Traifon, 19 Jahre alt, wuchs in Tansania in einer Umgebung auf, in der Männer als dominant und stets im Recht galten. Er erinnert sich daran, wie sein Vater ihm immer wieder sagte: „Du bist das Oberhaupt der Familie. Du solltest niemals im Haushalt oder auf dem Feld arbeiten – das ist Frauensache. Deine Aufgabe ist es, anzuführen – nicht mehr und nicht weniger.“
Traifons jüngere Schwester Ester, damals 14, übernahm sämtliche Hausarbeiten. Sie wusch ab, putzte das Haus, holte Wasser und fegte den Hof – und kam dadurch fast täglich zu spät zur Schule.
Lob vom Vater erhielt jedoch Traifon, und zwar dafür, die Familie „gut zu führen“. Mitleid mit seiner Schwester empfand der große Bruder nicht – für ihn war das einfach der Lauf der Dinge. Doch seine Einstellung begann sich zu ändern, als er der „Champions of Change“-Gruppe beitrat, die im Rahmen des KAGIS-Projekts von Plan International ins Leben gerufen wurde. Dieses Programm fördert Gleichberechtigung und ermutigt Jungen, schädliche und traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit zu hinterfragen, die Diskriminierung und Ungleichheit aufrechterhalten.
Anfangs war Traifon skeptisch. Die Ideen der Gruppe standen im Widerspruch zu allem, was er von seinem Vater gelernt hatte. „Ich war verwirrt und fragte mich, ob meine Mitgliedschaft in der Gruppe einen Verrat an meinem Vater und meiner Gemeinde bedeuten würde“, erzählt er.
Doch die Gruppenleiter:innen ermutigten ihn, offen zu bleiben, und erklärten, dass ein Mann auch durch Hilfe und Fürsorge Stärke zeigen kann. Aus Neugier und dem Wunsch, mehr zu verstehen, entschied sich Traifon, in der Gruppe zu bleiben.
Nach und nach begann Traifon, sein eigenes Leben und die Ungerechtigkeiten gegenüber seiner Schwester zu reflektieren. Er erkannte, wie sehr Ester unter der körperlichen und emotionalen Belastung litt. Zum ersten Mal merkte er, wie erschöpft und bedrückt sie war. Auch die Geschichten anderer Jungen und die Diskussionen über Gleichberechtigung veränderten etwas in ihm. Traifon begriff, dass wahre Führung nicht darin besteht, Befehle zu erteilen, sondern vielmehr darin, Respekt und Fürsorge für andere zu zeigen.
„Im Haushalt mitzuhelfen macht dich nicht weniger zu einem Mann – es macht dich zu einem besseren Menschen.“
Also beschloss er zu handeln: Er organisierte Treffen mit anderen Jungen aus seiner Gemeinde, um über Gleichberechtigung zu sprechen – an Straßenecken und auf Fußballplätzen, wo sie oft Zeit verbringen. In diesen lockeren Gesprächen redete er darüber, traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit zu hinterfragen. „Wenn ich mich ändern kann, könnt ihr es auch“, sagt er ihnen. „Im Haushalt mitzuhelfen macht dich nicht weniger zu einem Mann – es macht dich zu einem besseren Menschen.“
Heute hilft Traifon seiner Schwester ohne Angst vor der Meinung anderer. Er wäscht ab, putzt das Haus und kocht zusammen mit Ester. Auch sein Vater, der früher stark an traditionellen Geschlechterrollen festhielt, öffnet sich allmählich und zeigt Interesse am Engagement seines Sohnes. Er beobachtet, wie dieser im Haushalt hilft, ohne Einwände zu erheben. Obwohl die Veränderung nur schrittweise erfolgt, ist Traifon optimistisch.
„Traifon ist nicht mehr nur mein Bruder, sondern auch mein Freund.“
Ester ist von der Wandlung ihres Bruders beeindruckt: „Früher fühlte ich mich so einsam, als müsste ich alles alleine schaffen. Jetzt, da mein Bruder hilft – und sogar mein Vater sich ändert – ist alles anders. Traifon ist nicht mehr nur mein Bruder, sondern auch mein Freund. Unser Vater, der noch nie Geschirr gespült hat, akzeptiert es jetzt, wenn Traifon spült. Das hat unsere Familie enger zusammengebracht.“
Das KAGIS-Projekt hat bereits 199 „Champions of Change“-Klubs gegründet, die Jungen wie Traifon darin bestärken, traditionelle Rollenbilder zu hinterfragen. Die Initiative zeigt, wie wichtig es ist, Jungen und Männer aktiv in die Gleichberechtigung einzubeziehen. Denn so ist Veränderung möglich – selbst in Gemeinden, die an schädlichen Traditionen festhalten. Traifons Engagement inspiriert nicht nur seine Familie, sondern auch seine gesamte Gemeinde. Seine Geschichte beweist, dass Veränderung möglich ist, wenn wir mutig genug sind, Traditionen zu hinterfragen.
*Die Geschichte von Traifon und Ester wurde mit Material aus dem tansanischen Plan-Büro aufgeschrieben.