„Ein Mädchen zu sein, erfordert viel“, sagt Ana nachdenklich. Sie wohnt in Alta Verapaz, einer abgelegenen und überwiegend ländlichen Region in Guatemala, die eine der höchsten Armutsraten des Landes aufweist. „Es ist sehr schwierig für uns. Es gibt immer noch Stereotypen, die uns einschränken.“
Es ist nicht selbstverständlich, dass die 19-Jährige Ana so frei über ihre Situation sprechen kann. Ihr ganzes Leben lang war sie schüchtern und traute sich nicht, in der Öffentlichkeit zu reden. Es mangelte ihr an Selbstvertrauen. Dass überhaupt jemand an ihren Gedanken interessiert sein könnte, schien unvorstellbar.
„Ein Mädchen zu sein, erfordert viel.“
In patriarchal geprägten Gemeinschaften wird nicht viel Wert auf die Stimme von Mädchen und Frauen gelegt. Traditionelle Geschlechterrollen sehen ihren Platz im Haushalt, der Pflege von Familienmitgliedern oder der Kinderbetreuung. Auf ihre Bildung wird kein Wert gelegt, bei kollektiven Entscheidungen werden ihre Bedürfnisse und Meinungen nicht mit eingeholt.
Um die Position von Mädchen und jungen Frauen in der Region zu stärken, hat Plan International in Alta Verapaz sogenannte Leadership-Schulen eingerichtet. Dort können sich Mädchen treffen und in einem Umfeld, das sie bestärkt, anstatt sie klein zu halten, über ihre Probleme und Herausforderungen austauschen. In Workshops und spielerischen Aktivitäten erlernen sie mit der Zeit Fähigkeiten, um sich gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung zu wehren.
„Ich wusste nicht einmal, dass es für Kinder möglich ist, sich zu beteiligen. Ich hatte keine Gelegenheit und keinen Ort, an dem ich mich mit anderen austauschen konnte“, sagt Ana. Im sicheren Umfeld der Leadership-Schule konnte sie in Gruppenübungen daran arbeiten, ihre Stimme zu finden und für ihre Interessen einzutreten.
Um mehr Wohlstand und Sicherheit zu erreichen, ist eine aktive Beteiligung von Mädchen, gerade auch in ländlichen Gebieten, unerlässlich. Nur wenn ihnen gleiche Chancen zur Entfaltung geboten werden, wie den Jungen und Männern in ihrem Umfeld, wird das volle Potenzial der Gemeinschaft ausgeschöpft. In den Leadership-Schulen können die Mädchen Lösungen für die Probleme finden, die sie und ihre Gemeinschaften betreffen.
„Als Mädchen hat man in der Gemeinschaft nicht viel Platz“, erklärt Ana. „Es ist wichtig, sowohl die Stimmen der Mädchen als auch die der Jungen einzubeziehen, denn wir haben alle unterschiedliche Meinungen, aber wir haben alle die gleichen Rechte.“ Anas Leben und ihre Einstellung hat sich stark verändert: „Als ich noch keine Stimme hatte, fühlte ich mich minderwertig. Dieser Prozess hat mir das Gefühl gegeben, dass wir alle gleich sind und dass wir alle wichtig sind.“
„Dieser Prozess hat mir das Gefühl gegeben, dass wir alle gleich sind und dass wir alle wichtig sind.“
Ana nutzt alle neuen Möglichkeiten, die sich ihr bieten. Sie wurde ausgewählt, um in einer Gruppe junger Menschen bei einem Termin mit lokalen Politiker:innen aus der nächstgelegenen Stadt La Tinta ihre Forderungen vorzulegen. „Wir werden darauf hinweisen, wie wichtig es für uns Mädchen ist, an Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden und wie wichtig jugendfreundliche Räume sind.“ Außerdem auf der Liste: Die Politik soll die Herausforderungen, vor denen Mädchen und junge Frauen in Alta Verapaz stehen, ernst nehmen und angehen. Dazu gehören frühe Schwangerschaften, schlechte Bildungschancen und geschlechtsspezifische Gewalt.
Die junge Frau ist entschlossen, alle Herausforderungen zu überwinden, um ihre Ziele zu erreichen und den Kampf für die Rechte aller Mädchen in ihrem Land anzuführen.
Anas Geschichte wurde mit Material aus dem guatemaltekischen Plan-Büro aufgeschrieben.