„Jedes Kind, das in einem Kriegsgebiet stirbt, ist ein Votum gegen die Menschlichkeit.“
Jedes Kind, das in einem Kriegsgebiet stirbt, ist ein Votum gegen die Menschlichkeit. Bilder aus der Ukraine von zerbombten Häusern, Trümmern und Raketenangriffen dominieren derzeit unsere Bildschirme. Menschen sterben, darunter auch Kinder. Laut Nachrichtenberichten war eines davon die siebenjährige Alisa, die bei einem Angriff auf ihren Kindergarten ums Leben kam. Einige nennen den Krieg in der Ukraine den Beginn eines dritten Weltkriegs, andere den Beginn eines zweiten Kalten Krieges. Ganz egal, welchen Namen dieser Konflikt bekommt, er ist falsch.
Ich arbeite für Plan International, eine Kinderrechtsorganisation, die 1937 von dem Journalisten John Langdon-Davies und dem Entwicklungshelfer Eric Muggeridge mit der Idee gegründet wurde, Kindern, deren Leben durch den Spanischen Bürgerkrieg bedroht worden war, Schutz, Nahrung, Unterkunft und Bildung zu bieten. Jetzt, mehr als acht Jahrzehnte später, während wir unsere Arbeit mit und für Kinder in Katastrophen- und Konfliktgebieten und Unterkünften für Geflüchtete fortsetzen, erinnert die Situation in der Ukraine uns daran, dass diese Arbeit relevanter ist denn je und dass Kinder unsere Hilfe brauchen.
Es gibt Schätzungen, dass der Konflikt in der Ukraine bis zu zehn Millionen Menschen in die Flucht treiben könnte. Humanitäre Helfer, die Geflüchtete an der ukrainisch-rumänischen Grenze aufnehmen, erzählen, dass sich die Zahl der Menschen, die die Grenze überqueren, in 24 Stunden verdoppelt hat. Zweifellos ist dies der Beginn einer langen Leidensgeschichte.
Kinder, die aus ihren Häusern fliehen müssen, sind oft Hunderte von Kilometern unterwegs, immer in der Angst vor Schüssen und Raketenangriffen. Viele sind von ihren Familien, Freunden und Haustieren getrennt. Ich habe Kinder gesehen, die krank, dehydriert, unterernährt und traumatisiert in Camps für Geflüchtete ankamen. Mädchen in Kriegs- und Konfliktsituationen müssen zudem immer auf der Hut vor geschlechtsspezifischer Gewalt sein.
„Psychologische Erste Hilfe und psychosoziale Unterstützung sind deshalb vom ersten Tag an von entscheidender Bedeutung in der Nothilfe.“
Eine der wichtigsten Lektionen, die ich in solchen Umgebungen gelernt habe, ist, dass Kinder ein guter Ausgangspunkt sind, um humanitäre Hilfe zu leisten. Wenn Sie eine Krise durch die Augen eines Kindes sehen, finden Sie Klarheit und setzen Ihre Prioritäten richtig. Kinder sollten in humanitären Krisensituationen immer an erster Stelle stehen. Mädchen, Kinder mit Behinderungen oder Kinder, die ein Trauma erlitten haben, sollten sogar ganz oben auf dieser Liste stehen.
Manches Leiden ist unsichtbar, wie zum Beispiel die emotionalen Auswirkungen und Traumata infolge eines bewaffneten Konflikts. Kinder, die Kriege überleben, bekommen häufig wiederkehrende Flashbacks. Mädchen, die sexuelle Gewalt oder Vergewaltigung erlitten haben – in manchen Kriegskontexten bewusst als „Waffen“ eingesetzt – haben Albträume, die sie nachts wachhalten. Solches Leiden dauert oft ein Leben lang. Psychologische Erste Hilfe und psychosoziale Unterstützung sind deshalb vom ersten Tag an von entscheidender Bedeutung in der Nothilfe.
Viele fragen sich derzeit mit Blick auf die Ukraine: Was müssen wir tun, um mit den Menschen in diesem Krisengebiet solidarisch zu sein? In solchen Situationen sind drei Maßnahmen erforderlich: den bewaffneten Konflikt beenden und die Todesfälle stoppen, menschliches Leid und humanitäre Bedürfnisse angehen und den ungehinderten Zugang für Hilfsgüter und humanitäre Helfer sicherstellen. Darüber hinaus brauchen wir diplomatische Lösungen, um einen dauerhaften Frieden zu schaffen.
Die Szenen des menschlichen Leids, die sich derzeit in der Ukraine abspielen, sollten uns daran erinnern, dass es nie einen schlechten Zeitpunkt gibt, um über Frieden zu sprechen und darüber, wie man dem Frieden – und unseren Kindern – eine Chance geben kann