„Bis 2030 werden hier neun Millionen digitale Talente benötigt“, sagt Suhud – und nimmt damit schon vorweg, weshalb es einer Förderung junger Menschen im Bereich Digitalisierung und IT bedarf. Suhud ist einer von insgesamt 14.854 jungen Lernenden, die sich zwischen 2021 und 2023 für das Programm „Work in Tech“ (Arbeite in Technologie) angemeldet haben. Sie alle verbindet eines: Aufgrund ihrer persönlichen Lebenshintergründe sind sie traditionell unterrepräsentiert – auch und gerade im Sektor der Digitalisierung und Informations-Technologie (IT). Dazu zählen insbesondere junge Frauen, ethnische Minderheiten und Menschen mit Behinderungen.
Das globale „Work in Tech“-Programm befähigt junge Teilnehmende mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen, ihre Fähigkeiten zu entfalten und eine Karriere in der rasant wachsenden Digital- und IT-Branche zu starten. Durch dieses Programm ist es den Projektpartnern gelungen, junge Menschen für die Arbeitsplätze der Zukunft umzuschulen und sicherzustellen, dass lokale Talente aus allen Provinzen Indonesiens die gleichen Chancen in der wachsenden Wirtschaft des südostasiatischen Landes haben.
Plan International führte das „Work in Tech“-Programm in Zusammenarbeit mit der INCO-Academy und über das Google IT Supports Career Certificate Programm durch. Das Programm bot den Jugendlichen einen vollständig finanzierten Zugang zu dem von Google entwickelten Online-Berufszertifikatsprogramm. Und das bedeutete für viele der Teilnehmenden Zugriff auf maßgeschneiderte Ressourcen und Unterstützung beim Erlernen von „Soft Skills“, die allesamt wichtig sind, um beruflich Erfolg zu haben. Dabei unterstützten und unterstützen auch Vermittlungsdienste, die Menschen in Ausbildung später in Arbeit zu bringen.
Inzwischen arbeiten viele von ihnen in der IT-Sicherheit, Web-Entwicklung, Netzwerkkonstruktion, Datenanalyse, IT-Administration, App-Entwicklung, IT-Kunst und anderen Tech-Bereichen. Sechs kommen hier in der Plan Post zu Wort.
Als sie in der Oberstufe war, liebte Qonita die Mathematik und dachte, dass sie an einer Universität Buchhaltung studieren würde. Doch die Realität schmerzte: Nachdem sie ein Jahr lang ihrem vermeintlichen Wunschfach nachgegangen war, wurde ihr klar, dass dies nicht ihre Berufung war. Qonita erinnerte sich an die Zeit, als sie ein Teenager war und ihre ältere Schwester ein Internetcafé eröffnet hatte. „Ich war häufig dort, zum Spielen und zur Mithilfe bei der Betreuung des Cafés. Ich lernte dabei auch PC-Bedienung und die Fehlersuche“, erinnerte sie sich. Sie kam zu dem Schluss, dass sie an ihr damaliges Interesse für digitale Technik anknüpfen sollte, und schrieb sich für den Studiengang Informatiktechnik ein.
„Mein erster Eindruck von ,Work in Tech‘ ist, dass das Material für ein Publikum mit unterschiedlichem wissenschaftlichen Hintergrund geeignet ist.“
Um ihre digitalen Fähigkeiten zu verbessern, suchte Qonita parallel nach Informationen über Schulungen und Trainingsangebote, wobei sie irgendwann auf das Programm „Work in Tech“ stieß und schließlich daran teilnahm. „Mein erster Eindruck von ,Work in Tech‘ ist, dass das Material für ein Publikum mit unterschiedlichem wissenschaftlichen Hintergrund geeignet ist“, sagte Qonita. Neben der Erweiterung ihrer technischen Kenntnisse – insbesondere in den Bereichen IT-Support, Netzwerk und Hardware – habe ihr das Programm auch bei den in der Arbeitswelt erforderlichen „Soft Skills“ geholfen. Ein Ergebnis der Trainings ist, dass sie bei Vorstellungsgesprächen entspannter auftritt. „Es lohnt sich, an dieser Schulung teilzunehmen, das Material ist sehr gehaltvoll und die Teilnahme kostenlos“, fügte sie hinzu.
Für Qonita ist die heutige IT-Welt riesig: Nachdem sie in den IT-Support eingetaucht ist, studiert Qonita jetzt Softwareentwicklung. Sie träumt davon, für eine Spieleentwicklungsfirma zu arbeiten. „Ich will vor allem Multiplayer-Spiele entwickeln, weil man damit spielen und gleichzeitig Kontakte knüpfen kann“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Kevin Oktavianov absolvierte ein Studium der Elektrotechnik an einer Universität in Bandung, Westjava. Er hatte sich von dieser Ausbildung jedoch etwas anderes versprochen und wollte alternativ sein Wissen im Bereich der Digitalisierung und IT erweitern. Als Fan von Zeichentrickfilmen und Animationsproduktionen (Anime) sieht Kevin diese Technologie als Vehikel für seine Fantasien. „Die Leute stürzen sich kopfüber in Spiele, und unsere Vorstellungskraft kann sich durch Geschichten alles Mögliche ausmalen. Und sieh dir die künstliche Intelligenz an – eine Fantasie ist jetzt Realität geworden“, sagte er.
Kevin interessierte sich für den Lehrplan – und wurde für das Programm ausgewählt. Der IT-Support ist für ihn eine Wissenschaft, in der es viel Neues zu lernen gibt. „Als ich an der Universität maschinelles Lernen studierte, konnte ich Geräte verstehen. Aber durch den IT-Support kann ich jetzt nicht nur das Gerät verstehen, sondern auch andere Menschen als Nutzer“, erklärt er. Ihm gelingt es nach der Teilnahme am „Work in Tech“-Programm und Training von „Soft Skills“ besser, andere zu verstehen. „Das geht sogar so weit wie Gesten bei der Kommunikation.“ Das hat Kevin zum Beispiel dabei geholfen, bei Vorstellungsgesprächen oder psychologischen Tests selbstbewusster aufzutreten und sich auf den Einstieg in die Arbeitswelt vorzubereiten.
„Ich bin mir sicher, dass man auch die schwierigen Dinge bewältigen kann.“
Mittlerweile arbeitet Kevin als „Core Network Engineer“ bei einem internationalen Technologieunternehmen in Indonesien und ist für die Planung, Implementierung und Wartung von digitalen Netzwerken verantwortlich, zum Beispiel beim Einsatz von Proxys oder IP-Nachverfolgung. Die Arbeit in einem sich schnell entwickelnden Sektor macht Kevin manchmal müde, aber kein Grund zum Aufgeben: „Ich bin mir sicher, dass man auch die schwierigen Dinge bewältigen kann“, zeigt er sich optimistisch, der – durch regelmäßige Pausen motiviert – immer weiter nach Antworten fürungelöste Probleme sucht. Kevin glaubt, dass sich seine Bemühungen auszahlen werden – und träumt von einer eigenen IT-Beratungsfirma, die sich auf die 3D-Modellierung von Metaversen spezialisieren soll. „Alles beginnt mit der Vorstellungskraft“, schließt er lachend ab.
Rizka studiert Informatikmanagement an der Polytechnischen Hochschule in Jember, Ostjava. Anfangs fühlte sie sich von ihren Freunden zurückgelassen, doch sie fand trotzdem Gefallen am Studium der Informations-Technologie. „Ich bin glücklich, wenn es mir gelingt, einen Fehlercode zu beheben. Und es stellte sich heraus, dass mir dies immer mehr Spaß macht“, sagt Rizka.
Als sie erkannte, dass sie sich ein technisches Hintergrundwissen für ihre beruflichen Ambitionen aneignen musste, nahm Rizka aktiv an Schulungen teil – unter anderem im Rahmen des Programms „Work in Tech“. Abgesehen von der benötigten Zertifizierung, die sie dadurch für ihre Karriere erlangen konnte, fand die junge Frau auch das vermittelte Fachwissen insgesamt nützlich. Rizka bestand mühelos diesbezügliche Prüfungen.
Beeindruckend an dem Programm war für sie auch das ausgewogene Verhältnis von Frauen und Männern. Rizka hatte immer das Gefühl, dass die Gesellschaft denkt, dass Männer in der IT-Branche geschickter seien. „Bei ,Work in Tech‘ wurde ich daran erinnert, dass meine Fähigkeiten denen meiner männlichen Kollegen ebenbürtig sind“, sagte sie. Rizka war auch beeindruckt davon, wie „Work in Tech“ jungen Menschen mit Behinderungen eine Priorität einräumt und dadurch Barrieren für den Fortschritt von Menschen mit Behinderungen abbaut.
„Bei ,Work in Tech‘ wurde ich daran erinnert, dass meine Fähigkeiten denen meiner männlichen Kollegen ebenbürtig sind.“
Rizka ist aktuell Praktikantin für Web-Entwicklung bei einem nationalen Technologieunternehmen. Inspiriert durch ein Geschwisterkind, das ein IT-Studium an einer Universität beginnen wird, sagt sie: „Ich werde weiterhin IT lernen und in der Technologiebranche groß werden.“
Suhud Abdillah interessiert sich seit der Oberstufe für Technik und assistierte schon als Schüler im Computerlabor. Trotzdem studierte Suhud anschließend Arbeitssicherheit an einer Fachhochschule für Schifffahrt – und trat damit in die Fußstapfen seines Vaters. Nach Abschluss seines Studiums arbeitete er sechs Jahre lang in der Fertigungsabteilung eines Hafenunternehmens. Leider wurde sein Arbeitsplatz wegen der Corona-Pandemie 2021 geschlossen, und Suhud stand plötzlich ohne Job da.
„Ich habe gelesen, dass bis 2030 neun Millionen digitale Talente benötigt werden.“
Doch inmitten der allgemeinen Unsicherheit, die die Pandemie weltweit ausgelöst hatte, erkannte Suhud auch Chancen in der IT-Branche. „Ich habe gelesen, dass hier bis 2030 neun Millionen digitale Talente benötigt werden, was bedeutet, dass jedes Jahr 600.000 neue Arbeitskräfte im IT-Bereich benötigt werden“, so Suhud. Der junge Indonesier bewarb sich und nahm schließlich am „Work in Tech“-Programm in seiner südostasiatischen Heimat teil. „Viele meiner Mitstreiter sind frische Hochschulabsolventen, einige sind sogar [noch] im College. Ich habe viel von ihrem Wissen und ihrer Denkweise gelernt“, sagte Suhud. Er profitierte von dem Training, weil der „Work in Tech“-Lehrplan sich als effektiv erwies. Denn das Training förderte auch die Entwicklung und Kommunikation der Teilnehmenden.
Nach Abschluss des Kurses arbeitete Suhud im IT-Support eines technischen Ausbildungsinstituts unter der Schirmherrschaft der Stadtverwaltung von Surabaya in der Provinz Ostjava und wurde dort bald zum Ausbilder befördert. Derzeit arbeitet er als Sicherheitsberater für ein petrochemisches Unternehmen. Mit seinem Knowhow entwickelt er auch sein eigens digitales Startup-Unternehmen. „,Work in Tech‘ ist ein Ort des Lernens, des Wettbewerbs, der Selbstentfaltung und der Verwirklichung von Träumen“, findet Suhud.
Onny Anggraini hatte ihre Heimatstadt noch nie verlassen. Von ihrer Geburt bis zu ihrem Universitätsabschluss verbrachte sie ihr Leben in der Hafenstadt Cirebon auf Java. „Ich bin das jüngste Kind. Ich habe eine emotionale Bindung zu meinen Eltern. Ich möchte mich im Alter um sie kümmern“, sagte Onny, die ihre Bindung nicht als Hindernis für die eigene berufliche Entwicklung sieht. Während ihrer Schulzeit nahm sie an einem kleinen Test teil, um herauszufinden, was sie sich für ihre berufliche Zukunft wünscht. Zu ihren Kriterien gehörten: ein hohes Einkommen und die Flexibilität, von überall aus arbeiten zu können. Aus diesem Grund entschied sich Onny für ein Studium der technischen Informatik.
Nachdem sie sich für ein IT-Studium entschieden hatte, verliebte sich Onny geradezu in diesen Fachbereich. Sie wollte mehr lernen als das, was an der Universität angeboten wurde. Der Social-Media-Algorithmus führte sie zum Programm „Work in Tech“, dem sie beitrat. Die junge Frau erkannte, dass die Teilnahme an dem Training ihr positive Energie gab. Sie traf auf andere Teilnehmende und Mentor:innen, die sich auf die Zukunft konzentrierten und bereit waren, über Karrierepläne und zukünftige Ziele zu sprechen. Der Stoff, den sie bei „Work in Tech“ studierte, stieß bei der wissbegierigen Onny auf große Begeisterung, von der Grundstufe bis hin zum Abschluss.
„Alle Apps und Programme sind nützlich. Aber wenn ich mich für eines entscheiden müsste, würde ich sagen: ,WordPress for Business‘“, sagte sie – aus gutem Grund. Denn seit sie ihren Abschluss in der Tasche hat, arbeitet sie mit diesem Content-Management-System als Web-Entwicklerin für ein Batikunternehmen in Cirebon. Ihre Familie bleibt geografisch ein Motivationsfaktor, der Onny zum Erfolg in der IT-Branche antreibt. Sie möchte das Wohlergehen ihrer Familie verbessern und auch dafür sorgen, dass ihre Nachkommen ein besseres Leben führen können als sie selbst. Laut dem Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen rangiert Indonesien auf Platz 114 von 191. „Ich war die erste Person in meiner Großfamilie, die eine Universität besuchte. Ich hoffe also, dass ich meinen Cousins und Cousinen den Weg zu einer höheren Bildung ebnen kann“, sagte sie.
„Mein Traum ist es, eine Programmier-Akademie speziell für Mädchen und Jungen zu eröffnen.“
In Zukunft will die junge IT-Absolventin anderen Menschen die digitale Bildung näherbringen: „Ich liebe Kinder. Mein Traum ist es, in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine Programmierakademie speziell für Mädchen und Jungen zu eröffnen. Derzeit gibt es in Cirebon keine“, sagte sie. Für Onny kann das Interesse eines Kindes an IT eine Chance sein, ein eigenes Unternehmen zu gründen.
Aufgrund ihrer Sprach- und Sinnesbehinderung fühlt sich Windy von ihrer Umgebung oft unterschätzt. Auch das mangelnde Verständnis ihrer Eltern für ihre Behinderung erlebte die junge Frau oft als entmutigend. Windy dachte oft, dass sie ihre Motivation und sogar ihr Selbstvertrauen verloren hat. „Wie soll ich vorankommen, wenn ich mich weiterhin niedergeschlagen fühle?“, fragte sie sich.
Windy entdeckte ihr Interesse an der Entwicklung von Computern und beschloss, ihre persönliche Einschränkung in ein Potenzial zu verwandeln. „Es begann im Jahr 2000, als Geräte hier noch in der ,Röhrencomputer‘-Ära waren“, erinnert sich Windy. Sie beobachtete und imitierte oft Erwachsene, die einen Computer bedienten, und tüftelte sogar daran herum, und auch ihre Eltern erkannten schließlich das Potenzial ihrer Tochter.
„Was mich am Programm beeindruckt hat war, dass auch Menschen mit Behinderungen einen Platz haben.“
Windy begann zu programmieren und die Grundlagen der Informations-Technologie zu erlernen. Im Rahmen des „Work in Tech“-Programms erwarb die junge Frau Kenntnisse über Hardware-Rahmenwerke, Komponenten, Netzwerke, Betriebssysteme und Cybersicherheit und systematisierte damit Kenntnisse, die sie sich selber angeeignet hatte.
„Was mich beeindruckt hat, war, dass auch Menschen mit Behinderungen einen Platz haben“, sagt Windy. Die Teilnahme an dem Programm hat ihr dabei geholfen, ihr Selbstvertrauen und ihre Motivation wiederzuerlangen – und ihre Träume in der IT-Branche zu verwirklichen. Denn durch „Work in Tech“ lernte sie auch Web-Entwicklung und erhielt Informationen über Praktikumsmöglichkeiten. Jetzt ist sie Hospitantin im Bereich Front-End-Webentwicklung bei einem Technologiedienstleister.
Für die Zukunft hofft sie, etwas für andere Menschen mit Behinderungen entwickeln zu können. „Zum Beispiel wird ein gehörloser Freund in der Lage sein, mit anderen Menschen zu sprechen, indem er mithilfe von Technologie erzeugte Töne benutzt, wie ich es schon in einem Film gesehen habe“, sagt Windy begeistert.
Marc Tornow hat Südostasien-Wissenschaften studiert, Indonesien bereist und die Geschichte der jungen IT-Talente mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro aufgeschrieben.