Vielerorts entstehen neue Notunterkünfte, etwa in Schulen und Bürogebäuden, die von Tag zu Tag voller werden. Unter den Vertriebenen, die hier Schutz suchen, sind auch viele Kinder. Die Lage in Libanon ist alarmierend, die Zukunft ungewiss.
Mit den anhaltenden Luftangriffen steigt die Angst bei den Menschen. In der Hoffnung, Sicherheit zu finden, fliehen sie aus ihren Häusern im Süden. Mehr als 1,2 Millionen Menschen – das ist mehr als ein Fünftel der libanesischen Bevölkerung – wurden laut den UN durch die Eskalation des Konflikts innerhalb kürzester Zeit zu Vertriebenen. 809.000 von ihnen suchen innerhalb des Landes Schutz, über die Hälfte von ihnen sind Frauen.
Schutz sollen jetzt die improvisierten Notunterkünfte bieten. Doch bevor sie diese erreichen, schlafen einige Binnenvertriebene auf der Straße. Auch in den Unterkünften selbst sind die Verhältnisse verheerend: Knapp 84 Prozent der rund 1.000 Schutzräume sind bereits überfüllt. Tendenz steigend.
Die Anzahl der Vertriebenen belastet die gesamte Gesellschaft, denn die meisten dieser Gebäude verfügen weder über die nötige Wasserversorgung noch sanitäre Einrichtungen für so viele Menschen. „Wenn man über die Zustände in diesen Unterkünften spricht, ist es schwer zu sagen, wo man anfangen soll. Es mangelt an Hygiene und Wasser zum Waschen. Auf einer Etage leben bis zu 200 Menschen, und es gibt nur drei Badezimmer“, sagt Samer El-Fakih, Nothilfekoordinator von Plan International Libanon.
Seit dem 8. Oktober 2023 wurden in Libanon etwa 2.500 Menschen getötet, rund 11.600 verletzt, so die UN. Seitdem stellt Plan International humanitäre Hilfe für vertriebene Kinder und ihre Familien in Libanon bereit. Zunächst nur auf den Süden des Landes konzentriert, vergrößert sich seit der Verschärfung der Luftangriffe im September 2024 mit der Zahl der Geflüchteten auch die Region, in der geholfen werden muss.
Mitarbeitende von Plan International verteilen täglich Hilfsgüter, um die Geflüchteten mit dem Nötigsten wie Matratzen, Decken, Lebensmittelpakete, Hygiene- und Menstruationsartikel zu versorgen; dabei mussten einige aus dem Plan-Team selbst fliehen.
„Einige unserer Teammitglieder hier in Libanon sind selbst vertrieben worden. Wir haben also vertriebene Menschen, die vertriebene Menschen unterstützen – das ist furchtbar“, berichtet Hasan Charafeddine, Spezialist für Existenzsicherung bei Plan International Libanon.
„Vertriebene Menschen, die vertriebene Menschen unterstützen – das ist furchtbar.“
Zumindest zeitweise in Sicherheit vor Luftangriffen, stellen die Zustände in den Notunterkünften ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die vertriebenen Kinder und Familien dar.
„Der Zugang zu lebenswichtigen Dingen wie sauberem Wasser, Hygieneartikeln und Lebensmitteln ist entscheidend. Aufgrund des Mangels an angemessenen sanitären Einrichtungen haben sich viele Kinder und Familien wochenlang nicht gewaschen, und wir mussten den Hygienesets Anti-Flohmittel beifügen, um die grundlegenden Gesundheitsstandards zu erhalten“, erklärt Samer El-Fakih.
„Ich habe Räume gesehen, die vier mal vier Meter groß sind und in denen zehn bis 14 Personen leben. Der ganze Raum ist mit einer oder zwei Matratzen ausgestattet, die sie nebeneinanderlegen und auf denen sie schlafen, wenn sie Platz finden. Es gibt Mütter, die Taschentücher auf dem nackten Boden ausbreiten, damit sie nicht direkt im Schmutz schlafen“, erzählt Samer El-Fakih.
„Die Menschen verlieren die Hoffnung.“
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) musste fast die Hälfte der Gesundheitszentren in den vom Konflikt betroffenen Gebieten geschlossen werden. Damit wurde der Zugang zu überlebenswichtiger Versorgung in dem durch eine sozioökonomische Krise ohnehin geschwächten Libanon stark eingeschränkt.
Eine der größten Herausforderungen für seine Arbeit sei, dass diese so unvorhersehbar sei und alle Fachleute trotzdem sehr schnell handeln müssten. „Menschen, die das Frühstück stehen lassen und mit allem, was sie tragen können, aus ihren Häusern fliehen“, sagt Hasan Charafeddine. Darauf könne man sich nicht vorbereiten. „Die Menschen verlieren die Hoffnung“, erzählt Hasan Charafeddine. Es ist nicht leicht, Menschen in dieser Situation zu sehen, aber wir versuchen, sie so gut wie möglich zu unterstützen.“
Der Artikel wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Libanon erstellt.