Das Land ist weit und die meiste Zeit des Jahres saftig grün. Im Norden von Bangladesch leben viele Familien vom Reisanbau, und ihre Einkommen stehen und fallen mit dem Ausgang der jährlichen Regenzeit, dem Verlauf von Wirbelstürmen oder der berüchtigten Norwester. Die unwetterartigen Hagelschauer haben schon manche Ernte zerstört.
Aus dieser Region kommt Ashfy. Der junge Mann ist auf der Suche nach alternativen Einkommensmöglichkeiten abseits der Feldarbeit – und besucht zur Orientierung ein innovatives Jugendbildungszentrum im Bezirk Nilphamari. An fünf Tagen in der Woche bietet das „Youth Learning Centre“ (YLC) jungen Menschen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren aus den umliegenden Gemeinden unter anderem Zugänge zu Computern und Internet. Vermittelt werden hier neben technischem Fachwissen auch praktische IT-Fertigkeiten. Die jungen Leute können sich ausprobieren, ihren Ideen für einen zukünftigen Job nachgehen sowie bislang unentdeckte Talente auch in anderen Berufszweigen entwickeln.
„Ich hatte nicht die Möglichkeit, mir Wissen anzueignen.“
„Ich habe mich schon immer für die Lebensmittelbranche interessiert, hatte aber nicht die Möglichkeit, mir Wissen anzueignen“, erzählt Ashfy. „Im YLC habe ich gelernt, wie man ein Unternehmen führt. Danach habe ich mich mit Unterstützung meiner Eltern von zu Hause aus selbstständig gemacht. Jetzt wächst mein Geschäft und ich erhalte Aufträge von verschiedener Seite.“
Das Jugendbildungszentrum hat seit seiner Eröffnung im April 2022 schon vielen Interessierten bei der Unternehmensgründung und Berufsfindung den Start erleichtert. Die Räumlichkeiten des YLC sind hell gestaltet und mit allen möglichen Utensilien ausgestattet – darunter Fernseher, Computer und spezielle Kreativbereiche mit Werktischen sowie Räume zum Erlernen von handwerklichen Fertigkeiten. Für diejenigen, die etwa das Schreinern oder die Metallverarbeitung erlernen wollen, steht eine eigene Werkzeuggalerie zur Verfügung.
Von den rund 1.000 jungen Menschen, die das Zentrum bisher zählte, haben viele die Schule vorzeitig abgebrochen. Sie sehen diese Einrichtung als einen Ort, an dem sie dennoch für ihre Zukunft und ein besseres Leben lernen können. „Ich komme ins YLC, um Computerkenntnisse zu bekommen, denn ich habe weder ein Smartphone noch einen Zugang zum Internet, weil ich kein Geld habe“, sagt Shoron. Bangladesch ist einer der ärmsten Staaten der Welt. Laut dem Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen rangiert das Land im Mündungsdelta des Ganges auf Platz 129 von 191.
„Ich habe weder ein Smartphone noch einen Zugang zum Internet, weil ich kein Geld habe.“
Sich ausprobieren sowie bereits vorhandene Fähigkeiten besser kennenlernen und sich dabei von Fachleuten beraten lassen – das möchte auch Bipul: „Ich hatte einige Mal- und Zeichenkenntnisse, aber ich wusste nichts über Marketing oder wie ich mein Können beruflich nutzen könnte, um etwas zu verdienen“, sagt der junge Mann, der nun traditionelle Kleidungsstücke mit selbst entworfenen Designs bedruckt und bemalt. „Das YLC hat mir geholfen, meinen eigenen Online-Kanal aufzubauen.“ Bipul vergrößert dadurch allmählich seine Kundschaft und hat bereits 20.000 bangladeschische Taka (164 Euro) mit handbemalten Punjabi-Saris verdient. „Jetzt möchte ich einen YouTube-Kanal starten, um mehr Werbung zu machen und mehr Aufträge zu bekommen.“
Batikdruck und Computerkenntnisse, Jutehandwerk und Videobearbeitung, Papierherstellung und Fotografie – Tradition und Moderne liegen im Jugendbildungszentrum dicht beieinander. Mit Unterstützung von Plan International und lokalen Partnern sollen künftig noch weitere junge Menschen in Bangladesch neue Fähigkeiten erlernen, die ihr Leben verändern und einen sozialen und wirtschaftlichen Wandel herbeiführen.
Neue Beschäftigungsmöglichkeiten in ihren Gemeinden stehen für den Wandel hin zu mehr nachhaltigen Einkommensmöglichkeiten sowie einer finanziellen Unabhängigkeit. „Ich wollte schon immer lernen, wie man einen Computer bedient. Nachdem ich mich beim YLC angemeldet habe, ist mein Traum wahr geworden“, sagt Meghla stolz. „Mir und den anderen Jugendlichen hat sich hier eine neue Tür geöffnet.“
Marc Tornow hat Bangladesch mehrfach bereist und die Geschichte vom Jugendbildungszentrum mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro erstellt.