Vom Plan-Büro in Mwanza aus starten wir, endlich geht es los! Rund 20 Minuten fahren wir durch eine ländliche Gegend mit kleinen, gemauerten Steinhäusern, flachen Blechdächern, in einigen Türrahmen weht ein Vorhang. Ab und zu sieht man kleine Stände mit Gemüse und Früchten der Saison, fein säuberlich aufgetürmten Tomaten, Mais, Ananas und Mangos. Hier kaufen die Menschen aus dem Dorf. Auf die Präsentation der Lebensmittel wird viel Wert gelegt. Mit an Bord des Geländewagens: Programm-Leiter Majani, Plan-Mitarbeiter Davice, der fotografiert, sowie der Fahrer und ein Übersetzer.
Die erste Anlaufstation ist eine Schule für die Jüngsten. Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren warten im Klassenraum bereits auf unseren Besuch. Zunächst werden wir ins Büro der Schulleiterin gebeten, die uns in einem farbenfrohen Kleid empfängt. Mir fällt auf, dass die Menschen hier, trotz ihrer Armut großen Wert auf ihr Äußeres legen. Die Kinder im Klassenraum sitzen erwartungsvoll an ihren Tischen. Zur Begrüßung singen und klatschen sie. Ich mache mit, so gut wie möglich. Dann gehen wir raus, um erste Fotos aufzunehmen. Ich setzte mich zu den Kleinsten auf einen Teppich mit großen Legosteinen. Weiter geht die Fotosession mit einem Fußballspiel. Die Kinder haben ihre anfängliche Scheu verloren, spielen mit mir und freuen sich. Als wir aufbrechen, laufen die Kinder zum Zaun und winken mir zu. Auf der Weiterfahrt erfahre ich, dass Plan diese Schule aufgebaut hat - unter anderem auch von meinem Patenschaftsbeitrag.
Weiter geht’s zum Dorf, in dem mein Patenkind Meresiana wohnt. Unterwegs machen wir einen Zwischenstopp in einem Supermarkt, wo ich ein paar Mitbringsel für den täglichen Bedarf der Familie einkaufe, darunter 10 Kilo Reis und zwei Kilo Zucker. Das Angebot ist sehr übersichtlich, viele Regale sind leer. Nun ist es nicht mehr weit zu Meresianas Dorf. Wir werden von einer kleinen Gruppe Menschen auf einem Vorplatz begrüßt. Der Älteste schüttelt mir die Hand, sagt ein paar Worte auf Englisch und lächelt mir freundlich und fast zahnlos zu. Wie alt er wohl sein mag? Meresianas Mutter ist leider krank und kann nicht dabei sein. Meresiana wartet in einem kleinen Häuschen auf mich, das für das Treffen vorgesehen ist. Ihr Blick ist auf den Boden gerichtet. Sie traut sich kaum, mich anzusehen. Ihre ältere Schwester hingegen strahlt mich an und setzt sich dazu.
„Langsam taut Meresiana auf.“
Ich zeige Meresiana ein Büchlein mit Fotos, das ich zusammengestellt habe: Berlin im Schnee, meine Tochter Paula sowie meine Arbeit als Schauspielerin und Puppenspielerin. Der Dolmetscher übersetzt. Ich erfahre, dass Meresiana bereits 17 Jahre alt ist und die Schule beendet hat. Leider spricht sie kein Englisch. Ich wundere mich, da ich aufgrund des letzten Berichts davon ausgegangen bin, dass sie jünger ist und dass sie Sprachen liebt. Meresiana interessiert sich fürs Schneidern, möchte gerne einmal Kleider nähen und ein kleines, eigenes Geschäft betreiben. Plan will sie dabei unterstützen, an einem Ausbildungstraining einer lokalen Partnerorganisation teilnehmen zu können.
Langsam taut Meresiana auf. Über die silberne Kette mit dem kleinen Herzen, die ich ihre anlege, scheint sie sich zu freuen. Plötzlich nimmt sie mich an die Hand und führt mich durchs Dorf. Wir machen Halt bei einer kleinen, angepflockten Kuh, mager wie alle Kühe hier. Sie werden nicht gemästet und müssen oft kilometerweit laufen, um etwas zu fressen zu finden. Gemeinsam streicheln wir die Kuh und gehen weiter zu einer Hütte, in der große Säcke mit Mais stehen. Ein Dorfbewohner zeigt mir das Mehl, das aus den Maiskörnern gewonnen wird, um schließlich zu Ugali verarbeitet zu werden - dem traditionellen Gericht in Tanzania. Der gekochte Brei wird zu einem Kügelchen gedreht und mit dem Daumen eine kleine Mulde geformt, um sie mit Bohnen, Soße und manchmal auch Fleisch zu füllen. Die einheimische Bevölkerung isst so elegant mit den Händen, dass ich Lust habe, es auch einmal auszuprobieren. Dann führt Meresiana mich zu ihrem Lieblingsort, im Schlepptau der Dolmetscher und Fotograf Davice. Sie zeigt mir die gemauerten Häuser mit den spitzen Dächern, die sich wohlhabende Menschen aus Mwanza dort gebaut haben. In so einem Haus möchte sie auch einmal wohnen.
„Ich will nähen lernen und Schneiderin werden.“
Das löst bei mir sehr gemischte Gefühle aus, denn ich weiß, wie schwer es in Tansania ist, ohne weitere Sprachkenntnisse über den dörflichen Rahmen hinauszukommen. Meresiana vertraut mir an, dass sie noch keine Kinder möchte und auch in absehbarer Zeit nicht heiraten will. Sie will nähen lernen. Da ist sie ganz klar. Das wird ihr im dörflichen Kontext ein kleines Einkommen ermöglichen und etwas Selbständigkeit. Ich ermuntere sie zu ihrer Nähausbildung und sage ihr, dass ich mich freuen würde, wenn sie mich auf dem Laufenden hält, so dass ich ihren weiteren Lebensweg verfolgen kann.
Zum Abschied nehme ich Meresiana in den Arm. So bleiben wir für eine Weile miteinander verbunden. Auf geht es zur letzten Station, einer kleinen Kooperative, die Erdnussmus herstellt und Kleidung näht. Plan hat dort Nähmaschinen zur Verfügung gestellt, die per Fußpedal betrieben werden. Eine sinnvolle Investition, denn täglich fällt der Strom mehrmals aus. Wer keinen Generator hat, kann nicht weiterarbeiten. Die Schneiderin zeigt mir die Kleidungsstücke, die sehr schön verarbeitet sind. Nun bin ich an der Reihe. Alle sind gespannt, ob ich denn auf dieser Nähmaschine eine Naht zustande bringen könnte. Top, die Wette gilt: Ich setze mich an die Maschine. Anfänglich scheint es so, als ob die Maschine nicht in Gang kommen will, doch dann gehorcht sie meinem Rhythmus und ich bekomme - zum Erstaunen aller - eine gerade Naht hin. Es wird herzlich applaudiert.
In der Zwischenzeit hat sich der Himmel zugezogen, es gießt in Strömen. Zeit zum Aufbrechen und Abschied nehmen! Ich bedanke mich beim Team.
So viele Begegnungen, so viele Eindrücke! Jetzt brauche ich erst mal Zeit, alles zu verarbeiten.