
Wenn das Leben vorbestimmt scheint
Katerin wuchs mit dem Bewusstsein auf, dass die wirtschaftliche Situation ihrer Familie ihre Chancen im Leben nicht gerade begünstigen würde. Die junge Frau stammt aus Cabañas, einer ländlichen Region im Norden von El Salvador – einer der ärmsten Gegenden des mittelamerikanischen Landes.
Die Einkommensgrundlage der meisten Familien besteht in der Landwirtschaft. Jedoch sind die Erträge gering, viele Landwirt:innen verdienen weniger als 100 US-Dollar im Monat. Die hügelige Landschaft ist durch die tropische Sonne meist trocken und die Vegetation mager. Die Region leidet unter Wasserknappheit und den Folgen des Klimawandels, was die Lebenssituation zusätzlich erschwert. Viele Familien sind auf die Zuwendungen von Verwandten aus dem Ausland angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

„Ich war etwa 15 oder 16 Jahre alt, als meine Eltern mir sagten: ‚Du wirst es nicht schaffen‘.“

Erschwerter Bildungsweg für Mädchen
Als wären diese Voraussetzungen nicht schon Herausforderung genug, legten Katerins Eltern ihr zusätzlich Steine in den Weg. „Ich war etwa 15 oder 16 Jahre alt, als sie mir sagten: ‚Du wirst es nicht schaffen‘“, erzählt sie. Diese Worte haben die junge Frau stark geprägt, der mangelnde Glaube ihrer Familie an ihre Fähigkeiten nagte an ihrem Selbstvertrauen.
„Da wir nicht viel Geld hatten, bekam ich von der siebten bis zur neunten Klasse nur einen Dollar pro Woche. Damit musste ich gut haushalten“, sagt Katerin. „Von dem Geld musste ich Schulmaterial kopieren oder Snacks bezahlen. Manchmal konnte ich frühstücken, manchmal nicht. Auch für das Busticket war oftmals zu wenig Geld da, dann musste ich nach Hause laufen.“
In Cabañas kann der Zugang zu Bildung für Mädchen eine große Hürde sein. Viele von ihnen werden oft von der Schule genommen, um im Haushalt oder auf dem Hof zu helfen; vor allem in ländlichen Gebieten, in denen ein hoher Anteil der Kinder noch nicht mal die Grundschule abschließt. Obwohl die Schule in El Salvador theoretisch bis zur neunten Klasse kostenlos ist, entstehen dennoch versteckte Kosten – durch Schuluniformen, Lernmaterial und den Schulweg selbt. In den abgelegenen Gegenden schürt Unwissenheit einen Kreislauf der Armut. Viele Eltern sehen Bildung für ihre Töchter als unnötig an. Stattdessen scheinen für Mädchen eine frühe Heirat oder ein häusliches Leben unvermeidlich.
Gleichberechtigung auf dem Vormarsch
Plan International setzt sich deshalb in El Salvador für die Bildung von Kindern, insbesondere von Mädchen ein. Die Kinderrechtsorganisation stellt Stipendien zur Verfügung, bezahlt Schulmaterial und übernimmt die Transportkosten für den Schulweg. Von dieser Unterstützung profitierte auch Katerin – sie erhielt neben dem Busticket und Lernmaterialien auch Lebensmittel und konnte damit die Schule abschließen. Eine Unterstützung, die ihr Motivation gab sowie die Gewissheit, dass sie auf ihrem Bildungsweg nicht alleine dasteht.
Später schloss sich die junge Frau einem Jugendprojekt von Plan International an, das Mädchen und jungen Frauen Führungsqualitäten, Selbstbewusstsein und Wissen vermittelt, um für ihre Rechte einzutreten. In einem sicheren Umfeld entwickeln die Teilnehmerinnen Lebenskompetenzen, um die besonderen Herausforderungen anzugehen, mit denen Mädchen in gefährdeten Gemeinschaften wie denen in Cabañas konfrontiert sind.

„Es ist sehr wichtig, dass wir uns schon in jungen Jahren fragen, was wir später erreichen wollen.“
Das alles fördert auch die Gleichberechtigung der Geschlechter, die in vielen Teilen El Salvadors noch ganz am Anfang steht. Das lateinamerikanische Land ist wie die gesamte Region stark durch den Machismus geprägt, ein patriarchales Gesellschaftsmodell, in dem Männer als überlegen gelten und Frauen eine untergeordnete Rolle haben. Auch geschlechtsspezifische Gewalt ist dort weit verbreitet. Das führt dazu, dass viele Mädchen und Frauen oft diskriminiert werden und in wichtigen Lebensbereichen weniger Entscheidungsbefugnis haben als Jungen und Männer. Doch junge Frauen fordern zunehmend einen gesellschaftlichen Wandel.
Katerins unbeirrter Weg zur Inspirationsquelle für junge Menschen
Welche Früchte eine berufliche und persönliche Weiterentwicklung von jungen Frauen tragen kann, zeigt Katerins Geschichte. „Es ist sehr wichtig, dass wir uns schon in jungen Jahren fragen, was wir im Leben erreichen wollen, und an unserer Zukunft arbeiten“, erklärt sie selbstsicher. Heute ist sie Jugendleiterin in ihrer Gemeinde und eine Inspirationsquelle für andere junge Menschen.


„Ich bin sehr stolz, wenn andere Mädchen zu mir kommen und mich fragen, wie sie Unterstützung in der Schule oder für ihr Studium bekommen können“, so die Aktivistin weiter. „Meinen Weg zu gehen und die positiven Ergebnisse zu sehen, hat sich für mich sehr gelohnt.“
Aktuell studiert Katerin Sozialarbeit und steht kurz vor ihrem Universitätsabschluss. Diese Leistung ist aber nicht nur ein akademischer Erfolg; sie ist ein persönlicher und familiärer Triumph und eine Erinnerung daran, dass es sich lohnen kann, den eigenen Weg unbeirrt zu gehen.
Für eine gewaltfreie Zukunft von Mädchen und Frauen
Trotz wirtschaftlich beschränkter Mittel und vor allem mangelnder Unterstützung durch die Menschen, die ihr am nächsten stehen, hat ihre Entschlossenheit Katerin geholfen, sich auf neue Pfade zu wagen. Nun hat sie sich dazu verpflichtet, ihre Fähigkeiten zu nutzen: Sie will anderen Mädchen und Frauen helfen, sich gegen Gewalt zur Wehr zu setzen und ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Ihr Studium bereitet sie auf eben dieses Ziel vor.
„Durch meine Karriere werde ich in der Lage sein, Mädchen zu unterstützen, die unter jeglicher Art von Gewalt leiden“, freut sich die angehende Sozialarbeiterin. „Ich werde ihnen die Mittel an die Hand geben und ihnen den Weg zeigen, wie sie der Gewalt ein Ende setzen können.“ Die Stimme der jungen Frau ist eine unter vielen, die in dem kleinsten und am dichtesten besiedelten Land in Mittelamerika anderen jungen Frauen eine Inspiration sein wollen, die wie sie von einer besseren Zukunft träumen.
Die Geschichte von Katerin wurde mit Material aus dem salvadorianischen Plan-Büro erstellt.