„Ich bin das erste Mädchen in meiner Familie, das mit einem Fußball kickt“, sagt Lila und strahlt. Die 14-Jährige wurde kürzlich als beste Spielerin für ihre Talente auf dem Fußballplatz ausgezeichnet. Dabei war es für die Schülerin gar nicht einfach, einen geeigneten Ort für sich und ihre Freundinnen zum Trainieren zu finden: Die meisten Schulen und Spielfelder in ihrer Heimat, dem Bezirk Kurigram im Norden von Bangladesch, sind bei Unwettern überflutet.
„Jedes Mal, wenn die Flut kommt, wird die Schule geschlossen.“
Naturgewalten wie Stürme und Blitzeinschläge nehmen mit dem fortschreitenden Klimawandel zu und wirken sich auch auf die Infrastruktur im Heimatdorf von Lila aus. Es wird mehrmals jährlich von Überschwemmungen heimgesucht. „Jedes Mal, wenn die Flut kommt, wird die Schule geschlossen“, berichtet die junge Schülerin.
Lila ist ein cleveres Mädchen und hat sich vorgenommen, die Klassenbeste zu werden. Ihr Vater arbeitet als Schuster. Mit dem bescheidenen Einkommen, das er nach Hause bringt, ist das Leben für Lila und ihre Familie nicht einfach. Die Zugehörigkeit zu einer Hindu-Gemeinschaft inmitten einer mehrheitlich muslimisch geprägten Gesellschaft erschwert ihre Situation zusätzlich.
Die größte Herausforderung stellen für Lila und ihre Eltern jedoch die wiederholten Überschwemmungen dar. Sie beschädigten schon häufiger das Haus der Familie und hindern Lilas Vater immer wieder daran, seiner Arbeit nachzugehen – und etwas zu verdienen. „Bei der letzten Flut wurde unsere Toilette weggerissen. Ich musste die Toilette unserer Nachbarn benutzen – das gefiel denen aber gar nicht. Ich habe mich sehr unwohl gefühlt. Das ist eine echte Herausforderung für ein heranwachsendes Mädchen wie mich“, erzählt Lila.
Obwohl Lila direkt vom Klimawandel in Bangladesch betroffen ist, hatte sie bis vor Kurzem noch nie von diesem Phänomen gehört. Erst als Plan International an ihrer Schule eine diesbezügliche Task-Force – eine Arbeitsgruppe – einrichtete, erfuhr sie nach und nach mehr darüber sowie von den Risiken und Folgen für die Gemeinden in Bangladesch.
Der fehlende Zugang zu Informationen war und ist generell ein Problem für Mädchen und Frauen in dem südasiatischen Land. Bei Gemeindeversammlungen sind sie oft nicht willkommen. In der Schule werden Mädchen oft zugunsten von Jungen übersehen. Sie nehmen seltener an Diskussionen oder Gruppenaktivitäten teil, die ihnen relevantes Wissen vermitteln könnten. All diese Hürden bedeuten, dass Mädchen nur wenig über wichtige Themen wissen, die ihre Gesundheit, Bildung, Rechte und Sicherheit betreffen.
In die Schul-Arbeitsgruppe wurden zur Teilnahme gezielt Mädchen wie Lila eingeladen – mit dem Ziel, Wissenslücken zu schließen, eine geschlechtergerechte Bildung sowie ein sichereres Lernumfeld für Kinder und Jugendliche zu schaffen. „Ich weiß jetzt, wie ich mich auf Katastrophen vorbereiten sowie Risiken an meiner Schule und in meiner Gemeinde mindern kann“, sagt Lila stolz. „Ich habe an der Entwicklung eines Notfallplans für meine Schule mitgewirkt und helfe anderen Menschen in meiner Gemeinde dabei, Katastrophenschutzpläne für ihre eigenen Familien zu entwickeln.“
„Ich weiß jetzt, wie ich Risiken in meiner Gemeinde mindern kann.“
Die Einrichtung von Task-Forces an bangladeschischen Schulen ist Teil eines Projekts von Plan International. Zusammen mit einem lokalen Partner soll dadurch für mehr Sicherheit der Schulkinder im Falle von Katastrophen gesorgt werden. Gemeinden und ihre Schulen sollen insgesamt besser auf Notfälle in ihrer Nachbarschaft vorbereitet sein, und zwar integrativ und gleichberechtigt. So setzte sich Lila bald nach ihrer Aufnahme in die schulische Arbeitsgruppe dafür ein, dass der Sportplatz der Schule nicht länger als Marktplatz genutzt wird. „Das hat uns Mädchen und Jungen verunsichert.“
„Ich und die anderen Kinder können ohne Angst Sport treiben.“
Auf Initiative der Task-Force wurde dieses drängende Problem nicht nur angesprochen, die Kinder legten infolgedessen auch einen Schulentwicklungsplan vor, der den Bau einer Grenzmauer vorsah. Sie warben aktiv für diese bauliche Maßnahme, sodass Plan International die Schule schließlich bei der Umsetzung unterstützte. Jetzt können sich die Kinder über ein sicheres Lernumfeld freuen: „Ich und die anderen Kinder können ohne Angst Sport treiben“, erzählt Lila. Die 14-Jährige nimmt bei sich selbst ein gewachsenes Selbstvertrauen wahr – und das kommt ihr auch und gerade beim Fußballspielen zugute.
Marc Tornow hat Bangladesch mehrfach bereist und die Geschichte von Lila mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro aufgeschrieben.