Die 12-jährige Balkissa steht inmitten einer ordentlichen Reihe von Gemüsebeeten und ist damit beschäftigt, die frisch gekeimten Tomatenpflanzen ihres Schulgartens zu gießen. „Dank unserer Gartenarbeit können wir die Schulkantine mit Gemüse für unsere Mahlzeiten versorgen“, erklärt sie und lächelt. „Ich arbeite gerne im Garten, weil ich dabei neue Dinge lerne.“
Balkissas Klassenkameradin Aminata (13) hilft beim Gießen der Kohl- und Kartoffelsetzlinge. „Wenn ich in den Garten komme, gieße ich, und ich pflanze Zwiebeln und Kohlpflanzen. Zu Hause essen wir kein Gemüse, erst seit wir den Schulgarten haben, kann ich Gemüse essen.“
Hier in Kaya, in der trockenen nördlichen Region von Burkina Faso in Westafrika, herrscht seit mehr als einem Jahr eine Hungerkrise. Der Konflikt zerstört die Lebensgrundlagen und zwingt Hunderttausende von Familien, auf der Suche nach Sicherheit und Nahrung aus ihrer Heimat zu fliehen. Da bewaffnete Gruppen in ganz Burkina Faso operieren und inzwischen ganze Regionen kontrollieren, sind 1,9 Millionen Menschen, darunter mehr als eine Million Kinder wie Aminata und Balkissa, vor der Gewalt geflohen und haben in anderen Teilen des Landes Sicherheit gesucht.
Mehr als 6.000 Schulen sind geschlossen, Tausende von Kindern bleiben dem Unterricht fern und sind in Gefahr, ausgebeutet zu werden. Ein von Plan International durchgeführtes Projekt zur Ernährungssicherung, das auch Schulgartenclubs umfasst, ermöglicht es den Schulen nicht nur, den Schüler:innen kostenlose Schulmahlzeiten anzubieten, sondern schafft so auch Anreize für die Familien, ihre Kinder in die Schule zu schicken, da sie wissen, dass sie dort versorgt werden.
„In diesem Jahr haben wir eine Lebensmittelkrise erlebt“, sagt Souleymane Ouedraogo, der Leiter einer der Schulen in Kaya. Er erklärt, dass viele seiner Schüler:innen mehr als fünf Kilometer zu Fuß zur Schule gehen und zu diesem Zeitpunkt bereits hungrig und müde sind. „Und wegen dieser Krise haben wir auch festgestellt, dass viele Schülerinnen und Schüler dem Unterricht fernbleiben. Sie kommen nicht, weil es hier mittags nichts zu essen gibt. Wenn ein Kind nicht genug isst, kann es im Unterricht nicht aufpassen. Manchmal kommen Kinder zwar zur Schule, aber sie schlafen im Unterricht, weil sie hungrig sind. Also habe ich mir gesagt, wenn wir eine Mahlzeit pro Tag anbieten, werden die Eltern einverstanden sein, die Kinder zur Schule zu schicken. Das ist eine sehr gute Initiative. Ich bin persönlich in den Garten involviert, von Anfang an, bis heute, jeden Tag bin ich hier. Wir kultivieren, wir gießen, wir pflanzen. Es ist auch eine Aktivität, die den Kindern mehr gibt, als nur Nahrung."
„Die Kinder sind sehr interessiert“, fügt Fabienne Nikiema hinzu. Die Landwirtschaftskoordinatorin des Projekts glaubt auch, dass der Gartenclub dazu beiträgt, Freundschaften zwischen einheimischen und neuen, vertriebenen Kindern an der Schule zu knüpfen. „Die geflüchteten Kinder blühen richtig auf. Es ist eine völlige Veränderung, denn am Anfang waren die Kinder ein wenig traurig, und jetzt, wenn wir sie mit den anderen zusammenarbeiten sehen, spüren wir, dass sie entspannt sind, dass sie Spaß haben.“
„Die geflüchteten Kinder blühen richtig auf. Es ist eine völlige Veränderung.“
„Hier in der Schule haben wir viele Kinder von Binnenvertriebenen aufgenommen", sagt Mariam Zabré, Mitglied der Müttervereinigung der Schule, die im Gartenclub hilft. „Diese Kinder haben sich bereit erklärt, zur Schule zu kommen, weil ihnen eine Mittagsmahlzeit garantiert wurde.“
Balkissa, die mit ihren Eltern und Geschwistern floh, als eine bewaffnete Gruppe in ihr Dorf kam, sagt, dass es zu Hause nicht genug zu essen gibt. „Als ich in meinem Dorf war, habe ich gut gegessen, aber als wir fliehen mussten, haben wir unsere gesamten Lebensmittelvorräte im Dorf gelassen.“
Einem Bericht von Plan International zufolge greifen Kinder und Familien, die nicht genug zu essen oder nicht genug Geld für den Kauf von Lebensmitteln haben, auf extreme Bewältigungsmechanismen zurück, um sich Nahrung zu beschaffen – zum Beispiel die Trennung von der Familie, Kinderarbeit, Kinderheirat, Rekrutierung und Einsatz bei Streitkräften und bewaffneten Gruppen sowie sexuelle Ausbeutung. „Wir bekommen manchmal mit, dass Kinder die Schule verlassen, um zu arbeiten“, stimmt Ouedraogo zu. „Einige gehen in die Stadt, andere werden gezwungen, als Händlerinnen und Händler zu arbeiten und Waren zu transportieren, vor allem die Mädchen, um Gewürze, Snacks und Getränke und Ähnliches zu verkaufen. Andere gehen betteln. Die Jungen arbeiten in den Goldminen, um etwas zu verdienen, um der Familie zu helfen. Das bringt sie in Gefahr.“
Das Projekt der Schulgartenclubs von Plan International konzentriert sich auf drei Gebiete im zentralen Norden von Burkina Faso – Kaya, Boussouma und Kongoussi. In der Region Zentral-Nord in Burkina Faso gibt es inzwischen zwölf Schulen, die Schulgärten betreiben: vier in Kaya, drei in Kongoussi und fünf in Boussouma.
„Wenn ich nicht in der Schule wäre“, sagt Balkissa, „müsste ich in einem Laden arbeiten, aber in der Schule lerne ich lesen und schreiben, ich lerne Lieder, ich lerne auch Gartenarbeit.“
„Ich würde als Straßenhändlerin Gewürze verkaufen, wenn ich nicht zur Schule gehen würde“, sagt Sadia (16), ein anderes vertriebenes Mädchen. „Unsere Mahlzeiten zu Hause werden ohne Kohl, ohne Tomaten und ohne Gurken zubereitet. Wenn ich nicht genug gegessen habe, fällt es mir schwer, zur Schule zu gehen und am Unterricht teilzunehmen, denn mein Zuhause ist weit von der Schule entfernt. Wenn ich morgens in den Garten komme, grabe ich, gieße und putze die Gemüsebeete. Die Arbeit im Garten macht mir wirklich Spaß, weil ich dabei viel lerne. Von allen Arbeiten im Garten macht mir das Gießen am meisten Spaß.“
Die Kinder, die Mitglieder des Gartenclubs sind, haben gelernt, Pflanzen aus Samen zu ziehen und in die Erde zu pflanzen, die Setzlinge zu gießen und zu pflegen und ihre eigenen natürlichen Pestizide aus Neem-Baumblättern, Chilischoten und Seife herzustellen. „Wir mischten die Zutaten und ließen sie drei Tage lang stehen, bevor wir die Pflanzen besprühten, um Schädlinge zu bekämpfen“, erklärt Balkissa.
Diese Fertigkeiten sollen den Kindern in Zukunft helfen, damit sie einen eigenen Garten anlegen und ihre eigenen Lebensmittel anbauen können. „Der Garten wird es den Lehrkräften auch ermöglichen, praktische Kurse in Landwirtschaft zu geben. Das wird den Kindern in ihrem Leben helfen“, erklärt Nikiema. „Es gibt Kinder, die die Aktivitäten schon jetzt zu Hause nachahmen und versuchen, zu Hause zu gärtnern.“
Eltern wie Miriam und die Lehrer:innen versuchen, die anderen Eltern zu motivieren, sich an der Gartenarbeit zu beteiligen und ihren Kindern zu erlauben, sich einzubringen. „Einige kommen, andere nicht“, sagt sie und erklärt, dass die Preise auf dem Markt in den letzten Monaten in die Höhe geschossen sind. „Viele Zutaten können wir einfach nicht mehr bekommen. Erdnusspaste ist überhaupt nicht mehr zu kriegen, wir müssen uns mit Tomatensauce begnügen. Auf dem Markt sind alle Preise gestiegen. Gewürze, Getreide, Speiseöl, alles ist teurer geworden.“
Dank des Gartenclubs können Sadia und ihre Freund:innen gut essen, und die Frauen in der Kantine können neben Reis und Bohnen und Couscous mit Kohlblättern „riz gras“ kochen – wörtlich übersetzt „fetter Reis“ wegen der öligen Soße. Natürlich kann der Schulgarten nicht für alles sorgen. Balkissa träumt davon, fetten, sättigenden Reis und Spaghetti zu essen, und hofft, eines Tages einen eigenen Garten zu haben, um Gemüse für die Mahlzeiten ihrer Familie anbauen zu können.
Schulleiter Ouedraogo wird emotional, wenn er an das denkt, was der Schulgarten bewirken kann: eine bessere Zukunft für die Kinder in seiner Obhut. „Wenn wir in den Garten gehen und die Kinder sehen, dann wissen wir, dass sie motiviert sind, wir wissen, dass sie glücklich sind“, sagt er gerührt.