Drei Tage haben Aichatou, ihr Mann und ihre drei Kinder Zeit, um ihr Zuhause zu verlassen – und ins Ungewisse zu fliehen. Sogenannte „bewaffnete nichtstaatliche Gruppen“ haben ihr Dorf im Westen Nigers überfallen, es sich angeeignet und stellen den Menschen ein Ultimatum zur Flucht. „Um unser Leben zu retten, ließen wir alles zurück“, sagt Aichatou.
Seit Anfang 2021 hat sich der Konflikt in Nigers westlicher Region Tillabéri, die an Mali und Burkina Faso grenzt, verschärft. Angriffe auf Dörfer haben zugenommen. Oftmals verlangen die bewaffneten Gruppen, dass die Menschen ihre Häuser verlassen sollen – oder sie machen ihre Dörfer unbewohnbar, indem sie Getreidespeicher verbrennen, das Vieh plündern und so die Nahrungsmittelreserven der Menschen zerstören.
„Mit der Vertreibung hat sich alles geändert, wir haben alles verloren.“
„Mein Mann war ein Goldsucher, er hatte auch Tiere und ein Feld, auf dem wir Hirse, Mais, Okra und Bohnen anbauten“, erzählt die 30-Jährige. „Wir lebten sehr glücklich. Wir hatten genug zu essen und meine Kinder besuchten die Schule. Aber mit der Vertreibung hat sich alles geändert, wir haben alles verloren.“
Die Familie flieht zunächst in die Stadt Daba. Doch drei Jahre später sind sie erneut zum Umzug gezwungen: auch hier hat sich die Sicherheitslage verschlechtert. Mehr als 335.000 Menschen sind in Niger bereits durch die Gewalt und Angriffe bewaffneter Gruppen vertrieben worden.
Aichatou und ihre Familie leben nun seit einem Jahr in Torodi im Westen Nigers – und kämpfen buchstäblich ums Überleben. Aichatou berichtet: „Wir haben kaum zweimal am Tag etwas zu essen, wir sind nie satt. Wir konnten die Kinder zwar in der Schule anmelden, doch oft gehen sie mit leerem Magen und ohne Schulgeld dorthin. Manchmal bringe ich Opfer und esse nichts, damit meine Kinder etwas haben.“ Trotz all dieser Umstände bleibt Aichatou positiv: „Ich bin dankbar, dass unser Leben verschont geblieben ist. Solange es Leben gibt, gibt es immer Hoffnung.“
Plan International reagiert auf die Krise in Tillabéri und unterstützt die bedürftigen Haushalte, die von dem Konflikt betroffen sind. In Zusammenarbeit mit dem „Regional Humanitarian Fund for West and Central Africa“ (Regionaler Humanitärer Fonds für West- und Zentralafrika) der Vereinten Nationen (UN) hat Plan International ein Projekt zur Sicherung des Lebensunterhalts durchgeführt, das auf die Stärkung der Viehzucht in der Region und damit auf eine Rückkehr zur Selbstversorgung der geflüchteten Familien abzielt.
Aichatou zählt zu den 150 Haushalten, die für das Projekt ausgewählt wurden: „Plan International hat uns vier Ziegen geschenkt und ich wurde in der Pflege der Tiere geschult. Sie pflanzen sich leicht fort: Eine einzige Ziege kann mehr als vier Jungen pro Jahr zur Welt bringen, eine Ziege hat bereits ein Kitz geboren. Ziegen sind ein Gewinn: Sie sind vierbeinige Lebensretter!“
Die Tiere verschaffen Aichatou nicht nur ein Einkommen, sondern die Milch, die sie produzieren, kann zur Ergänzung der Ernährung ihrer Familie verwendet werden. „Ihre Milch verwenden wir für die Familie – die Kinder lieben die Milch und nehmen viel davon zum Frühstück zu sich, zusammen mit gekochtem Reis“, erzählt die dreifache Mutter.
Aichatou ist weit mehr als nur eine Überlebende. Sie ist ein Beispiel für die Widerstandsfähigkeit und Entschlossenheit der Menschen in dem westafrikanischen Land. „Ich hoffe, dass sich meine Ziegen weiter vermehren, damit ich ein paar von ihnen verkaufen und Rinder anschaffen kann. Ich möchte ein kleines Geschäft aufbauen und für meine Familie eine bessere Zukunft sichern.“
Niger ist weiterhin mit einer akuten und komplexen humanitären Krise konfrontiert. Diese ist durch die Auswirkungen von anhaltenden Unsicherheiten, Epidemien, Ernährungsunsicherheit und Überschwemmungen gekennzeichnet – und der Bedarf an humanitärer Hilfe steigt weiter: Nach UN-Angaben werden im Jahr 2024 rund 4,3 Millionen Menschen, darunter 2,4 Millionen Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen sein.
Der Beitrag wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Niger erstellt.