Als sie 15 Jahre alt ist, schreibt Chu in ihr Tagebuch: „Eines Tages werde ich aufs College gehen, einen festen Job haben, heiraten und ein erfülltes, glückliches Leben führen.“ Sie ahnt nicht, dass ihre Wünsche schon bald für einen Konflikt sorgen werden.
Sie ist in der neunten Klasse, als die Eltern ihres Freundes eines Tages zu Chu nach Hause kommen – mit einem Heiratsantrag im Namen ihres Sohnes. Chu hatte nur zwei Verabredungen mit dem Jungen und kannte ihn kaum, der Gedanke an eine Heirat war ihr nie in den Sinn gekommen. Sie vertraut sich ihrem Vater an, spricht mit ihm über ihre Sorgen und sagt ihm, dass sie so früh nicht heiraten möchte. Ihr Vater beruhigt sie und verspricht: „Unsere Familie denkt nur über den Antrag nach. Du musst jetzt noch nicht heiraten; du kannst bei uns bleiben.“
In der Unterstützung ihres Vaters fand Chu immer Trost. Die plötzliche Aussicht, ihre Träume für eine schnell arrangierte Verbindung zu opfern, fühlt sich für die junge Frau erdrückend an. Doch die Traditionen und sozialen Normen ihrer Gemeinschaft, den H’mong im Norden Vietnams, lasten schwer auf Chu – und hemmen ihre Selbstständigkeit.
Als ihr Vater ihr mitteilt, dass die Familie des Bräutigams nicht wolle, dass Chu ihre Ausbildung fortsetzt, verzweifelt sie noch mehr. Die Familie ist der Meinung, dass die Unterkunft für Mädchen, welche die Oberschule besuchen, für ein verheiratetes Mädchen nicht geeignet sei. In ihrer Verzweiflung erinnert Chu ihren Vater an sein Versprechen, nicht sofort heiraten zu müssen – doch die Familie des Bräutigams besteht auf eine sofortige Eheschließung. „Ich will zur Schule gehen! Ich will zur Schule gehen“, sagt Chu wiederholt zu ihrem Vater. Das ist nicht die Zukunft, die sie sich vorgestellt hat.
Da ihr Vater nicht nachgibt, sucht sich die junge Frau Hilfe bei ihren Lehrkräften und wendet sich an das Projekt „Time to Act!“ („Zeit zu handeln!“) von Plan International. „Time to Act!“ unterstützt jugendlichen Aktivismus sowie Interessenvertretung und Engagement zur Beendigung der Frühverheiratung in Vietnam. Nachdem die örtliche Kinderschutzbehörde auf Chus Situation aufmerksam gemacht wird, besuchen Mitarbeitende die Familie und versuchen, den Vater davon zu überzeugen, die Hochzeit abzusagen. Und tatsächlich löst Chus Vater sein früheres Versprechen doch noch ein und zwingt seine Tochter nicht in diese Ehe.
Doch für ihre Schulausbildung ist es da schon zu spät: Chu hat die Aufnahmeprüfung für die High School verpasst; im Unterricht war sie mit dem Lernstoff zudem durch die Angst vor der Hochzeit zurückgeblieben. Wild entschlossen gibt die junge Schülerin nicht auf, sondern schlägt einen anderen Weg ein. „Dieses Mal werde ich mein eigenes Schicksal bestimmen“, sagt sie sich.
Chu entscheidet sich, einem Jugendclub für wirtschaftliche Entwicklung beizutreten. In der von Plan International unterstützen Vereinigung lernen Jugendliche verschiedene Berufe kennen und ökonomisches Hintergrundwissen. Chu nimmt an einer Reihe von Kursen teil – von der Schweinezucht bis zum Friseurhandwerk. Mit jeder neuen Fähigkeit, die sie sich aneignet, legt Chu einen weiteren Baustein für ihre Zukunft.
In ihrer Freizeit schließt sie sich zudem den „Champions of Change“ („Champions des Wandels“) an. Das Programm von Plan International ermutigt Jugendliche, sich für Gleichberechtigung stark zu machen, indem es sie über Ungleichheiten und ihre Rechte aufklärt – für Chu eine weitere Quelle ihres Wachstums, die neben Lebenskompetenzen und einem lebendigen Gemeinschaftssinn auch ihre Freundschaften fördert.
Unter Anleitung des „Champions of Change“-Clubs beginnt Chu, kurze Reden vor Gleichaltrigen zu halten. Jede Herausforderung, die sie meistert, jede Fähigkeit, die sie neu erlernt, lässt die junge Frau weiter aufblühen. Ihre Stimme wird selbstbewusster – und schließlich wird sie sogar eingeladen, die nächste „Champions of Change“-Moderatorin zu werden. Als solche ist Chu inzwischen ein erfahrenes Clubmitglied. Freiwillig setzt sie sich für die Kinder in ihrer Gemeinde ein. Sie teilt ihre eigene Geschichte mit anderen Mädchen, um sie zu ermutigen, die frühe Heirat zu vermeiden und sich stattdessen für eine Ausbildung zu entscheiden.
Chus Lebenswandel ist nicht nur ein persönlicher Triumph, sondern auch ein starkes Symbol für die Widerstandsfähigkeit bei schwierigen Herausforderungen. Sie zeigt die Kraft von Bildung und Unterstützungssystemen junger Menschen sowie ihr Selbstvertrauen, um den eigenen Weg zu gehen. Für die willensstarke Chu selbst ist die Antwort klar: „Ja, du kannst es!“
Chus Geschichte wurde mit Material aus dem vietnamesischen Plan-Büro erstellt.