Räume zu haben, in denen dominikanische Mädchen und Jugendliche gehört werden? „Weil wir nur dann eine Realität für alle erreichen können, wenn auch alle mit einbezogen werden. Außerdem gibt es der Person, der zugehört wird, ein Gefühl der Zugehörigkeit. Es stärkt sie und sorgt dafür, dass sie sich in dem Raum, der geschaffen wird, wohlfühlt“, erklärt Cindy. Mit ihren klaren Worten, ihrer Fähigkeit, zu überzeugen und die Führung zu übernehmen, ist sie in ihrer Gemeinde und in der lokalen Politik zu einer prominenten Persönlichkeit geworden ist.
„Das Wichtigste für mich ist, dass meine Mitstreiter:innen mich als Vorbild, Freundin und auch als Mentorin sehen. Ich habe gelernt, dass wir eine Gemeinschaft schaffen müssen, in der sich Mädchen gegenseitig unterstützen, denn manchmal werden unsere Bedürfnisse von der Gesellschaft nicht verstanden.“
Über ihre Beziehung zu Plan International sagt sie: „Plan hatte einen großen Einfluss auf mein Leben, und ich wäre nicht die Person, die ich heute bin, wenn ich nicht irgendwann mit Plan in Berührung gekommen wäre. Ich weiß, dass jede Errungenschaft von heute viel mit den kleinen Schritten von gestern zu tun hat“, sagt sie.
Dieser Artikel wurde mit Material aus dem Plan-Büro in der Dominikanischen Republik erstellt.