„Leicht war es am Anfang nicht, gewiss nicht“, erzählt Rampati. „Aber allmählich werde ich sicherer.“ Die Nepalesin steht vor einer verspiegelten Wand in der Mitte eines Frisörsalons und strahlt. Für die Haar- und Bartpflege, als Friseurin arbeitet die 25-Jährige, deren Leben mit dieser Tätigkeit eine unerwartete Wendung genommen hat.
Zusammen mit ihrem Mann schuftet Rampati jahrelang als Wanderarbeiterin auf dem Bau. „Ich musste Ziegelsteine schleppen, mindestens 25 Stück auf einmal“, erinnert sie sich. Sie und ihr Mann reisen regelmäßig in andere Bezirke des Landes und der Arbeit hinterher, um überhaupt ein Einkommen zu haben.
„Ich war nicht gern von meiner Familie getrennt, aber wir hatten keine andere Wahl.“
Abseits ihrer Heimatregion bleiben sie oft monatelang in gemieteten Zimmern in der Nähe der Baustellen. Erst wenn das Bauwerk fertiggestellt ist, können sie nach Hause zurückkehren oder weiterziehen. „Ich war nicht gern von meiner Familie getrennt, aber wir hatten keine andere Wahl“, sagt Rampati.
Nach wenigen Jahren als Lastenträgerin beginnt die harte körperliche Arbeit, Rampati zunehmend zu belasten. Und mit dem bescheidenen Lohn bleiben auch die Lebensumstände eine Zumutung: „Die Orte, in die wir uns eingemietet hatten, waren weder sauber noch hygienisch. Es war dort nie sicher für Frauen.“
„Die Orte waren weder sauber noch hygienisch. Es war dort nie sicher für Frauen.“
Als sich Rampatis Gesundheitszustand verschlechtert, beschließen sie und ihr Mann, in ihr Dorf im Südwesten von Nepal zurückkehren. Im Bezirk Banke kommen sie zunächst bei Rampatis Schwiegereltern unter. Doch ohne irgendein Einkommen kann die junge Frau auch keine Zukunftspläne schmieden – bis sie von einem Ausbildungsangebot von Plan International hört.
Mit finanzieller Unterstützung öffentlicher Geber erhalten junge Menschen die Chance, ein berufliches Training oder eine Ausbildung zu bekommen. Sie erhalten die Fähigkeiten, die sie brauchen, um einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden. Darüber hinaus erhalten sie eine technische und finanzielle Unterstützung, um ein eigenes Unternehmen zu gründen.
Unter den verschiedenen angebotenen Kursen entscheidet sich Rampati für eine Ausbildung als Friseurin – mit dem Ziel, anschließend einen eigenen Salon zu eröffnen. „Uns wurden viele Möglichkeiten angeboten, wie Schneiderin, Fahrzeugführerin, Kosmetikerin oder Fliesenlegerin. Ich entschied mich für eine Ausbildung als Friseurin, weil ich mich selbst und die Gemeinschaft herausfordern wollte.“
„Ich entschied mich für eine Ausbildung als Friseurin, weil ich mich selbst und die Gemeinschaft herausfordern wollte.“
Im Dorf von Rampati gibt es bislang keinen Friseurladen. Nur auf dem Markt machen Barbiere und Friseure die Haare von Männern zurecht. „Ich wollte zeigen, dass auch Frauen Männern die Haare schneiden können“, sagt die junge Nepalesin. Sie bespricht ihre Berufswahl mit ihrem Mann, der dieser Idee positiv gegenübersteht. Aber dann sind da noch ihre Schwiegereltern, die aus traditionellem Verständnis dagegen sind und Rampati bitten, besser mit Nähen, Kochen oder Kosmetik ein Einkommen zu erwirtschaften. „Aber ich hatte mich schon entschieden“, sagt sie. „Und ich ließ mich von der Meinung anderer nicht beirren.“
„An meinem ersten Ausbildungstag war ich nervös“, erinnert sich Rampati. „Aber der Ausbilder begrüßte uns herzlich und sorgte dafür, dass wir uns entspannt fühlten. In den nächsten Tagen brachte er uns die Namen und Funktionen der Friseurausrüstung bei, die wir benutzen müssen.“
Es dauert nicht lange, bis Rampati erkennt, dass das Friseurhandwerk ein lukratives Geschäft ist und bei Männern auch nicht viel Zeit in Anspruch nimmt: „Anders als bei Frauen muss ich bei den Männern nicht stundenlang stehen, um die Frisur zu vollenden. Männerfrisuren sind einfacher und schnell auszuführen.“
Anfangs stößt Rampati auf den Widerstand einiger Kunden. Einige Herren sind sich nicht sicher, ob eine Frau ihre Haare richtig schneiden und zurechtmachen kann. „Als wir im Salon des Ausbilders begannen, schaute jeder Passant zweimal hin! Es war das erste Mal, dass mein Ausbilder Frauen in der Friseurkunst für Männer schulte.“
„Es war das erste Mal, dass mein Ausbilder Frauen in der Friseurkunst für Männer schulte.“
Als Reaktion wechseln einige Kunden sogar zu anderen Friseuren. „Die männlichen Kunden kamen in den Salon und fragten nach männlichen Friseuren. Sie hatten Bedenken, dass ich ihre Haare beim Schneiden oder ihren Bart beim Rasieren verunstalten würde“, sagt Rampati und muss ein Lächeln unterdrücken.
Trotz dieser anfänglichen Schwierigkeiten entwickelt die junge Frau ihre Fähigkeiten und überzeugt mit der Zeit mehr und mehr Kunden davon, sich von ihr bedienen zu lassen. Nach Abschluss der dreimonatigen Ausbildung verfügt Rampati schließlich über fortgeschrittene Fähigkeiten für Haarschneiden und Rasieren, Gesichtsbehandlung und vieles anderes mehr.
Rampatis Ausbilder zeigt sich mit ihren Fortschritten sehr zufrieden: „In diesem Jahr habe ich drei junge Frauen mit Unterstützung von Plan International ausgebildet. Alle drei machen sich gut. Ich habe nur Rampati einen Job in meinem Salon angeboten, bis sie so weit ist, ihren eigenen Friseursalon in ihrem Dorf zu eröffnen.“
Der berufliche Erfolg macht Rampati stolz, denn schon als Kind hatte sie einen schwierigen Start ins Leben. Ihre Familie hatte sie im Alter von fünf Jahren zur Arbeit als Hausangestellte verkauft. „Ich musste die gesamte Hausarbeit erledigen. Wenn ich das nicht schaffte, wurde ich beschimpft und bekam zur Strafe nichts zu essen“, erzählt sie. „Nachdem ich zwei Jahre als Dienstmädchen gearbeitet hatte, wurde ich von einer Hilfsorganisation gerettet. Sie brachte mich nach Hause – und ich wurde endlich in der Schule eingeschrieben.“
„Ich musste die gesamte Hausarbeit erledigen. Wenn ich das nicht schaffte, bekam ich nichts zu essen.“
Doch die mangelhafte Schulausbildung zeigt bis heute ihre Spuren: „Ich kann nicht mal das kleine Einmaleins. Wenn ich Zahlen sehe, brauche ich ewig, um sie zu verstehen. Um eine effiziente Geschäftsfrau zu werden, muss ich mich aber mit meinen Ausgaben, Ersparnissen und Gewinnen auskennen“, weiß Rampati. „Allmählich werde ich aber sicherer. Während der Ausbildung kümmerte sich unser Trainer um die Zahlungen der Kunden. Jetzt muss ich das selbst erledigen – entweder bar oder online.“
Mit ihrem beruflichen Erfolg beweist Rampati unterdessen zu Hause, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. „In den Ferien nahm ich die Schere, den Rasierschaum und den Rasierer mit zu mir nach Hause. Ich schnitt meinem Großvater und meinem Schwiegervater die Haare und rasierte ihre Bärte. Ich konnte meine Familie davon überzeugen, dass ich in meiner Ausbildung nützliche Dinge lerne. Meine Schwiegermutter lud auch die Kinder aus der Nachbarschaft zu einem Haarschnitt ein.“
„In fünf Jahren können wir an ein Baby denken.“
Im neuen Jahr möchte Rampati endlich ihren eigenen Salon eröffnen, in einem belebten Stadtviertel. Und noch etwas schwebt der jungen Frau vor: „Ich möchte, dass mein Mann mit mir zusammenarbeitet. Ich werde ihm das Friseurhandwerk beibringen, und wir führen den Laden gemeinsam“, sagt sie und ergänzt: „In fünf Jahren, wenn wir 30 sind, können wir an ein Baby denken.“
Marc Tornow hat Nepal seit 1994 mehrfach bereist, dort gearbeitet und die Geschichte von Rampati mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro aufgeschrieben.