Früh morgens um sechs, wenn die Dämmerung bereits in goldenes Licht umgeschlägt, der Tag aber noch nicht zu heiß ist, erreichen Behave und Khadijah die Gebäude einer Grundschule in Kilifi. Der Bezirk liegt an der Küste des Indischen Ozeans nördlich der Hafenstadt Mombasa und zählt zu den Regionen in Ostafrika, die wegen der anhaltenden Dürre von einer Nahrungs- und Ernährungskrise betroffen sind.
Während die beiden Frauen über den letzten Tratsch im Dorf ins Plaudern kommen, beginnen sie mit ihrer Arbeit: Sie tragen Feuerholz im Küchenlager zusammen, waschen die großen Metalltöpfe und bereiten sie für die Schulspeisung vor. Rund 600 Schulkinder erwarten die Frauen später unter der glühenden Mittagssonne für die Schulspeisung. Mädchen und Jungen, die dann laut tobend und hungrig nach einer Mahlzeit anstehen werden.
Einige der riesigen Töpfe erinnern regelrecht an Kessel, und bis die gewaltigen Mengen Wasser, die sie fassen, zum Kochen gebracht sind, vergeht eine Weile. „In dieser Zeit bereiten wir die Zutaten vor und bringen schließlich alles zum Kochen“, erklärt Khadijah, die hier seit drei Jahren als „Lunch Lady“ – also als „Essensfrau“ – arbeitet. Damals war sie eine der ersten Mütter, eine Art Pionierin, die freiwillig für die Schulkinder aus der Nachbarschaft gekocht hat. Die Zutaten und andere notwendige Utensilien für die Schulspeisungen werden von Plan International finanziert. Nur die Zubereitung der Mahlzeiten übernehmen die Gemeindemitglieder selbst. „Ich wasche den Mais und schüre das Feuer an. Sobald alles köchelt, gebe ich Bohnen dazu. Das ist so gegen neun Uhr, und um elf Uhr ist dann alles fertig.“
Während sich allmählich der Duft des frisch zubereiteten Eintopfs auf dem Schulhof verbreitet, hat Anna einen ganz ähnlichen Tagesablauf hinter sich. Nur wenige Kilometer entfernt, in der Küche einer anderen Grundschule, arbeitet auch diese Mutter mittags als Aushilfsköchin mit und sorgt so dafür, dass dort ebenfalls etwa 500 hungrige Grundschulkinder mittags bekocht werden. Die Frauen aus dem Südosten Kenias zählen alle zu den „Lunch Ladies“, die das ganze Schuljahr über während der Unterrichtszeit aktiv dabei mitwirken, dass ihre Kinder – und Hunderte andere – wenigstens einmal am Tag ein warmes Essen bekommen.
Überall am Horn von Afrika herrscht eine verheerende Hungerkrise. Wie hier in Kenia sehen sich die Gemeinden in Äthiopien und Somalia inzwischen das sechste Jahr in Folge mit ausbleibenden Regenfällen konfrontiert. 22 Millionen Menschen leben daher insgesamt mit einer akuten Ernährungsunsicherheit und 5,1 Millionen Kinder sogar mit akuter Unterernährung. Die Dürre hat wiederholte Missernten verursacht und die angespannte Versorgungslage in den Ländern der Region immer weiter verschärft.
„Die Dürre hat alle getroffen und selbst die Eltern würden gerne mittags hierherkommen.“
Die „Lunch Ladies“ verbinden mit ihrem Einsatz weit mehr als eine warme Mahlzeit für ihre Töchter und Söhne. Es geht um bessere Bildungschancen vor allem für die Kinder aus besonders armen Familien. Denn trotz des akuten Hungers, der Armut und Not vieler Menschen, gehen die Kinder zur Schule, weil dort für sie eine nahrhafte Mahlzeit garantiert ist. „Hier gibt es einen Baum, an dem wilde Früchte hingen, die die Kinder früher in der Mittagspause gegessen haben. Sie gingen mittags nie nach Hause, weil sie wussten, dass sie dort nichts finden würden“, erinnert sich Khadijah. „Die Dürre hat alle getroffen und selbst die Eltern würden gerne mittags hierherkommen, wenn es genug gäbe.“
Seit zwei Jahren schon fördert Plan International Maßnahmen für die Mittagessen. Die Kinderrechtsorganisation stellt sicher, dass die Mädchen und Jungen in der Schule bleiben und dadurch auch vor Risiken wie Kinderheirat und -arbeit geschützt sind. „Die Eltern haben wirklich zu kämpfen“, sagt Winfred Mukonza, Programmmanagerin von Plan International Kenia. „Sie kämpfen darum, ihre Kinder zu ernähren, sie in der Schule zu halten und die Grundbedürfnisse für ihre Familien zu erfüllen. Trotzdem ,verlieren‘ wir jetzt Mädchen und Jungen; sie müssen verstärkt arbeiten, damit sie essen können. Dem wollen wir entgegenwirken und Kinder, insbesondere die Mädchen, schützen.“
„Die Frauen aus den Dörfern haben eine unglaubliche Energie und Liebe für die Schulkinder.“
„Kostenlose Schulmahlzeiten sind eines der wirksamsten Mittel, um Mädchen in der Schule zu halten“, sagt Winfred, die nur allzu genau weiß, dass ihre Arbeit ohne die freiwillige Mitarbeit der dynamischen Gruppe der „Lunch Ladies“ unmöglich wäre. „Die Frauen aus den Dörfern haben eine unglaubliche Energie und Liebe für die Schulkinder“, berichtet die Projektmanagerin. „Ihre Bereitschaft zeigt uns, dass die ganze Gemeinde dazu bereit ist, ihre Kinder in der Schule zu unterstützen. Sie kochen, stellen Wasser und Feuerholz bereit und gewährleisten so die Versorgung. Dabei bekommt keine der ,Essensfrauen‘ eine Bezahlung, nur eine kleine Aufwandsentschädigung, um sie bei ihrem Unterhalt zu unterstützen.“
Das Programm für kostenlose Schulmahlzeiten fördert Plan International aktuell an 18 Schulen im Bezirk Kilifi und versorgt damit insgesamt 10.663 Kinder regelmäßig. Vor zwei Jahren waren es noch 47 Schulen. Doch die gestiegene Inflation sowie wachsende Preissteigerung haben dazu geführt, dass nicht mehr alle Schulen in dieser Partnerregion Kenias erreicht werden können. Ein Trend, den Projektmanagerin Winfred Mukonza umzukehren hofft.
Die Geschichte der „Lunch Ladies“ von Kilifi wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Kenia aufgeschrieben.