Der Schock saß tief. Bei seinen Eltern, aber erst recht bei Luis selbst. Nach einem Schießunfall, er war gerade mal 14 Jahre alt, setzten sich Kugelsplitter im Schädel des Jungen fest, die nicht entfernt werden konnten. Gerade in ländlichen Regionen von Paraguay erlegen die Menschen Tiere mit dem Gewehr. Ein Querschläger hatte für den Jungen fatale Folgen. Einige Monate später wurde bei Luis Epilepsie diagnostiziert, sodass er seitdem Medikamente zur Vorbeugung von Anfällen einnehmen und sich regelmäßig ärztlich untersuchen lassen muss – eine Herausforderung für die ganze Familie, die in einem kleinen Dorf im Departement San Pedro lebt.
Zehn Jahre später erlebte Luis eine weitere schwierige Phase in seinem Leben: Nach einer Operation an der unteren Wirbelsäule, bei der ein gutartiger Tumor entfernt wurde, erhielt er die niederschmetternde Nachricht, dass er nie wieder laufen könne. „Ich sitze nun schon seit sechs Jahren im Rollstuhl. Angefangen hat alles mit einem einfachen Schmerz im Rücken, einer Art Taubheit“, erinnert sich Luis. Trotz allem hat der heute 30-Jährige eine bemerkenswert positive Einstellung zum Leben: „Manchmal möchte ich ,che rye raku‘ (ein paraguayischer Ausdruck für Unglück) ausrufen, aber ich gebe mir immer selbst Kraft. Ich sage den Leuten: ,Egal was passiert, wir können alles erreichen, was wir uns vorgenommen haben.‘“
Vor seiner Operation arbeitete Luis in einer Schmiede und trug schwere Lasten, die bis zu 80 Kilo wogen. Danach war er nicht mehr in der Lage, diese Arbeit zu verrichten, aber er wollte trotzdem berufstätig bleibe und nicht unnütz die Zeit verbringen. Mithilfe seiner Eltern begann er, Gemüse an einem Stand in seinem Haus zu verkaufen.
„Egal was passiert, wir können alles erreichen, was wir uns vorgenommen haben.“
Eines Tages hörte Luis, der sich zeitlebens nicht hatte entmutigen lassen, von einem Beschäftigungsprogramm für Jugendliche in ländlichen Gebieten Paraguays. Plan International bot Kurse für junges Unternehmertum an. Luis meldete sich an, um zu lernen, wie er sein Geschäft erfolgreich führen kann. „Die Teilnahme hat mir Klarheit darüber verschafft, wie ich die Dinge organisieren sollte. Ich erstellte einen Geschäftsplan und konnte eine Startkapitalfinanzierung beantragen. Das hat mir sehr geholfen, mein Geschäft voranzubringen“, sagt Luis.
Mit dem im Rahmen des Projekts bewilligten Geld gestaltete Luis seinen Verkaufsstand um, damit er seine Waren besser präsentieren kann. „Ich habe jetzt einige Tische und Regale für meine Produkte. Ich habe auch neue Geräte gekauft, damit ich wegen meiner gelähmten Beine bequemer arbeiten kann. Ich möchte weiterwachsen, denn das ist es, was mich am Leben hält“, so Luis, der froh ist, dass er sein Geschäft von zu Hause aus betreiben kann. Von den Einnahmen kauft er die benötigten Medikamente und finanziert seine Arztbesuche. „Ich falle meinen Eltern nicht zur Last, weil ich dank meines Geschäfts für mich selbst verantwortlich sein kann. Ich kann meine Beine nicht mehr bewegen, aber ich kann meinen Verstand benutzen.“
Während ständig Leute aus der Nachbarschaft seinen Stand besucht, unterbricht Luis das Gespräch, um sie zu bedienen. Nach einer dieser Pausen schaut er nachdenklich und sagt: „Ich möchte den Leuten sagen, dass wir nicht negativ denken sollen. Wir werden nicht immer gewinnen, aber wenn wir gewinnen, müssen wir dankbar sein.“