Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) ist in den Massai-Gemeinschaften von Kaijado weit verbreitet. Bevor Mädchen in dieser südlichen Region Kenias verheiratet werden, müssen sie sich der Tradition folgend einer FGM bzw. Beschneidung unterziehen. „Unsere Gesellschaft ist patriarchalisch strukturiert. Die Männer treffen die letzten Entscheidungen für ihre Familien“, erklärt Lekararei, ein junger Massai-Krieger, der zu einer neuen Generation von Massai gehört, die die traditionelle und schädliche Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung ablehnt.
Unter den Massai ist der Glaube weit verbreitet, dass die Entfernung der Genitalien eines Mädchens dessen Libido mindert und dafür sorgt, dass die Frauen ihren Männern treu bleiben. Der Schaden, den diese Praxis anrichtet, zeigt sich jedoch in den übermäßigen Blutungen, unter denen die Mädchen leiden, und in den schweren medizinischen Komplikationen, die sie während der Menstruation, der Schwangerschaft, während und nach der Geburt verursachen kann.
„Als junge Krieger haben wir uns entschieden, Mädchen nicht zu beschneiden. Wir haben so viele Komplikationen als Folge von FGM gesehen. Wir haben gesehen, wie FGM das Leben eines Menschen ruinieren kann, und es ist wichtig für uns, diese Praxis aufzugeben“, sagt der junge Massai-Krieger Simonkor. „Als junge Krieger arbeiten wir gut mit den Ältesten zusammen. Ich glaube, dass wir Jugendlichen die Chance haben, FGM in unseren Gemeinden zu beenden“, ergänzt Lekararei.
„Wir haben gesehen, wie FGM das Leben eines Menschen ruinieren kann. Es ist wichtig für uns, diese Praxis aufzugeben.“
Das Programm „Yes I Do” (etwa: „Ja, ich will”) von einer Allianz aus fünf Partnern unter der Leitung von Plan International durchgeführt, um weibliche Genitalverstümmelung, Kinderheirat und Teenagerschwangerschaften in sieben Ländern Afrikas und Asiens zu bekämpfen. In Kenia wird das Programm in den Regionen Kajiado West und Kajiado Central durchgeführt, wo die Massai-Gemeinschaften hohe Raten von Teenagerschwangerschaften, Kinderheirat und Genitalverstümmelung aufweisen.
In direkter Zusammenarbeit mit den Massai-Gemeinschaften wurde im Rahmen des „Yes I Do“-Programms ein alternatives Initiationsritual für den Übergang vom Mädchen zur Frau entwickelt. Während der Großteil des traditionellen Ritus unverändert blieb, wurde ein wichtiger Teil verändert: Die Mädchen werden nicht mehr an ihren Genitalien verstümmelt.
Die ganze Gemeinde nimmt an der Zeremonie teil und treibt die Veränderung selbst voran, was sicherstellt, dass sie nachhaltig ist und auch nach dem Ende des Programms anhält. Die jungen Krieger, bekannt als „Morans“, spielen eine entscheidende Rolle bei den alternativen Zeremonien, da sie die zukünftigen Ehemänner sind und versprechen, die unbeschnittenen Mädchen zu heiraten.
„Ich bin noch nicht verheiratet, aber für mich ist klar, dass ich FGM nicht zur Bedingung für meine zukünftige Frau machen werde. Als ,Moran' bin ich ein Vorbild für andere junge Männer und muss meinen Worten Taten folgen lassen“, bekennt der junge Massai-Krieger Osotua.
Obwohl die Massai-Männer dazu neigen, alle Entscheidungen im Haushalt zu treffen, spielen die Mütter eine wichtige Rolle bei der Durchführung von FGM, da sie diesen Initiationsritus für ihre Töchter initiieren, organisieren und vorbereiten müssen. Ein wichtiger Aspekt ist daher die Aufklärung der Mütter und ihrer Töchter über die Folgen von FGM. Das Programm „Break Free!“ (etwa: ausbrechen, sich befreien) unterrichtet Mädchen und Frauen in der Region Kajiado über sexuelle und reproduktive Gesundheit und die Gleichstellung der Geschlechter.
Die junge Massai Siapai – die wie ihre Mutter vor ihr als Beschneiderin gearbeitet hat – nahm an diesem Projekt teil. Sieben Jahre lang war sie stolz auf ihre Arbeit, den Mädchen mit einer Beschneidung beim Übergang zur Frau zu helfen. Über sexuelle Gesundheit wusste Siapai bis dahin nichts – und somit auch nichts darüber, welche möglichen Konsequenzen ihr Handeln haben kann. „Ich wusste nicht, dass das, was ich tat, den Mädchen schadet. FGM war in meiner Gemeinde weit verbreitet“, so die junge Frau. In Kenia haben 21 Prozent der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren eine Form der Genitalverstümmelung erlitten, die meist von traditionellen Beschneiderinnen wie Siapai durchgeführt wird.
Im „Break Free!“-Projekt lernte Siapai in Workshops mehr über sexuelle und reproduktive Gesundheit und die Bedeutung von Bildung für Kinder, insbesondere Mädchen. Zudem wurde eine Spargruppe von zehn Frauen gegründet, die in finanziellen und unternehmerischen Fähigkeiten geschult wurden. Das macht Mut, sich neue Einkommensquellen zu erschließen, wie die Herstellung von traditionellem Perlenschmuck. „Ich bin jetzt keine Beschneiderin mehr“, sagt Siapai. Stattdessen ist sie Teil der Spargruppe: „Wir sparen Geld und vergeben Kredite, um neue Geschäfte zu gründen oder die Schulgebühren für unsere Kinder zu bezahlen.“
Die 22-jährige Tumeso konnte dank der Schulungsprogramme vor der Beschneidung bewahrt werden: „Meine Mutter hat viele Seminare und Konferenzen besucht, in denen sie über die Auswirkungen von FGM aufgeklärt wurde“, erzählt sie. „FGM hat das Leben von vielen Mädchen in Kajiado ruiniert. Viele sind an den Blutungen gestorben, andere hatten schwere Komplikationen bei der Geburt.“ Gemeinsam mit anderen Massai-Frauen setzt sich die 22-Jährige ebenfalls für die Beendigung der schädlichen Praxis ein.
Bei der neu entwickelten, alternativen Übergangszeremonie überreichen die Massai-Ältesten den Mädchen nun ein Buch und einen Stift, um sie zu ermutigen, ihre Ausbildung fortzusetzen. Mit der Entgegennahme einer von den Mädchen geschenkten Decke verpflichten sich die kulturellen Führer der Gemeinde ihrerseits, weder die Verstümmelung der Mädchen noch ihre frühe Verheiratung zu akzeptieren.
„Die Zukunft für unsere Mädchen sieht sehr gut aus“, sagt Tumeso mit einem gewissen Stolz. „In zehn Jahren wird die Massai-Gemeinschaft frei von Genitalverstümmelung sein. Unser Ziel ist klar: Wir werden nicht ruhen, bis die Praxis ein Ende hat.“
Die Geschichte wurde mit Material aus dem kenianischen Plan-Büro erstellt.