Magreth war ein Mädchen, das zu allem fähig schien. Sie wuchs im Bezirk Kisarawe in der Küstenregion Tansanias auf und war in der Grundschulzeit das enthusiastische Gesicht in Lehrvideos und Kampagnen für Kisarawes Club für Kinderrechte. Abseits der Kamera entdeckte sie ihre Liebe zum Schreiben, während sie mit ihrem Plan-Paten in Schweden korrespondierte. Mit elf Jahren schrieb sie bereits Geschichten für „Watoto Bomba“, ein Buch für Kinder, die mit alltäglichen Herausforderungen zurechtkommen müssen.
„Es waren Geschichten darüber, wie man sich in allen Situationen schützen kann, zum Beispiel in der Schule oder beim Schwimmen. Sogar darüber, wie man beim Bügeln keinen Stromschlag bekommt – das habe ich aus eigener Erfahrung geschrieben“, erinnert sie sich und lacht.
„Mit 13 Jahren durfte ich Sitzungen leiten, Dokumente gegenzeichnen und Feldarbeit machen.“
In der weiterführenden Schule entdeckte Magreth ihr Talent für Leadership während einer Takeover-Aktion, bei der sie die Leitung einer Programmeinheit von Plan International Tansania übernahm. „Mit 13 Jahren durfte ich Sitzungen leiten, Dokumente gegenzeichnen und Feldarbeit machen. Das hat Spaß gemacht – aber es war auch ernst!“
Obwohl Magreth viele Talente hatte, waren alle schockiert und überrascht, als sie mit 14 Jahren ankündigte, dass sie Ärztin werden wollte.
In einer Gemeinschaft, in der laut Magreth viele Mädchen vor dem 16. Lebensjahr verheiratet und schwanger sind, hatte noch nie eine Frau Medizin studiert. War das überhaupt möglich? Ihre Familie befürchtete, dass sie ihre Zeit vergeuden würde. Magreth reagierte darauf, indem sie Physik und Biologie in ihren Stundenplan aufnahm. „Ich wollte allen das Gegenteil beweisen“, sagt sie. „Ich wollte nicht nur ein gewöhnliches Mädchen sein.“
„Ich wollte allen das Gegenteil beweisen.“
Mit Magreths Aufnahme an der Muhimbili Universität für Gesundheitswissenschaften in der Küstenstadt Daressalam kamen harte Arbeit, lange Studientage und der finanzielle Stress, die Studiengebühren und Lehrbücher zu bezahlen. Aber sie setzte sich durch. In einem Land, in dem es in vielen Regionen nur einen Arzt oder eine Ärztin pro 100.000 Einwohner:innen gibt, wurde Magreth immer deutlicher, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung für viele ein Problem ist.
„Wenn die Menschen in ein Krankenhaus kommen, sind sie oft schon in einem fortgeschrittenen Stadium von Krebs oder Herzkrankheiten“, erklärt sie. „Ich dachte mir, wenn ich eine gute Ärztin sein will, muss ich diese Krankheiten verhindern.“ Aber wie?
Magreth beteiligte sich an einer Initiative zur Übersetzung von medizinischen Informationen aus dem Englischen ins Suaheli. Diese wurden auf einer Website veröffentlicht, damit auch Menschen, die kein Englisch sprechen, proaktiv auf Informationen über ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zugreifen können. Der Name dieses Projekts war „Daktari Mkononi“, was so viel wie „ein Arzt zur Hand“ bedeutet.
Im vergangenen Jahr begann Magreth mit der COVID-19-Impf-Initiative der Afrikanischen Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention zusammenzuarbeiten, um Jugendliche zu bewegen, sich impfen zu lassen. „Junge Menschen fühlen sich sicher vor COVID-19 und befürchten, dass der Impfstoff ihnen die Energie raubt und sie unfruchtbar macht“, erklärt Magreth. „Wir müssen ihre Denkweise verstehen, damit wir sie auf eine Weise ansprechen können, die wirksam ist.“
Magreth ist jetzt 27 Jahre alt, und arbeitet an ihrem Master-Abschluss in öffentlicher Gesundheit. Die Talente, die sie als Kind entwickelt hat, kommen ihr auch heute noch zugute. Sie schreibt Artikel, tritt in Radiosendungen auf und hält öffentliche Reden. Dabei setzt sie sich für Themen ein, die mit der reproduktiven Gesundheit und den Rechten der Frauen zusammenhängen, zum Beispiel Wochenbettdepressionen, Stillen und Pflege von Babys nach der Geburt – Themen, mit denen junge Frauen in ihrem Land und auf der ganzen Welt täglich konfrontiert sind.
In Tansania ist der Widerstand der Familie und der Gemeinschaft nur eines der Hindernisse, mit denen Mädchen konfrontiert sind, wenn es um Bildung geht. Wenn es finanzielle Probleme gibt, werden Mädchen von der Schule genommen. Wenn eine Schule keine Toiletten für Mädchen hat, bleiben sie zu Hause, während sie menstruieren. Frühzeitige und erzwungene Heirat und Schwangerschaft beenden in über 99 Prozent der Fälle die Schulbildung von Mädchen.
In Zusammenarbeit mit der Regierung und Gemeindeorganisationen hat Plan International das Projekt „Keeping Adolescent Girls in School“ im Norden Tansanias gestartet. Das Ziel des ersten Projektjahres war es, die Bildungschancen von Mädchen zu verbessern, indem ihre sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung gestärkt wird. Ein wichtiger Aspekt der Initiative ist, Eltern und die Gemeinde in das Vorhaben mit einzubeziehen und Familien praktisch bei der Bildung ihrer Mädchen zu unterstützen. Im zweiten Projektjahr werden Spargruppen in den Gemeinden gegründet, die unter anderem die Familien bei der Finanzierung von Schuluniformen und -materialien entlasten sollen.
„Wenn man jemanden bestärkt, für seine Rechte und Träume zu kämpfen, hat die Person auch die Chance, andere zu stärken.“
Rückblickend beschreibt Magreth ihren Weg als „sehr, sehr hart“, fühlt sich aber durch die Fortschritte, die sie in ihrer Gemeinde sieht, ermutigt. Viele Mädchen besuchen die Sekundarschule und einige sogar die Universität, was vor zehn Jahren noch undenkbar war.
Als Jugendbeauftragte von Plan International in Tansania unterstützt Magreth diesen Fortschritt jeden Tag – sogar an ihrem freien Tag. An Samstagen, wenn sie nach Hause zurückkehrt, um sich mit Familie und Freund:innen zu treffen und im Kirchenchor zu singen, leitet sie auch Workshops zur Stärkung von Mädchenrechten. Für Magreth ist diese Zeit gut investiert: „Wenn man jemanden bestärkt, für seine Rechte und Träume zu kämpfen, hat die Person auch die Chance, andere zu stärken.“