Per Lastwagen in die Freiheit

Foto: Omar Sabry

Nach Ausbruch des Sudan-Konflikts sind rund 320.000 Menschen allein ins Nachbarland Südsudan geflohen. Was haben sie erlebt? Welche Hoffnungen haben die Kinder? Stimmen aus den Notunterkünften.

Auf der Flucht vor den Kämpfen in Sudan hat sich die Stadt Renk zu einem wichtigen Anlaufpunkt entwickelt. Hinter der Grenze im Nachbarland Südsudan fühlen sich viele Menschen aus Sudan sicherer. Die meisten Neuankömmlinge erreichen die Siedlung in offenen Lastwagen, überladenen Taxis oder Bussen.

Ein Schutzzentrum in Renk, das sich in einem ummauerten, heruntergekommenen Gebäude am Rande der Stadt befindet, fungierte ursprünglich als vorübergehende Unterkunft für Menschen. Der Mangel an Transportmitteln, die große Armut und wiederkehrende Überschwemmungen entlang des Nil haben jedoch dazu geführt, dass provisorische Siedlungen in der Stadt wachsen und viele Menschen dort Wochen oder sogar Monate verbringen müssen.

Ein Aufenthalt im Camp von Renk ist herausfordernd und insbesondere für Mädchen und Jungen belastend, da die Menschen nur begrenzten Zugang zu Nahrung, Wasser, Unterkunft, sanitären Einrichtungen und einer medizinischen Versorgung haben. Fachkräfte für humanitäre Hilfe von Plan International sind in Renk aktiv. Sie haben mit einigen der geflüchteten Menschen aus Sudan gesprochen – und geben fünf Kindern eine Stimme:

Luftaufnahe des Nil
In der Regenzeit kommt es entlang des Nil immer wieder zu Überschwemmungen Enock Chinyenze
Zwei Nothelfer von Plan International
Im Transitzentrum von Renk sind Fachleute für humanitäre Hilfe von Plan International aktiv Omar Sabry
Ein kleiner Junge schaut traurig
Mohk (11) floh aus der sudanesischen Hauptstadt Khartum Omar Sabry

Mohk (11) möchte wieder lernen und Arzt werden

„Ich kam im April mit meiner Mutter, zwei Schwestern und vier Brüdern hierher. Ich war in der 5. Klasse der Schule. Wir mussten Khartum wegen des Krieges verlassen. Zu Hause hörten wir die Bombeneinschläge und Gewehre, wir konnten das Haus nicht verlassen. Eine Kugel ging durch unser Haus. Ich konnte nicht einmal in die Schule gehen, um meine Zeugnisse abzuholen. Während der Kämpfe blieben wir noch zwei Wochen in Khartum, bevor wir abreisten.

„Zu Hause hörten wir die Bombeneinschläge und Gewehre. Eine Kugel ging durch unser Haus.“

Mohk (11), junger Flüchtling aus Sudan

Wir mieteten ein Auto. Für die Fahrt nach Renk brauchten wir zwölf Tage. Wir konnten nur unsere Kleidung mitnehmen. Unterwegs hatte ich das Gefühl, dass uns einige Leute von der Miliz folgten.

Im Transitzentrum wohne ich mit meiner Familie in einem kleinen Zelt. Ich esse gern Fladenbrot, aber an manchen Tagen bekomme ich gar nichts zu essen. Manchmal schmeckt das Wasser hier salzig.

Ich möchte mit meiner Familie nach Uganda gehen. Ich möchte dort studieren, um Arzt zu werden, damit ich Kranke behandeln und Häuser für Waisen bauen kann. Ich möchte auch ein gutes Haus für meine Mutter und meinen Vater bauen, damit sie sich ausruhen können.“

Ein Junge steht bereit
Mohk (11) hofft auf eine Zukunft im benachbarten Uganda Omar Sabry
Ein Mädchen steht in einem Zelt
Gisma (16) und ihre Familie sind auf der Flucht auf humanitäre Hilfe angewiesen Omar Sabry

Gisma (16) möchte Ingenieurin werden

„Ich bin im Mai in Renk angekommen. Bevor der Krieg begann, lebte ich mit meinen Eltern in Khartum und besuchte die Schule in der 8. Klasse. Als der Krieg begann, hörte die Schule sofort auf. Die Kinder flohen durch die Fenster. Einer der Lehrer brachte uns in seinem Auto nach Hause.

Wir hatten kein Geld für Essen oder den Transport aus Khartum, also nahm uns unser Vermieter in seinem Auto ein Stück mit. Danach fuhren wir in einem anderen Auto zur Grenze weiter, wo das Auto eine Panne hatte. Also gingen wir zu Fuß weiter, bis wir ein Lager für Vertriebene erreichten. Wir kannten dort jemanden, der uns etwas Geld für Lebensmittel gab.

„Die Milizen schlugen die Menschen und versuchten, Informationen zu bekommen.“

Gisma (16), aus der sudanesischen Hauptstadt Khartum nach Südsudan geflohen

Wir verließen Sudan mit nichts außer unserer Kleidung, wir mussten alles zurücklassen. Unser Haus in Khartum wurde durch die Kämpfe zerstört.

Wir sahen Menschen, die tot auf der Straße lagen. Man konnte ihre Leichen sehen. Die Milizen schlugen die Menschen auf der Straße und versuchten, Informationen aus ihnen herauszubekommen. Sie fingen an, die Männer zu schlagen und erpressten Geld.

Wir liefen zwei Tage, um nach Südsudan und Renk zu gelangen. Wenn wir hier wieder weggehen, möchte ich wieder zur Schule gehen, damit ich später einmal Ingenieurin werden kann.“

Menschen laufen über Sand
Im Transitlager in Südsudan sind die Menschen vor dem Krieg in Sudan sicher, das Leben dort ist aber entbehrungsreich Omar Sabry
Ein schlanker junger Mann
Der 17-jährige Munzir erlebte Schreckliches auf der Flucht von Sudan nach Südsudan Omar Sabry

Munzir (17) wurde ausgeraubt und will nach Europa kommen

„Ich war im zweiten Jahr der Sekundarschule, aber als der Krieg im April begann, wurde die Schule sofort eingestellt, und wir mussten die ganze Zeit im Haus bleiben. Ich hatte Angst. Ich hörte jeden Tag den Lärm schwerer Waffen und die Schreie der Menschen.

Bevor der Krieg im Sudan begann, lebte ich in Al-Fashir in Darfur. Als der Krieg ausbrach, lebte ich mit meinem Vater, meiner Mutter, drei Schwestern und zwei Brüdern zusammen. Um Al-Fashir zu entkommen, mussten wir 540.000 sudanesische Pfund (knapp 840 Euro) bezahlen, um nach Renk zu gelangen. Unterwegs trafen wir auf die Dschandschawid-Miliz, die den Leuten die Telefone abnahm.

Ich bin seit sechs Wochen in Renk. Wir erhalten hier etwas Unterstützung. Es ist schwer, von dem wenigen zu leben. Ich lebe mit vier anderen Personen in einem Zelt.

Im Transitzentrum gibt es meistens sauberes Wasser, aber nicht konstant. Manchmal müssen wir Wasser aus dem Nil holen. Wir haben nicht die Mittel, um das Wasser zu reinigen, aber es ist besser, als zu verdursten.

„Ich habe Angst, dass mir jemand etwas antut.“

Munzir (17), aus Al-Fashir im sudanesischen Darfur

Ich habe Angst, in Renk zu sein, weil die Lage zwischen Sudan und Südsudan angespannt ist. Ich habe Angst, dass mir jemand im Zentrum etwas antut. Ich habe auch Angst, dass uns jemand aus Darfur gefolgt sein könnte.

Ich möchte nach Europa gehen und meine Oberschule abschließen. Ich will nicht zurück nach Darfur. Ich kann nicht in den Krieg zurückkehren. Ich denke, die humanitären Organisationen sollten die Menschen nach Europa bringen. Vor dem Krieg hatte ich viele Träume. Ich wollte meinen Abschluss machen und Arzt werden, aber diese Träume sind zerstört worden.“

Ein Mädchen draußen
Mit ihrer Mutter und zwei Schwestern ist Rawa (13) nach Südsudan geflohen Omar Sabry
Zelte auf sandigem Platz
Rund um ein Transitzentrum im südsudanesischen Renk ist eine Zeltstadt mit geflüchteten Familien aus Sudan entstanden Omar Sabry

Rawa (13) schläft unter freiem Himmel

„Ich bin seit einem Monat in Renk. Ich habe Khartoum wegen des Krieges verlassen. Als er begann, musste ich zu Hause bleiben. Ich konnte dort die Kugeln hören und habe mich unter dem Bett verkrochen. In Khartum lebte ich mit meinen Eltern, zwei Schwestern und meinem Bruder.

Mein Vater und mein Bruder blieben in Khartum zurück. Mein Bruder durfte nicht ausreisen, weil die RSF (Rapid Support Forces, eine der am Konflikt beteiligten Parteien) ihn verdächtigte, Soldat zu sein. Mein Vater musste sich außerdem um unseren Großvater kümmern, der im Krankenhaus lag.

Die Reise nach Renk dauerte drei Tage. Wir schliefen zwei Nächte lang auf der Straße – es war beängstigend. Wir konnten nur unsere Kleidung mitnehmen. Wir kamen in einem riesigen Lastwagen, in dem Sudanesen und Südsudanesen saßen.

„Wir konnten nur unsere Kleidung mitnehmen und kamen in einem riesigen Lastwagen.“

Rawa (13), vor dem Krieg in Sudan geflohenes Mädchen

Im Transitzentrum schlafe ich mit sechs anderen Personen, darunter meine beiden Nichten, draußen auf Laken und Decken. Wir sind diese Lebensbedingungen nicht gewohnt: Überall gibt es Regen, Überschwemmungen, Krankheiten und Seuchen. Ich möchte zurück nach Sudan gehen und meine Ausbildung fortsetzen, damit ich mir und meiner Familie helfen kann. Bevor der Krieg begann, war ich dort in der 7. Klasse.“

Ein Lastwagen voller Flüchtlinge
Mit einem solchen Lastwagen gelangten auch Rawa (13) und Chol (10) nach Südsudan Omar Sabry
Ein kleiner afrikanischer Junge
Chol (10) ging vor dem Krieg in der sudanesischen Hauptstadt Khartum in die 5. Klasse Omar Sabry

Chol (10) erlebte Bombenabwürfe in Khartum

„Ich bin vor zwei Wochen in Renk angekommen. Bevor der Krieg begann, lebte ich in Khartoum. Ich wurde als Baby nach Khartum gebracht. Als der Krieg begann und die Schule geschlossen wurde war ich in der 5. Klasse. Ich vermisse meine Freunde; sie alle haben auch Khartum verlassen.

Wir fuhren in einem großen Lastwagen mit vielen Leuten weg. Die Fahrt dauerte zwei Tage bis nach Renk. Als wir Sudan verließen, warfen Flugzeuge Bomben ab. Wir konnten nur unsere Kleidung mitnehmen, alle anderen Sachen ließen wir in Khartum. Auf dem Weg nach Renk sahen wir Leichen auf der Straße und verbrannte Fahrzeuge.

„Auf dem Weg nach Renk sahen wir Leichen auf der Straße und verbrannte Fahrzeuge.“

Chol (10), junger Flüchtling aus Sudan

Hier im Transitzentrum schlafen wir zu siebt in einem Zelt, aber die Plastikplane hat Löcher und ist undicht, wenn es regnet.

Ich möchte nach Juba (Hauptstadt des Südsudan) gehen, wo mein Vater lebt. Ich möchte dort studieren, damit ich Arzt werden kann. Ich möchte, dass mehr für uns getan wird, wir sollten Bildung, Essen, Plastikplanen und Matten bekommen, damit wir schlafen können.“

Der Artikel wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Südsudan erstellt.

Nothilfe Sudan-Krise

Plan International konzentriert sich bei der humanitären Hilfe in dieser Krise auf Kinder und Frauen. Geflüchtete, binnenvertriebene sowie andere betroffene Menschen in Sudan und den umliegenden Regionen sollen Sicherheit und Schutz bekommen. Trotz des anhaltenden Konflikts in Sudan setzen wir drigend benötigte Hilfsmaßnahmen um, auch und gerade in den angrenzenden Ländern wie Südsudan.

Jetzt unterstützen

Sie mögen diesen Artikel? Teilen Sie ihn gerne.

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Engagieren Sie sich mit uns für eine gerechte Welt! Registrieren Sie sich jetzt für unseren kostenlosen Newsletter

Widerruf jederzeit möglich. Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung sowie unsere Kinderschutzrichtlinie

Newsletter