Die seichten Wellen potenzieren das Licht der Morgensonne. Funkelnd legt sich die Andamanensee um eine Handvoll Inseln, die wie das Paradies auf Erden erscheinen: schmale Buchten, Sandstrände, strohgedeckte Hütten, dunkelgrünes Dschungel-Astwerk. Die etablierten Hotelanlagen auf dem Festland trennt eine 60 Kilometer weite Meerespassage von der zauberhaften Inselwelt des Surin Nationalparks. Doch hinter der Fassade des scheinbar Ursprünglichen lebt dort die Volksgruppe der Moken in Pfahlbauten – ohne Strom und fließendem Wasser, weitgehend abgeschnitten von einer gesellschaftlichen Teilhabe.
Die Seenomaden verbringen traditionell den größten Teil des Jahres in und auf der Andamanensee. In selbstgebauten Holzbooten ziehen sie von Insel zu Insel bis weit nach Süden. Nur für die Zeit des Monsuns zwischen Mai und Oktober werden die geschätzt 12.000 Angehörigen dieser Ethnie an Land sesshaft, lassen sich in Küstengebieten wie den Inseln um Surin nieder.
Die Moken haben einen nahezu zeitlosen Lebensrhythmus, der mit dem Auftauchen großer kommerzieller Fischereiflotten immer weiter eingeschränkt wurde. Mit dem verheerenden Tsunami vom Dezember 2004 verloren nicht nur viele thailändische Fischereifamilien Hab und Gut, auch für die Moken wurde die Riesenwelle zu einer weiteren Zäsur.
Zum fragilen Dasein gehörte und gehört die Herausforderung, über keine Ausweise zu verfügen. Wer ständig auf See lebt, kommt kaum zu einer der offiziellen Stellen für Geburtenregistrierung. Doch genau die dort ausgegebenen Urkunden sind der Schlüssel für den Erhalt von Ausweispapieren – und damit eine Teilhabe am öffentlichen Leben.
„Die sonst kostenlose medizinische Versorgung müssen Staatenlose selbst bezahlen.“
„Die sonst kostenlose staatliche medizinische Versorgung müssen Staatenlose selbst bezahlen und viele Jobs bleiben ihnen verwehrt“, erinnert sich der Moken-Junge Noi.
Auch der Besuch von weiterführenden Schulen, offiziell eingetragene Ehen, die Aufnahme von Krediten, Wahlrecht oder uneingeschränkte Bewegungsfreiheit – all das bleibt Menschen ohne Ausweis verwehrt.
2013 waren es insgesamt noch etwa eine Millionen Menschen in dem südostasiatischen Land, die davon betroffen waren.
Gegen diesen Teufelskreis aus Armut, Benachteiligung, Ausgrenzung und Stigmatisierung ging Plan International im Rahmen seiner mehrjährigen Arbeit mit thailändischen Partnerorganisationen vor. Mit dem Ziel, möglichst vielen Menschen in seinen Projektregionen im Süden und Norden des Landes zu einer Geburtenregistrierung und/oder zu einem Ausweis zu verhelfen, wurde die Kinderrechtsorganisation in den letzten zehn Jahren tätig. In hunderten Fällen konnte erfolgreich eine Registrierung und somit die Chance auf mehr Selbstbestimmung und Teilhabe vermittelt werden.
Im Fokus standen dabei auch und gerade Angehörige der Moken. Unter anderem bekam der Moken-Junge Wakim einen Ausweis – was auf das Engagement von Plan International und eine Verkettung glücklicher Umstände zurückzuführen ist. Ein Lehrer hatte die Namen aller Kinder, die auf der Insel Surin die Schule besucht hatten, notiert. Das Dokument galt später als Beleg für Wakims Existenz in dieser Region und die Ausgabe eines entsprechenden Ausweises. Stolz präsentierte er ihn unter der paradiesischen Sonne der Tropen.
Plan International begann seine Programmarbeit in Thailand 1981. Die Situation in dem südostasiatischen Land hat sich seitdem so sehr zum Besseren entwickelt, dass die Patenschaftsarbeit Ende Juni 2022 eingestellt werden kann. Vorhandene Ressourcen setzt die Kinderrechtsorganisation in Ländern ein, in denen die Dringlichkeit und der Bedarf an einer Förderung wesentlich größer sind. Plan International wird sich künftig mit Einzelprojekten in Thailand engagieren, zum Beispiel bei der Förderung bedürftiger Gemeinden in der Mekong-Region im Norden und Osten des Landes sowie für die Unterstützung von Migrant:innen aus dem benachbarten Kambodscha und Myanmar.
Marc Tornow hat Südostasien-Wissenschaften studiert und das beschriebene Moken-Projekt im Surin Nationalpark 2013 besucht.