Im Herzen Ecuadors, an der Westkordillere der Anden, liegt Bolívar. Die kleinste Provinz des südamerikanischen Landes ist nach dem Freiheitskämpfer Simón Bolívar benannt. Kämpferisch und selbstbewusst – das ist auch das im entlegenen Hochland lebende indigene Mädchen Mirella. Ihr Dorf ist von kargen Hügeln und beeindruckenden Bergen umgeben. Umso farbenfroher ist die traditionelle Kleidung der 16-Jährigen: eine weiße, bestickte Bluse mit stilisierten Motiven, die die personifizierte Erdmutter Pacha Mama und Tiere darstellen, das orangerot leuchtende Schultertuch, das wie ein Kontrapunkt zur kargen Landschaft des Altiplano genannten Hochlands wirkt, sowie ein schwarzer Rock.
Mirella ist die mittlere von drei Schwestern. Ihre Mutter ist alleinerziehend und teilt das Schicksal vieler lateinamerikanischer Frauen in einem Land, das vom Machismo – der männlichen Dominanz gegenüber Frauen – geprägt ist. Sie musste die Kinder ohne Partner großziehen, nachdem der Vater die Familie früh verlassen hatte. Doch Mirellas Mutter spornte das umso mehr an, alles zu tun, um ihren Töchtern den Weg in eine gute Zukunft zu ebnen. Mirella nimmt deshalb am Patenschaftsprogramm von Plan International teil. Sie und ihre Familie haben so immer wieder Hilfe bekommen, denn ein Fokus von Plans Arbeit ist darauf gerichtet, Mädchen und Frauen zu stärken. Mirellas Mutter nahm zum Beispiel an einem Workshop für Eltern über die Bedeutung von Bildung teil, der ihr klarmachte, dass ihre Töchter nur eine Chance haben, um nicht in Armut zu verharren: Schulbildung.
Obwohl der Schulbesuch in Ecuador nichts kostet, stoßen gerade Mädchen aus armen Familien, die in entlegenen ländlichen Regionen leben, im Alltag auf viele Hindernisse. Mirellas Dorf in den Bergen ist wunderschön, wie sie selbst auch findet, doch es ist extrem abgelegen. Nur wenige Busse fahren dorthin und die Wege zu Fuß sind weit. Viele Mädchen werden hier früh schwanger. Sie müssen dann die Schule abbrechen und arbeiten gehen. Genau das wollen Mirella und ihre Schwestern nicht. Mit der Unterstützung ihrer Mutter und eiserner Disziplin tut die 16-Jährige alles, um die Schule erfolgreich abzuschließen: „Jeden Tag stehen wir um vier Uhr morgens auf, um unsere Tiere zu versorgen und anschließend Handarbeiten herzustellen, die wir auf dem Markt verkaufen können“, erzählt Mirella. „Wir schauen, dass wir bis halb sieben fertig sind. Dann wird es Zeit, sich auf den Weg in die Schule zu machen.“
Plan International fördert Mirellas Ausbildung mit einem Stipendium, das sie und andere Patenkinder dabei unterstützt, Hefte, Stifte, Schuluniformen und Schuhe zu kaufen. „Ich freue mich, diese Unterstützung zu bekommen, denn ich weiß, dass Bildung meine Zukunft ist“, erklärt Mirella. „Ich weiß, dass ich die Schule beenden werde, und träume davon, zu studieren. Ich will Ärztin werden und anderen Menschen das Leben retten. Ich stelle mir immerzu vor, dass ich eine glückliche Frau bin, die tun kann, was ihr gefällt, und anderen Menschen hilft.“
„Ich weiß, dass ich die Schule beenden werde, und träume davon, zu studieren.“
Mirellas Selbstbewusstsein hat auch damit zu tun, dass sie an verschiedenen Plan-Workshops teilgenommen hat, um Eigenverantwortung („leadership“) zu übernehmen. „Ich habe gelernt, mich ohne Angst zu äußern, meine Meinung zu sagen und für meine Ziele einzustehen. Außerdem ist es schön, mich über die Workshops mit anderen jungen Frauen anzufreunden.“ Mirella, die sich selbst als ein Mädchen mit vielen Qualitäten betrachtet, spielt in ihrer Freizeit gern Fußball. „Ich bin Teil der Mädchen-Fußballmannschaft, die unsere Gemeinde vertritt. Und ich möchte noch viele neue Dinge lernen, die mir helfen, im Leben voranzukommen.“
Claudia Ulferts ist Lateinamerika-Expertin und hat Ecuador mehrfach besucht. Die Geschichte von Mirella wurde mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro aufgeschrieben.