Bukarest – das ist für sie ein Kompromiss. Die rumänische Hauptstadt ist seit Mai 2022 für Viktoriia eine Notwendigkeit, ein Zufluchtsort. Die zweifache Mutter will dort in der Nähe ihrer Heimat bleiben. In der Ukraine leben ihr Mann und ihre Eltern. Gleichzeitig will sie ihre Kinder in Rumänien in Sicherheit wissen. Derzeit wohnen die drei in einer Unterkunft für ukrainische Geflüchtete, die in einer Kirche eingerichtet wurde.
Tochter Leva (2) und Sohn Nikita (14) nehmen an den Aktivitäten teil, die Plan International über seinen lokalen Partner ADRA in der Unterkunft anbietet. Auf spielerische Weise lernen die Kinder, mit dem Trauma umzugehen, das sie erlebt haben. Die rumänischen Fachleute können Kinderschutzprobleme erkennen und melden. Und auch Viktoriia kann an psychosozialen Gruppen- oder Einzelsitzungen teilnehmen. Außerdem bekommt sie Bargeldgutscheine, von denen sie etwas für ihre eigenen Kinder sowie für Kinder in der Ukraine kaufen will.
„Es war kurz nach 4 Uhr morgens, als wir von den ersten Explosionen geweckt wurden. Wir hatten keine Ahnung, was vor sich ging. Wir schlossen die Augen, und da war noch eine. Wir suchten im Internet und schalteten den Fernseher ein, aber wir konnten nirgendwo Informationen finden. Dann bekam ich eine Nachricht, was los war, und wir standen auf und packten sofort.
Ich ging, um unseren Sohn zu wecken. Unsere Tochter schlief noch. Wir riefen unsere Eltern an, um ihnen die Nachricht zu überbringen. Ich erlebe ständig Flashbacks von diesem Morgen. Mein Sohn war entsetzt. Jedes Mal, wenn meine Tochter eine Explosion hörte, zog sie sich die Decke über den Kopf und sagte: ,Geh weg, geh weg.‘ In unserer Stadt gab es nur zwei Verstecke: Das eine war den Menschen vorbehalten, die am Hafen arbeiteten. Mein Mann und ich arbeiten beide dort, aber der Wachmann wollte die Kinder nicht hineinlassen, weil er sagte, sie arbeiteten nicht am Hafen. Das war beängstigend. Wir blieben nur eine Nacht und gingen dann nicht mehr zurück.
„Mein Mann sagte mir, ich solle die Kinder nehmen und fortgehen, aber ich wollte ihn nicht zurücklassen.“
Mein Mann sagte mir jeden Tag, ich solle die Kinder nehmen und fortgehen, aber ich wollte ihn dort nicht zurücklassen. Wir blieben und versteckten uns, wo immer wir konnten, bis zum 4. März. Das war der Tag, an dem erstmals die Luftschutzsirene in der Stadt ertönte. Es kamen so viele Menschen in den Bunker, dass man nicht einmal mehr aufstehen konnte. Da habe ich mich entschlossen, zu gehen.
Ich verfolge jetzt alle Geschehnisse daheim, um zu sehen, dass es meinem Mann gut geht.
Als man mir sagte, dass ich Bargeldgutscheine persönlich überreicht bekomme, habe ich geweint, weil uns völlig fremde Menschen helfen. Ich bin mir sicher, dass die Menschen in der Ukraine auf die gleiche Weise helfen würden.
Wir haben genug zu essen, aber mit diesen Gutscheinen möchte ich Obst für die Kinder und etwas für die Menschen in der Ukraine kaufen. In der Stadt, aus der wir kommen, leben viele Menschen aus Mariupol, und Babynahrung ist drüben sehr teuer, also möchte ich etwas kaufen und es den Menschen dort schicken.
Als der Konflikt begann, fingen wir an zu sparen, denn wir wissen nicht, was der nächste Tag bringen wird. Aber der Konflikt hat mich gelehrt, nicht nur zu sparen, sondern auch zu teilen: Wenn ich etwas nicht brauche, sollte ich es teilen. Jedes Mal, wenn mein Mann einkaufen geht, kauft er eine Tüte mit Lebensmitteln für sich selbst und die gleiche Tüte für eine andere Familie, und er gibt sie an jemand anderen weiter.
Mein Sohn möchte im technischen Bereich arbeiten, wie sein Vater. Er möchte Programmierer werden. Schauen wir mal. Wir werden Frieden haben und wir werden nach Hause gehen. Alles wird gut werden, daran glauben wir.“