„Wir haben seit zwei Jahren keinen Regen mehr gehabt“, sagt Landwirt Mahmood (46) besorgt und blickt sich auf seinem vertrockneten Stück Land um. „Ich habe 70.000 Rupien Schulden (ca. 840 Euro), von denen ich nicht weiß, wann und wie ich sie zurückzahlen kann. Ich habe meine Frau und vier Kinder zu ernähren und weiß nicht, wie wir überleben werden.“
35 Millionen Einwohner:innen hat der Binnenstaat Telangana – und sie hängen wie Bauer Mahmood mehrheitlich von der Landwirtschaft ab. Doch auf vielen Feldern staubt die Erde und es zeigen sich Risse. Die wiederholten Trockenperioden der letzten Jahre gefolgt von verfrühten Regenfällen haben vor allem den ländlichen Raum getroffen. In den trockensten Regionen wie dem Distrikt Vikarabad stoßen Familien inzwischen an ihre Grenzen, um noch über die Runden zu kommen. Die zunehmend unberechenbaren Wetterverhältnisse führen zu Ernteausfällen. Die Einnahmen sinken und das Überleben der Familien steht auf dem Spiel.
Angesichts seiner riesigen Bevölkerung von rund 1,4 Milliarden Menschen sowie einer ohnehin schon starken sozialen Ungleichheit und Armut zählt Indien zu den Ländern, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein werden. Laut eines Berichts des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change) sind die Auswirkungen bereits bei einem weltweiten Anstieg der Temperaturen von +1,5 Grad Celsius für gefährdete Bevölkerungsgruppen gravierend. Demnach sind sie von höheren Preisen, dem Verlust von Lebensgrundlagen und Einkommen, negativen Auswirkungen auf die Gesundheit sowie einer möglichen Vertreibung künftig unverhältnismäßig stark betroffen. Und vor allem trockene Bundesstaaten wie Telangana könnten dann diese Folgen zu spüren bekommen.
Trotz erheblicher Anstrengungen der Regierung sind die Gemeinden mit den wachsenden Herausforderungen überfordert. Ihre Probleme werden durch den anhaltenden Einsatz von Pestiziden und chemischen Düngemitteln verschärft, welche – zusätzlich zum Klimawandel – zu einer allmählichen Verschlechterung der Böden geführt hat. Hinzu kommen noch eine starke Verbreitung von Mikroplastik in Äckern sowie der sinkende Grundwasserspiegel.
Am schlimmsten trifft diese Situation die Kinder, sind sich Katstrophenschutz-Expert:innen bei Plan International Indien einig. Schulabbrüche, schlechtere Ernährung und Gesundheit, Zwangsarbeit sowie Kinderheirat sind einige der Folgen, mit denen Minderjährige – insbesondere Mädchen – konfrontiert sind. 2015 startete die Kinderrechtsorganisation in Zusammenarbeit mit internationalen und lokalen Partnern daher ein Klimaschutzprogramm in entlegenen Gebieten von Telangana. Ein Projekt, das über das bloße Pflanzen von Bäumen hinausgeht und den Gemeinschaften die Möglichkeit gibt, ihre Umwelt, Grundrechte und Lebensgrundlagen zu schützen.
„Da Mädchen am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, wurde das Projekt speziell auf sie zugeschnitten.“
Das Projekt „Klimafreundliche Schulen in umweltsensiblen Gemeinden“ wurde an 40 Orten im Distrikt Vikarabad ins Leben gerufen – mit einem Schwerpunkt auf die am stärksten marginalisierten und ausgegrenzten Gemeinden. Ziel des Vorhabens ist es, Modellschulen zu schaffen, in denen Kinder etwas über ihre Umwelt lernen und erfahren, wie sie sich für mehr Klimaschutz engagieren können. Die Gemeinden sollen so widerstandsfähiger gemacht werden und die Menschen für ihre Rechte eintreten können.
Der Ansatz sieht Kinder als die künftige Generation von Führungskräften, die sich den extremen Herausforderungen des Klimawandels stellen muss. Mit speziell konzipierten Gruppendiskussionen und Kreativ-Workshops vermittelt das Projekt den Mädchen und Jungen ein Verständnis dafür, was der Klimawandel für ihre Gemeinden bedeutet und was sie tun können, um sein Fortschreiten aufzuhalten.
„Da Mädchen am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, wurde das Projekt speziell auf sie zugeschnitten“, sagt Projektkoordinator Abhilash. „Wenn es den Familien an Einkommen mangelt, sind es die Mädchen, die am ehesten von der Schule genommen werden, weil die Eltern Schwierigkeiten haben, die Schulgebühren zu bezahlen. Mädchen werden auch am ehesten zur Arbeit gezwungen, um das Familieneinkommen aufzubessern, oder von den Eltern verheiratet, um die finanzielle Belastung für die Ernährung aller Familienmitglieder zu verringern.“
Das Projekt stellt Mädchen in den Mittelpunkt der Klimaschutzmaßnahmen. In den beteiligten Kinder- und Jugendgruppen wurden sie für die Gründung von Öko-Clubs mobilisiert. Mädchen und Jungen lernen dort die Auswirkungen von Klimawandel und Umweltzerstörung kennen, diskutieren darüber, wie sie selbst aktiv werden und ihre Familien und Gemeinden bei der Rettung ihres Lebensraums unterstützen können. Dazu gehört Wissen über die globale Erderwärmung, erneuerbare Energien, effektive Abfallentsorgung und ressourcenschonende Landwirtschaft, was sie zu „Öko-Champions“ macht. Etwa 1.200 Kinder sind aktiv beteiligt, mehr als 5.000 Kinder wurden über die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel informiert.
Ambica ist seit zwei Jahren aktives Mitglied des Öko-Clubs an ihrer Schule. Die Zwölfjährige bezeichnet sich selbst als Umwelt-Verteidigerin, die gegen den übermäßigen Einsatz von Plastik kämpft. „Die Menschen verbrennen ihren Plastikmüll, wodurch giftige Dämpfe in die Luft gelangen. Die Verwendung von Plastik ist hier so weit verbreitet, dass es den Boden und die Wasserquellen verseucht hat. Plastik ist in unsere Nahrungskette gelangt und verursacht Krankheiten bei Menschen und Tieren. Ich möchte dem ein Ende setzen und führe eine Kampagne dagegen“, sagt sie überzeugt.
„Die Menschen verbrennen ihren Plastikmüll, wodurch giftige Dämpfe in die Umwelt gelangen.“
Ein Bestandteil des Projekts sind Jugendforen und Ausschüsse für Umweltschutz, die die Kinderrechte sowie Umweltbildung stärken. Kinder und Jugendliche sollen in die Lage versetzt werden, gemeinsam mit Erwachsenen und lokalen Beamt:innen Umweltschutzmaßnahmen in ihrem Lebensumfeld zu ergreifen und umzusetzen. Denn die Beteiligung der Gemeinschaft ist für den Erfolg nachhaltiger Klimaschutzmaßnahmen wichtig.
Noorjehan ist eine dieser leidenschaftlichen Aktivist:innen, um den Klimawandel in ihrem Lebensumfeld zu bekämpfen. Die 16-Jährige sagt: „Der Klimawandel ist real, und er vollzieht sich vor unseren Augen. Wir müssen weiterdenken, um zu überleben.“
„Es gibt einfach zu viel Umweltverschmutzung in meiner Stadt, und ich möchte das beenden“, ergänzt die 14-jährige Vishnupriya. „Meine Freundinnen aus dem Öko-Club und ich haben Kundgebungen durchgeführt, mit den Ältesten der Gemeinde über die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltverschmutzung gesprochen. Der Klimawandel betrifft jeden.
„Es gibt einfach zu viel Umweltverschmutzung in meiner Stadt, und ich möchte das beenden.“
Karuna Ajay Prasad, Präsidentin eines Rates von 36 Dörfern, stimmt zu, dass ein gemeinsames Vorgehen notwendig ist. „Angesichts der Trockenheit und des sinkenden Grundwasserspiegels raten wir den Landwirtinnen und Landwirten, ihre Anbaumethoden anzupassen und auf weniger wasserintensive Kulturen umzustellen.“ Prasad ist auch eine starke Befürworterin einheimischer Anbaumethoden, die im Rahmen des Projekts wiederbelebt werden. Damit soll der fortschreitenden Erosion entgegengewirkt sowie der übermäßige Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden reduziert werden.
Im Rahmen des Projekts erhalten die Bauern nun wieder einheimisches Saatgut, das von Natur aus widerstandsfähiger ist und sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Mit Unterstützung von Fachleuten wurde eine innovative Methode zur Lagerung von Saatgut entwickelt, bei der die Samen in Kugeln aus Kuhmist eingebettet werden. Die Kugeln werden in der Sonne getrocknet und erst vor der Regenzeit auf die Felder gebracht. Wenn der Regen fällt, nimmt der Kuhdung die Feuchtigkeit auf und lässt die Samen im Inneren keimen. Außerdem liefert er wichtige Nährstoffe. Die Methode ist populär geworden.
„Anfangs habe ich nur in einem Teil meines Betriebs den ökologischen Landbau eingeführt, weil ich mir nicht sicher war. Die erste Ernte war tatsächlich schlecht und ich enttäuscht“, sagt Landwirt Ramesh (28). „Aber dank der Unterstützung aus dem Öko-Bildungsprojekt setzte ich weiter organischen Dünger ein, um den verseuchten Boden wiederzubeleben. Im zweiten Jahr änderte sich die Situation völlig und ich konnte eine sehr gute Ernte einfahren, auch die Qualität war besser. Ich stelle jetzt vollständig auf ökologischen Landbau um, erziele einfach bessere Erträge und muss keine teuren und schädlichen Chemikalien mehr kaufen.“
„Ich stelle jetzt vollständig auf ökologischen Landbau um, erziele einfach bessere Erträge.“