Seitdem Südsudan sich 2011 von Sudan abgespalten und seine Unabhängigkeit erklärt hat, kommt das Land nicht zur Ruhe: 2013 entfachte ein gewaltsamer Bürgerkrieg. Aufgrund der brutalen Gewalt sind rund zwei Millionen Südsudanesen Vertriebene im eigenen Land. Insgesamt sind laut Angaben der Vereinten Nationen etwa 4,5 Millionen Menschen entwurzelt – das entspricht einem Drittel der gesamten Bevölkerung.
Viele flüchten aber auch in andere Länder wie Äthiopien. Dort leben mittlerweile über 400.000 Südsudanesen in großen Flüchtlingscamps. Fast 30.000 davon sind Kinder, die unbegleitet gekommen sind oder auf dem Weg von ihren Familien getrennt wurden – viele wissen nicht, ob ihre Eltern noch leben. Diese Kinder haben große Verluste erlitten und sind aufgrund der schlimmen Fluchterfahrung traumatisiert. Um ihnen ein Stück Normalität wiederzugeben, richtet Plan International in den Flüchtlingsunterkünften so genannte „child friendly spaces” ein – sichere Orte für Kinder, an denen sie Ruhe, Schutz und Ablenkung finden, um das Erlebte zu verarbeiten.
Das Trauma der Katastrophe und der Verlust des eigenen Zuhauses hinterlassen insbesondere bei Kindern tiefe Spuren. In den Schutzzonen helfen Psychologen den Kindern durch Gespräche, Spiele und künstlerische Aktivitäten damit umzugehen. Die kinderfreundlichen Orte werden auch dafür genutzt, die Eltern über Gesundheit und Hygiene, sanitäre Anlagen und die Sicherheit ihrer Kinder aufzuklären.
Fünf Kinder erzählen von ihren Erlebnissen und Erfahrungen:
„Ich bin mit meiner Tante geflohen. Wo meine Mutter und mein Vater sind, weiß ich leider nicht.“
„Ich bin hier seit drei Jahren. Vor dem Krieg lebten wir in Juba, der Hauptstadt von Südsudan. Als der Krieg ausbrach, war der einzige sichere Ort in Juba das Quartier der Vereinten Nationen. Ich bin mit meiner Tante geflohen. Wo meine Mutter und mein Vater sind, weiß ich leider nicht.
Wir sind gemeinsam mit einer großen Gruppe von Menschen zur äthiopischen Grenze gelaufen. Zwei Monate lang liefen wir. Auf dem Weg sind schreckliche Sachen passiert. Das Schlimmste waren die Schießereien. Kämpfer kamen und begannen nachts zu schießen.
Meine Tante trug zwei Kanister mit Wasser – das war das einzige Wasser, das wir hatten. Auf der ganzen Strecke gab es kein anderes Wasser. Das war sehr schwierig. Während wir gelaufen sind, erzählte mir meine Tante von Äthiopien und sagte, dass es dort keinen Krieg gäbe. Also dachten wir immer an dieses Land, unseren Schutz.
Jetzt leben wir hier und ich kann wieder zur Schule gehen. Vor der Schule bereite ich manchmal mit meiner Tante Essen vor oder hole mit ihr Wasser. Nachmittags gehe ich zu den kinderfreundlichen Orten. Ich habe neue Freundinnen gefunden, mit denen ich spielen kann. So können wir vergessen, was passiert ist. Am liebsten bastel ich mit den anderen Mädchen etwas mit Perlen. Und ich mag Volleyball – darin bin ich sehr gut.“
„Ich lebe hier in Äthiopien mit meinem Bruder und meinen Schwestern zusammen. Meine ältere Schwester kümmert sich um uns. Wir sind hier seit drei Jahren und gehen alle hier zur Schule. In Südsudan half ich nur meiner Mutter und ging nicht zur Schule. Wie viele andere Mädchen dort durfte ich nicht zur Schule gehen.
Wir haben wegen der Kämpfe unser Land verlassen. Mein Vater wurde in Juba umgebracht und ich weiß nicht, wo meine Mutter ist. Wir wurden getrennt, als der Krieg begann.
Ich bin mit meinen Geschwistern geflohen. Wir brauchten sieben Tage, um hierher zu kommen. Wir wussten nicht, ob wir überleben würden, aber zum Glück wurden wir nicht angegriffen. Dafür wurde ich auf der Flucht sehr krank. Als ich hier ankam, musste ich erstmal in ein Krankenhaus und Medikamente nehmen.
Mittlerweile geht es mir wieder gut und ich gehe jeden Tag in die kinderfreundlichen Bereiche von Plan International. Ich treffe meine Freundinnen und Freunde und wir spielen zusammen. Wenn ich hierhin komme, vergesse ich meine schlechten Erfahrungen. Wenn es Frieden in Südsudan gibt, möchte ich wieder zurückgehen. Ich möchte anderen Menschen helfen, wenn ich meine Bildung abgeschlossen habe.“
„In jedem Dorf, in das wir kamen, kämpften Menschen.“
„Ich lebe hier mit meinem fünfjährigen Bruder und meiner Tante. Vor dem Krieg lebten wir im Osten Südsudans. Meine Schwester ist noch dort.
Der Weg nach Äthiopien war so schwer. Wir liefen den ganzen Weg. Ich brachte nichts mit – nur die Kleidung, die ich trug. Ich floh mit meiner Mutter und meinen Geschwistern. Da mein Vater Soldat ist, blieb er zurück. Als wir zum Grenzübergang kamen, ging meine Mutter zurück. Deswegen leben wir jetzt mit meiner Tante zusammen.
Seitdem wir hier sind, gehe ich jeden Tag zur Schule. Mein Lieblingsfach ist Englisch. Ich möchte Arzt werden, wenn ich älter bin. Wenn es nicht so heiß ist, gehe ich nach der Schule zu den kinderfreundlichen Orten und spiele Fußball mit meinen Freunden. Dabei habe ich auch Lim getroffen, er ist mein bester Freund.”
„In Südsudan habe ich in einer großen Stadt gelebt. Als die Probleme begannen, mussten wir weg. Ich war mit meinem Bruder und meiner Mutter unterwegs. In jedem Dorf, in das wir kamen, kämpften Menschen. Wir liefen zwei Monate bis wir in Äthiopien ankamen. Ich wusste nichts von diesem Camp, wir sind einfach gelaufen.
Auf dem Weg gab es ein Lager, in dem schon viele andere geflüchtete Menschen lebten, aber das wurde von Kämpfern angegriffen. Niemand wusste, ob wir das überleben würden. Alle schrien. Kinder und Frauen wurden umgebracht. Wir rannten um unser Leben.
Seit zwei Jahren bin ich nun hier und gehe zur Schule. Mein Lieblingsfach ist Englisch. Ich lese gerne englische Bücher und möchte später Lehrer werden. Morgens wache ich um sieben Uhr auf und helfe meiner Mutter zu Hause. Nach der Schule gehe ich oft in die Bücherei in dem kinderfreundlichen Bereich im Camp und lese, manchmal spiele ich auch mit den anderen Kindern Fußball. Immer wenn ich hierhin komme, bin ich glücklich.“
„Wir verbrachten zwei Jahre in Khartum. Als mein Vater merkte, dass die Situation in Khartum auch nicht mehr sicher war, entschied er, uns nach Äthiopien zu bringen. Hier fühlen wir uns sicher, es gibt keine Angriffe.“
„Ich lebe hier mit meinem Vater, seiner Frau und meinen Geschwistern. Ich habe drei Brüdern und zwei Schwestern. Wir sind seit zwei Jahren hier in Äthiopien. Meine Mutter lebt noch in Südsudan.
Als der Krieg ausbrach, brachte uns mein Vater nach Khartum in Sudan. Wir liefen sechs Tage lang, um dort hinzukommen. Weil die Kämpfer auf der Straße alle Menschen angriffen, liefen wir nur durch die Büsche, damit sie uns nicht sehen konnten. Wir hatten kein Essen oder Wasser – nur das, was wir auf dem Weg finden konnten. Manche von uns hatten keine Schuhe.
Wir verbrachten zwei Jahre in Khartum. Dort ging ich nicht zur Schule. Als mein Vater merkte, dass die Situation in Khartum auch nicht mehr sicher war, entschied er, uns nach Äthiopien zu bringen. Hier fühlen wir uns sicher, es gibt keine Angriffe.
Mein Vater ist ein Mitglied des „Refugee Central Committee” (RCC, dt. etwa: „Flüchtlings-Zentralausschuss“). Als solcher schlichtet er zum Beispiel Streitigkeiten zwischen Nachbarn und trifft wichtige Entscheidungen für die Gemeinde. Ich bin stolz, dass mein Vater der Gemeinschaft hilft und Probleme löst.
Ich gehe hier zur Schule und möchte Ingenieur werden. Eines Tages möchte ich Straßen und Brücken in unserem Land bauen. Ich wünsche meinen Brüdern und Schwestern, dass sie Ärzte und Krankenpfleger werden können. Eine meiner Schwestern möchte Pilotin werden.
Ich gehe jeden Tag zu den kinderfreundlichen Orten im Camp. Manchmal lese ich dort oder spiele Fußball. Wenn ich hier bin, bin ich glücklich, weil ich machen kann, was ich will. Dieser Ort ist für jedes Kind wichtig.“