„Selamat siang – guten Tag“, begrüßt Shagiar seine Freunde herzlich als sie im Gemeindezentrum in West-Lombok zu ihrem heutigen Treffen zusammenkommen. Sie alle sind Mitglieder eines Kinderschutzkomitees in ihrem Dorf, das sich um soziale Probleme der Gemeinde kümmert – insbesondere um Fragen im Zusammenhang mit den Rechten der Kinder, wie etwa zum Thema frühe Heirat.
„Leider erleben viele Mädchen nach der Heirat häusliche Gewalt.“
Shagiar leitet das Komitee und erklärt, dass die Anzahl der Kinderheiraten in ihrem Dorf noch relativ hoch sei und die Gruppe diese Rate senken möchte. „Heiratsfälle und Schulabbrüche kommen jedes Jahr vor“, sagt der 19-Jährige. „Leider erleben viele Mädchen nach der Heirat häusliche Gewalt, bis ihre Ehe mit einer Scheidung endet.“
In Indonesien werden 16 Prozent der Mädchen vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet, wobei die Quote in ländlichen Gebieten tendenziell höher ist. Mädchen, die früh heiraten, sind einem erhöhten Risiko von Gewalt durch ihre Partner und deren Familien ausgesetzt. Je größer der Altersunterschied zwischen Mädchen und ihren Ehemännern ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie Gewalt erfahren.
„Wir helfen Kindern, frei von Gewalt aufzuwachsen.“
„Unsere Aktivitäten konzentrieren sich auf den Schutz von Kindern. Wir helfen ihnen, frei von jeglicher Form von Gewalt aufzuwachsen und alle ihre Rechte wahrzunehmen“, erläutert Shagiar. Über ein Kinder- und Jugendschutzprojekt von Plan International lernte er die Kinderrechte kennen und übernahm kurz vor der Corona-Pandemie die ehrenamtliche Leitung der Gruppe in seiner Gemeinde. Die Aktivitäten des Komitees gliedern sich in die drei Bereiche Prävention, Fallmanagement und Interessenvertretung.
Zu den Präventionsaktivitäten gehören Diskussionen in der Gemeinde und die Sensibilisierung für die schädlichen Folgen von Kinderheirat. „Wir führen Kampagnen durch, um auf die Bedeutung der Kinderrechte hinzuweisen“, sagt Shagiar, der Wirtschaftswissenschaften studiert. Wann immer ein Problem mit Frühverheiratung oder Gewalt in der Gemeinde gemeldet wird, ist sein Ausschuss bereit, darauf zu reagieren.
Allerdings stoßen die Jugendlichen dabei auch auf Herausforderungen und den Widerstand der Familien, wenn die Komiteemitglieder versuchen, eine Kinderheirat zu verhindern – obwohl letztere ungesetzlich ist. „Die Eltern wollen in der Regel nicht, dass sich Außenstehende in Familienangelegenheiten einmischen. Sie versuchen, uns so gut sie können fernzuhalten“, sagt Shagiar.
„Mädchen, die früh heiraten und Mutter werden, haben ein höheres Risiko für Gesundheitsprobleme.“
„Fälle von Kinderheirat kommen hier schon seit langem vor, sodass diese Praxis von der Gemeinschaft als normal angesehen wird“, sagt Shagiar. „Wir verwenden eine Datenbank, um Fälle von Kinderheirat in unserer Gemeinde zu erfassen und Berichte darüber an den Dorfrat weiterzuleiten, damit dieser die Situation überwachen und bewerten kann.“
Komiteemitglied Irpan (22) zeigt sich besorgt über die Folgen der Frühverheiratung – für die Kinder, ihre Zukunft und die Gemeinschaft selbst, die seiner Meinung nach durch diese traditionelle Praxis behindert werde: „Es gibt viele Beispiele dafür, wie sich die Heirat unter Kindern negativ auf ihre Zukunft auswirkt. Kinderehe ist eine der Hauptursachen für viele soziale Probleme in unserer Gesellschaft, beispielsweise die Armut. Auch die Denkweise von Minderjährigen ist unreif. Und Mädchen, die früh Mutter werden, haben ein höheres Risiko für Gesundheitsprobleme.“
Die 20-jährige Umi, die ebenfalls in dem Komitee aktiv ist, ergänzt, dass die Praxis der Kinderheirat in der Gemeinschaft so tief verwurzelt ist, dass es manchmal schwer ist, die Eltern davon zu überzeugen, ihre Töchter nicht früh zu verheiraten: „In Lombok gilt es als normal, jung zu heiraten“, sagt sie und merkt an, dass sie selbst bis zu ihrer Teilnahme an dem Projekt dachte, Kinderheirat sei ein akzeptabler Teil des Lebens.
„Ich möchte, dass die Kinder hier eine gute Ausbildung erhalten.“
Irpan, der Landwirtschaft studiert, sagt, er wolle sich weiter für Veränderungen in seinem Dorf einsetzen: „Ich engagiere mich, weil mir meine Gemeinde am Herzen liegt. Ich bin über dieses Phänomen besorgt und finde es traurig, dass Kinder verheiratet werden. Als junger Mensch möchte ich, dass die Kinder hier eine gute Ausbildung erhalten, denn wir brauchen gute Arbeitskräfte, damit sich das Dorf weiterentwickelt.“
Marc Tornow hat Südostasien-Wissenschaften studiert, Indonesien bereist und diese Geschichte mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro aufgeschrieben.