Jaimitos Vater war dominant, kontrollsüchtig – und gewalttätig. „Als meine jüngere Schwester und ich einmal spät nach Hause kamen, weil wir auf einer Party unseres Nachbarn gewesen waren, schlug uns unser Vater“, erinnert sich der 36-Jährige aus Ecuador. „Auch mich. Aber die schlimmsten Schläge bekam meine Schwester ab, weil sich Frauen nicht vergnügen sollten.“
Vier Schwestern hat Jaimito, sie sind interessiert, neugierig, wollen lernen und sich verwirklichen. Doch keine von ihnen durfte nach der Grundschule weitermachen. Stattdessen waren sie gezwungen, auf den Feldern zu arbeiten und die Tiere zu hüten. Jaimito und sein Bruder hingegen haben beide die Oberschule abgeschlossen. Damals hielt er das für normal, war überzeugt, dass Männer mehr Wert wären als Frauen und ihnen mehr Privilegien und Macht zustünden. Sie versorgten schließlich die Familie mit Geld. Gefühle wie Traurigkeit oder Schmerz – das gehörte nicht zur Männlichkeit dazu, sie durften nicht gezeigt werden.
„Mein Vater sagte: Du bist ein Mann. Du weinst nicht.“
„Im Kindergarten und in der Schule lernte ich, dass Männer nicht wie Mädchen sein dürfen, sondern männlich sein müssen“, erzählt Jaimito. Männlich – das bedeutete in seiner Welt: „Ich dachte, ich könnte angreifen und beleidigen, unsensibel, gewalttätig und unverantwortlich sein, weil ich ein Mann bin.“
Erst, als er mit 18 sechs Monate Wehrpflicht leistete, lernte Jaimito, wie man Hausarbeiten erledigt, was bis dahin seine Schwestern übernommen hatten. Trotzdem überließ auch er diese Aufgaben nach dem Pflichtdienst seiner Frau Dolores, die er mit 24 heiratete und die ebenfalls in einer traditionellen Familie mit Machokultur großgeworden war. Auch die Erziehung der Kinder ließ Jaimito in den Händen seiner Frau, sowie die Arbeit auf dem Feld. Er hielt es lange Zeit nicht für nötig, eine Bindung zu seinen Kindern aufzubauen. Bis er 2016 anfing, sich als Freiwilliger an der Umsetzung von Projekten von Plan International in seiner Gemeinde zu beteiligen.
Im Rahmen seiner Ausbildung nahm er an Workshops über Geschlechtergleichstellung, Gewaltprävention und frühkindliche Entwicklung teil. Außerdem lernte er das Projekt „Dads who Care“ (etwa „Väter, die sich kümmern“) kennen, das Väter darin unterstützt, sich stärker an der Erziehung ihrer Kinder zu beteiligen.
„Ich habe meinen Sohn nie in den Arm genommen. Nicht einmal, wenn er geweint hat“, gibt Jaimito zu. „Ich habe meiner Frau dann nur gesagt, dass sie es tun soll. Erst jetzt erkenne ich, dass ich Fehler gemacht und wie viel Schaden ich angerichtet habe, indem ich meinen Kindern keine Zuneigung entgegengebracht habe.“
Das alles ist heute anders. Der zweifache Vater ist überzeugt, dass das, was er als Freiwilliger in den Plan-Projekten lernen konnte, sein Leben verändert hat. Er engagiert sich weiterhin für Kinder in seiner Gemeinde, für Geschlechtergerechtigkeit und dafür, dass Männlichkeit auch Zärtlichkeit, Verletzlichkeit und Sensibilität bedeutet – und so vieles mehr.
Gemeinsam mit weiteren Helfer:innen hat der 36-Jährige Plan-Projekte unterstützt, in denen Familiengärten gebaut wurden oder Männer ermutigt wurden, sich an der Hausarbeit zu beteiligen. So wie Jaimito es inzwischen tut. Seinen zehn und sechs Jahre alten Kindern bringt er bei, seinem Beispiel zu folgen und altmodische Geschlechterklischees infrage zu stellen. Mit seiner Frau teilt er sich nicht nur die Haus- und Erziehungsarbeit, auch ihr Geld verdienen die beiden inzwischen gemeinsam mit einem Erdbeerfeld und einer Milchproduktion. Jaimito ist stolz auf sich. „Wir Männer sprechen oft über unsere Erfolge, aber nie über Ängste oder Zweifel. Wir vermeiden es, unsere Gefühle zu zeigen. Aber Plan International hat mich gelehrt, meine Mentalität zu ändern – und dadurch ein besserer Vater zu werden“, sagt er.
Jaimitos Geschichte wurde mit Material aus dem ecuadorianischen Plan-Büro aufgeschrieben.