Malis verlorene Kinder: Rückkehr nach Hause

Foto: Coumba Bah

Schätzungen zufolge leben mehr als 6.000 Kinder auf den Straßen von Malis Hauptstadt Bamako. Auch der 10-jährige Oumar schlug sich allein durch – bis er einen Weg zurück nach Hause fand.

In Mali, einem der ärmsten Länder der Welt, gibt es viele Gründe, warum ein Kind obdachlos wird und auf der Straße lebt: Seine Eltern sind vielleicht gestorben, es wurde durch bewaffneten Konflikt aus seiner Heimat vertrieben oder es wurde einfach von seiner Familie getrennt. So ging es auch Oumar (10): 2020 war er von seinen Eltern für eine medizinische Behandlung nach Bamako gebracht worden. Nach seiner Genesung schickte ihn seine Mutter los, um in einem nahegelegenen Lebensmittelladen einzukaufen. Doch da er sich nicht in der Umgebung auskannte und nicht an die Stadt gewöhnt war, verlief sich der damals Achtjährige und fand nicht wieder zurück.

Auf der Straße zu leben, das bedeutet, immer auf der Hut zu sein, keinen Rückzugsort oder geschützten Raum zu haben. Straßenkinder sind häufig Gewalt ausgesetzt, kaum eines von ihnen geht in die Schule oder wird medizinisch versorgt.

Salif Koné (l.) von unserem Partner ENDA Mali zeigt einem Jungen aus dem Aufnahmezentrum, wie er sich die Hände richtig wäscht Coumba Bah
Zwei Jungen aus dem Aufnahmezentrum vertreiben sich die Zeit beim Kickerspielen Coumba Bah

Ein sicherer Hafen für obdachlose Kinder

Ein Jahr lang lebte Oumar auf der Straße, bis er von Mitarbeiter:innen eines Aufnahmezentrums für obdachlose Kinder und Jugendliche gefunden wurde. Das Aufnahmezentrum wird von Plan International in Zusammenarbeit mit ENDA Mali umgesetzt und bietet obdachlosen Kindern in Bamako einen sicheren Hafen. Die Kinder werden dort untergebracht, verpflegt, medizinisch versorgt und psychosozial betreut. Diejenigen, die von ihren Eltern getrennt wurden – so wie Oumar – erhalten Hilfe bei der Suche nach ihrer Familie.

„Dies ist ein Beispiel dafür, was alles möglich ist, wenn Nichtregierungsorganisationen Hand in Hand zusammenarbeiten“, betont Salif Koné, Projektbeauftragter von ENDA Mali. „Ich arbeite seit sechs Jahren in der Gemeindeentwicklung, insbesondere im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes. Fälle mit glücklichem Ausgang sind leider nicht zahlreich, aber sie bestärken uns in unserem Engagement.“

Die Kinder im Aufnahmezentrum essen gemeinsam Coumba Bah

Suche über WhatsApp

Auch Oumar hatte im Aufnahmezentrum endlich eine sichere Bleibe, nachdem er sich ein Jahr lang allein auf der Straße durchschlagen musste. „Angesichts seines jungen Alters war der Prozess der Wiedervereinigung mit der Familie recht mühsam“, berichtet Koné. „Er konnte uns nur seinen Namen, den seines Vaters, den Namen seiner Mutter und den Namen einer seiner Schwestern nennen.“ Eine andere Sache, die Oumar über sich selbst wusste, war seine ethnische Identität – welche die Information war, mit der das Team des Aufnahmezentrums seine Familie tatsächlich ausfindig machen konnte. Über Foren der WhatsApp-Community konnten Oumars Eltern gefunden werden.

„Oumars Vater wurde von einigen Mitgliedern seiner Gemeinde der Hexerei beschuldigt, nachdem das Kind verschwunden war. Er musste fliehen und im Wald Zuflucht suchen.“

Salif Koné, Projektbeauftrager bei ENDA Mali

An einem Mittwoch im Mai 2022 kehrte Oumar – zwei Jahre nach seinem Verschwinden – endlich zu seiner Familie zurück in das kleine Fischerdorf, aus dem er ursprünglich stammt. Ein Ereignis, auf das seine Familie kaum noch zu hoffen gewagt hatte. Oumars Abwesenheit hatte auch bei ihnen Spuren hinterlassen, wie der ENDA Mali-Projektbeauftragte berichtet: „Oumars Vater wurde, zusätzlich zu dem Schmerz über den Verlust seines Kindes, von einigen Mitgliedern seiner Gemeinschaft der Hexerei beschuldigt. Sie sahen das Verschwinden seines Sohnes als einen Akt des Kinderopfers an. Abgelehnt und ausgegrenzt blieb seinem Vater nichts anderes übrig, als zu fliehen, seine Familie zurückzulassen und im Wald Zuflucht zu suchen“, so Koné. Doch nach Oumars Rückkehr konnte auch sein Vater schließlich zur Familie zurück. Nun sind alle wieder vereint.

Oumars Geschichte wurde mit Material aus dem malischen Plan-Büro erstellt.

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